Einzelheiten.

Es ist zu begrüßen, daß die Arbeit Kappners über die Geschichtswissenschaft an der Universität Jena <1931, S. 106> eine Fortsetzung von Lotte Hiller < 123> gefunden hat, die dem Zeitraum von 1674 bis 1763 gewidmet ist. Denn erst dadurch, daß eine einmal eingeschlagene Forschungsrichtung weiter fortgesetzt wird, fügen sich beide Arbeiten einem größeren Rahmen ein, der das Spezialistentum rechtfertigt. Die Fortsetzung bietet einen einheitlicheren und reizvolleren Stoff als die erste Arbeit; wir erhalten in dieser sauberen Studie ein geschlossenes Bild einer Entwicklung, das die Geschichtswissenschaft im Zeitalter der Polyhistorie und im Zustand vor der Aufklärung zeigt. An wichtigen Themen kann die Verf. besonders die Wendung vom Universalismus zu einer nationaleren Auffassung, das Aufkommen der Kritik und ihre Einschränkung durch die biblische Tradition, das Schwanken zwischen deutscher und lateinischer Sprache und dabei immer wieder hervortretend den didaktischen Zweck der Historie hervorheben. -- Die Schrift von Stokar < 132> versucht, die Denkformen der Anthroposophie an Ansichten und Erlebnisse Johannes von Müllers heranzutragen. Seine Geschichtsanschauung wird in Zusammenhang mit »undeutlichen Erinnerungen an das vorgeburtliche Dasein« gebracht; die Lebenswege von Müller, dieses für esoterische Betrachtung so verhängnisvoll


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anziehenden unsteten Mannes, werden als sein Ringen mit dem Geschichtsgott entschuldigt. -- Die aus der Schule von A. Dopsch hervorgegangene Arbeit von Jelusic < 134> über Karl Friedrich Eichhorn ist recht beachtenswert; sie versucht, zugleich Forschungsgeschichte und Geistesgeschichte zu vereinen. Das Lebenswerk Eichhorns, das mehr der sachlichen Erklärung einzelner Rechtsbegriffe als ihrer Wertsetzung gewidmet war, ist im besonderen Maße geeignet, seine Begriffsbildung, Methode der Fragestellung, Sprache und Quellenbenutzung zu untersuchen. Da zudem Eichhorn nicht isoliert behandelt, sondern im Rahmen seiner Vorgänger und Mitforscher behandelt wird, ist diese Arbeit auch für diese, besonders für Möser, die Göttinger Historiker, für Savigny und die gesamte historische Rechtsschule aufschlußreich. Die Auseinandersetzung zwischen der germanistischen und der romanistischen Rechtsschule behandelt ein heute wieder aktuell gewordener Abschnitt dieser Arbeit, die sich übrigens in ihrer weltanschaulichen Haltung dem Geiste des neuen Deutschland unverkennbar verschließt. -- Die Geschichtsauffassung von Görres findet allein, wie die Arbeit von E. Conrads < 135> zeigt, in seiner Person ihre Einheit. Da seine Existenz und Weltansicht sich im Laufe seines Lebens mehrfach gewandelt hat, so kann eine einheitliche Linie in seinem Verhältnis zur Geschichte nicht gefunden werden. C. unterscheidet drei Epochen seines Schaffens, die Zeit seiner eigentlichen, d. h. durch sich selbst bestimmten Geschichtsphilosophie, dessen bedeutsamster Niederschlag das Fragment »Wachstum der Historie« (1808) ist. In der zweiten Epoche geben die Fragen der Staatsphilosophie Görres Veranlassung, in das System des von ihm aufgedeckten Gegensatzes zwischen Wissen und Glauben »ziemlich planlos« seine Geschichtsphilosophie einzubauen. Der letzte Abschnitt seines Denkens und Wirkens ist bezeichnet durch seine Wendung zur christlichen und zugleich zur hierarchischen Weltdeutung, die Vorlesungen über »Grundlage, Gliederung und Zeitfolge« (1829) sind die wichtigste Quelle seiner geschichtstheologischen Haltung aus der Spätzeit. Im Vergleich mit den Anschauungen von Görres wird die Geschichtsphilosophie von Hegel von ihrem ursprünglich gemeinschaftlichen Ausgangspunkt bis zu dem radikalen Gegensatz verfolgt. -- Über die Entwicklungsjahre des Prager Historikers Constantin von Höfler hat vor einigen Jahren Borodajkewycz ein umfangreiches Werk vorgelegt, das vornehmlich den Münchener Katholizismus der Görreszeit <1935, S. 393> schildert. Der Aufsatz von Wostry < 141> ist im wesentlichen eine Besprechung dieses Buches. Lades < 142> schildert den gesamten Lebensgang Höflers, die Entwicklung des ursprünglich päpstlichsten aller deutschen Historiker im 19. Jh. zum großdeutschen Vorkämpfer für die Sache der Deutschen in Böhmen, besonders stark wird der Gegensatz des großdeutschen Katholiken gegen den Verfechter der hussitischen Idee, den liberalen Protestanten Palacký, herausgearbeitet. -- Über Jakob Burckhardt liegt, wie fast alljährlich, ein reichliches Schrifttum vor. Schaumkell < 139> wägt die Momente, die Burckhardt den Nationalsozialismus ablehnen lassen würden, seine Abneigung gegen die ewig böse Macht des Staates usw. gegen diejenigen aus, die ihn gerade mit den Zielen unserer Zeit verbinden, seinen Kampf gegen den politischen Liberalismus, gegen eine unbeschränkte Presse, gegen das Eindringen der Juden in das Geistes- und Wirtschaftsleben. Die Ausgabe von Burckhardts Zeitungsaufsätzen < 138> bestätigt die an dieser Stelle wiederholt angedeutete Wahrnehmung, daß nämlich von

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keinem unserer Geschichtsschreiber soviel zerstreutes und deshalb gewöhnlich sehr aufschlußreiches Material an Briefen, Schriften und anderen Lebenszeugnissen zusammengetragen worden ist wie über ihn. Es ist wohl überhaupt noch nicht hinreichend beobachtet worden, daß die namhaftesten und z. T. gerade die am wenigsten politischen Historiker des letzten Jahrhunderts zeitweise als Herausgeber von Tageszeitungen tätig gewesen sind (z. B. Pertz, Hannoversche Zeitung; Duncker, Constitutionelle Zeitung). Nur von wenigen (Mommsen <1927, 983>, Baumgarten <1931, S. 404>) liegen über ihre Tagesschriftstellerei nähere Nachrichten vor; sind doch die Beiträge Rankes an der Kreuzzeitung bis heute verschollen. Auch Jakob Burckhardt hat eine kurze Zeit (Juni 1844 bis Dezember 1845) eine von ihm als Fron empfundene Tätigkeit an der Basler Zeitung ausgeübt; gleichzeitig sandte er Berichte über Schweizer Verhältnisse an die Kölnische Zeitung. E. Dürr hat 39 seiner Leitartikel und Korrespondenzen ausgewählt und mit einer Einleitung versehen. Die Berichte stammen aus der Zeit des Sonderbundskrieges, der die Schweiz zeitweise in den Mittelpunkt des europäischen Kampfes zwischen Restauration und Revolution führte. Sie zeigen uns die durchaus konservative Haltung Burckhardts, der jeden Radikalismus ebenso ablehnte wie er besorgt die drohende Intervention der europäischen Mächte abzuwenden versuchte.


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