IV. Rechts- und Verfassungsgeschichte.

R. Reuter hat zu seiner Dissertation < 2074> außer den Lübecker Gerichtsbüchern und Urkunden auch die anderer Städte lübischen Rechts benutzt, namentlich von Reval und Elbing, in noch stärkerem Maße ein Stralsunder Gerichtsbuch. Den verhältnismäßig geringen Befund strafrechtlicher Bestimmungen im lübischen Recht erklärt er daraus, daß die Hochgerichtsbarkeit in Lübeck erst im Laufe des 13. Jh.'s vom kaiserlichen Vogt auf den Rat überging. Er gliedert seine Arbeit im wesentlichen nach Straftaten und schaltet einzelne Strafarten, Rechtsbräuche und -einrichtungen dazwischen ein. Mit seiner Auswahl bezeichnender Quellenbelege auf den einzelnen Gebieten des Strafrechts gibt er alles in allem ein anschauliches Bild. Nur wäre eine schärfere Gliederung nach Rechtsgrundlagen, Rechtshandhabung und umgestaltenden Einflüssen, wie auch eine gründlichere Erfassung der neueren Literatur erwünscht. -- Auf einen Aufsatz von K. Forstreuter < 857> kann hier nur hingewiesen werden. -- Dem Lübecker Verfassungs- und Verwaltungsleben entnommen ist die Arbeit von F. Bruns < 2075>. Die Liste der Lübecker Syndiker seit 1310 und der Ratssekretäre -- ursprünglich Ratsschreiber -- seit 1242 erhält durch die zuverlässige personengeschichtliche Bearbeitung der 166 Beamten ihren eigentlichen Wert als Nachschlagewerk für den hansischen Historiker und den Sippenforscher. -- Einen Beitrag zur stift-bremischen Verfassungsgeschichte bietet W. Brandt < 2071> in seiner Veröffentlichung über den sog. Prozeß der Marschländer, zu dem sich die Wurster, Kedinger und Altländer 1598 im Vertrag von Hagenah zusammengeschlossen hatten, um eine gerechte Verteilung der Türkensteuer nach der Ausschreibung des Regensburger Reichstags von 1594 durchzufechten. Der Verf. schildert nicht den langwierigen Rechtsstreit selbst, hebt vielmehr auf Grundlage der Quellen nur das Wesentliche des Verhältnisses zwischen Marschbauern und bremischen Landständen heraus, vor allem die wichtigste Forderung der Marschbauern, als Landstand des Erzstifts anerkannt zu werden. Der Tatsachenbeweis ihrer Berufung zu Landtagen genügte den Gerichten nicht, und urkundliche Privilegien ließen sich nicht erbringen. Mit Recht wirft der Verf. die Frage auf, welche Ritterschaften wohl neben dem historischen Beweis der Rechtsausübung eine Urkunde über ihre Rechte vorzulegen vermöchten. Der zweite Klagepunkt richtete sich dagegen, daß die Bauern mit der vollen Kontribution der Marschländer beschwert wurden, obgleich Teile der Marsch in ritterliche Hände übergegangen und dadurch abgabenfrei geworden waren. -- Die Schilderung jüngerer stadtbremischer Verfassungskämpfe durch H. Tidemann < 2073> zeigt in geschickter Darstellung, wie auch ohne starke Reibungsflächen und ohne revolutionäre Tat im bremischen Staatswesen der Funke der Julirevolution zünden konnte, wenn auch nur mit der harmlosen Folge, daß die untätige Verfassungsdeputation von 1814 neu ins Leben gerufen wurde, wie aber das revolutionäre Wollen sich totlief, weil seinen Vorkämpfern alle inneren und äußeren Voraussetzungen fehlten, so daß der überlegene Wille des Bürgermeisters Smidt als Sieger aus den Verhandlungen hervorging. Nach vollen sieben Jahren kamen »Grundsätzliche Bestimmungen für den Bremischen Freistaat« zustande, die, abgesehen von geringen liberalen Zugeständnissen, kaum etwas am Bestehenden änderten. Die Entscheidung freilich war damit nur bis zum Jahre 1848 vertagt.


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