V. Wirtschafts- und Sozialgeschichte.

J. Warncke veröffentlicht einen Nachtrag


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zu seinem Buch über die Lübecker Edelschmiedekunst < 2237>. Besonders durch die Sammeltätigkeit des Lübecker St. Annen-Museums ist noch manches Stück lübeckischer Goldschmiedekunst erfaßbar geworden. Somit können zu 78 Meisternamen Ergänzungen geboten werden. Dabei wird eingeräumt, daß wohl auch einmal ein Meister nach dem Entwurf eines Künstlers gearbeitet haben mag, wie W. Paatz eine Arbeit Bernd Heinemanns, den silbernen St. Jürgen der Rigaer Schwarzhäupter, für einen Entwurf Hennings von der Heyde ansprechen möchte. Die sehr schwierige Frage der künstlerischen und kunstgewerblichen Arbeitsteilung, namentlich zwischen Malern und Bildschneidern, wartet noch einer gründlichen Untersuchung. W. gibt seinem Nachtrag Abbildungen einiger Meisterwerke bei. -- In einem posthum veröffentlichten Aufsatz < 2233> tritt A. Schmidtmayer, in erster Linie auf die Reederbücher gestützt, den Nachweis an, daß nicht, wie noch G. Bessell annahm, der Schoß die vorzüglichste Steuerquelle Bremens war, sondern die bis jetzt noch nicht eingehend gewürdigte Akzise das Rückgrat des bremischen Staatshaushalts bildete. Das Übergewicht der Akzise (i. J. 1556 95 v. H. der öffentlichen Einnahmen!) erscheint in der Tat so stark, daß man irgendeine Fehlerquelle in der Rechnung vermuten möchte, wenn nicht der Umstand als Erklärung genügen soll, daß die Stadt die Akzise ganz ungewöhnlich ausgebaut hat. Die akzisepflichtigen Waren sind übrigens fast dieselben wie anderswo: Lebensmittel, Tuch, Leder und einzelne Gebrauchsgegenstände. -- Die geringe Zahl der bis jetzt vorliegenden Veröffentlichungen zur Geschichte des bremischen Handels hat H. Entholt und L. Beutin zu dem Plan veranlaßt, eine Reihe von Heften herauszugeben, die dem Mangel abhelfen sollen, und zwar in erster Linie durch Wiedergabe wichtiger Aktenstücke, die die Entwicklung der Verhältnisse vornehmlich seit dem 16. Jh. beleuchten. In dem vorliegenden 1. Heft < 2236> macht E. kurz mit dem Plan bekannt, und B. gibt auf 20 Seiten eine vorzügliche Einführung in den Gegenstand des Heftes, die Entwicklung des bremischen Handels aus ma.'licher Starrheit und Strenge zu weltumspannender Weite, wie sie nachher durch Aktenstücke zur Geschichte der Bergenfahrt, der Islandfahrt, der Shetlandfahrt, des Sundzolls und des Rußlandhandels belegt wird. In einer anderen Arbeit < 2234> zeigt L. Beutin an dem Wirtschaftsdenken, wie es sich in den Einrichtungen des Bank- und Börsenwesens äußert, Bremens Wandlung in die wirtschaftliche Neuzeit. Bremen ist dabei zugleich als Typ der Hansestadt gedacht. Richtungen, Größen und Gegenstände des Umsatzes treten hinter den Leitgedanken zurück. Den Ausgang bildet die Festsetzung einer bestimmten Börsenzeit im J. 1682. Sodann werden Maklerwesen, Kreditwesen, Bankwesen, Aktiengesellschaften und Börse betrachtet. Der Verf. stellt zwei Grundeigenschaften der gesamten Wirtschaft fest: ein kräftiges Beharrungsvermögen und einen lebendigen Trieb, der das Erstarren der Formen verhindert. Bei allem Vorwärtsstreben im Zeichen der Weltwirtschaft ist Bremen seiner alten, festen Haltung treu geblieben. Beutins Arbeit darf als ein wohlgeglückter Versuch bezeichnet werden, an einem beschränkten Ausschnitt wirtschaftsgeschichtlich Bedeutsames darzulegen. -- Eine dritte Veröffentlichung desselben Verf. < 2235> hat dem Berichterstatter nicht vorgelegen. -- Von den fünf Beiträgen zu dem Band »Ibero-Amerika und die Hansestädte« < 2231>, in dessen Vordergrund überall Hamburg steht, fallen drei in das wirtschaftsgeschichtliche Gebiet: E. Pätzmann berichtet über »Die Hansisch-iberoamerikanischen Wirtschaftsbeziehungen«, in denen Bremen bei seiner vorwiegenden Ausrichtung auf

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den Nordantlantikverkehr Hamburg nur mit etwa einem Viertel Anteil zur Seite steht. Nach kurzem Rückblick auf die voraufgehenden Jahre wird mit statistischen Einzelangaben die Entwicklung seit 1933 betrachtet. Die Arbeit von Harri Meier, »Zur Geschichte der Hansischen Spanienfahrt bis zu den spanisch-amerikanischen Unabhängigkeitskriegen«, beginnt mit einem Leitwort von B. Hagedorn. Das reiche Material dieses Forschers hat aber dem Verf. nicht zur Verfügung gestanden, und auch wesentliche neuere Veröffentlichungen hat er übersehen. So vermag er wenig Neues zu bieten, und seine Arbeit wird von berufener Seite in der Hansischen Umschau < 35> im wesentlichen abgelehnt. Der Beitrag von F. Baumgarten, »Hamburg und die latein-amerikanische Emanzipation (1815 bis 1830)«, zeigt, wie 1815 gegen den Versuch Spaniens, trotz den veränderten Verhältnissen den Handel nach den Kolonialländern zu unterbinden, und gegen die anfängliche Vorsicht des eigenen Senates die hamburgische Kaufmannschaft den Handel nach dem spanischen Südamerika durchsetzte. Mit seiner Schilderung, wie dank dem Vorgehen der Kaufmannschaft Hamburg nach und nach in diplomatische Beziehungen und feste Vertragsverhältnisse mit den neuen unabhängigen Staaten kam, widerlegt B. den Irrtum, wonach die Ideologie der Heiligen Allianz ernstlich das Eindringen des deutschen Handels in die neue Welt unterbunden haben soll.


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