II. Historische Landeskunde, einschl. Ortsgeschichte.

G. Streitberg < 472> will erforschen, ob die im Westen erwiesene Kraft des Territoriums in der Gestaltung von Sprachlandschaften auch für Ostsachsen und das angrenzende Nordböhmen zutrifft. Es steckt viel Mühe und systematische Betrachtung in dieser Arbeit aus der Schule von Frings, aber die Ergebnisse für die Aufhellung des gestellten Problems sind leider nur mager und auch nicht immer zwingend (vgl. J. Leipoldt in Neues Arch. sächs. Gesch. 58, S. 234 f.). Die politische Gestaltung hat hier auf die Sprachenentwicklung eben nicht den erwarteten Einfluß gehabt, sondern weit überwiegend dürften kulturelle Bindungen die Verwandtschaft mit den sprachlichen Verhältnissen des schlesischen und böhmischen Nachbarraumes der Oberlausitz bedingen. Was jedoch über das Vorkommen der einzelnen Wörter sowohl ohne Gruppenbildung als nach Gruppen der Karten zusammengetragen wird, ist aller Anerkennung wert und eine gute Grundlage für weitere Forschungen dieser Art, wie es ebenso die umsichtig zusammengestellten Karten und ihre Kennzeichnung in Typen sind. Die geographischen und geschichtlichen Voraussetzungen für sein Thema hat St. jedoch zu ausführlich behandelt, aber sie wie auch das Schrifttumverzeichnis offenbaren deutlich seinen eindringenden Fleiß. -- Für die Erforschung des Erzgebirges, sächsischen und böhmischen Anteils, bietet H. Helbig < 41> das Schrifttum von 1920 bis 1937, nach Sachgruppen gegliedert. Wenn er das Ganze nur eine Auswahl nennt, so möchte ich nach verschiedenen Stichproben hinzufügen, daß jedenfalls kaum eine irgendwie wichtigere Schrift fehlt. Fraglich ist nur, ob die Veröffentlichung in dem umfangreichen Dt. Archiv für Landes- und Volksforschung, Bd. 1 für die Lokalhistoriker, denen sie gerade am meisten nützen müßte, leicht zugänglich ist. Vielleicht dürfte sich darum ein Sonderabdruck für eine der geschichtlichen Zeitschriften des Gebietes


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empfehlen, weil dieser dann viel einfacher und daher stärker benutzt werden könnte. -- W. Fröbe < 304> schließt mit der Darstellung Alt-Schwarzenbergs sein aufschlußreiches Werk über Herrschaft und Stadt Schwarzenberg bis zum 16. Jh. ab <1932, S. 439 f.>. Im 5. Kapitel (Wirtschaft und Verwaltung) folgt auf die Darlegung der landwirtschaftlichen Verhältnisse die Betrachtung über den Wald, die Gewässer (mit Fischfang), den Bergbau, die Eisenhämmer, die Amtspersonen und die rechtliche und militärische Organisation der Herrschaft. Im 16. Jh. gab es viel Laubwald neben Moor und Heide, aber auch weit mehr Tannen im Bezirk, wo jetzt die Fichte so stark überwiegt. Die »Harzweide« mit der Pechgewinnung war ein einträglicher Nebenberuf der sonst nur karg gestellten Bauern, aber sie schadete auch mit dem »Reißen« der Bäume dem Bestande ebenso wie die starke Kohlenmeilerei. Wild war zahlreich vorhanden, an großen Raubtieren noch Bär, Wolf und Luchs. Die Schilderung des Flößens nur zur Flutzeit der Bäche bringt Aufschluß über diesen viel umrätselten Vorgang. Immer verfolgt Fr. hierbei und allerwärts liebevoll die überlieferten Flurnamen. Das Zinn von Eibenstock war geradezu weltberühmt wegen seiner Reinheit und viel höher geschätzt als das von Schwarzenberg. Dagegen ist der Reichtum an Eisen um Schwarzenberg erstaunlich und hat nicht nur eine Anzahl von Hammerwerken genährt, sondern wohl auch den Anstoß zur frühen Ausbildung der Eisenindustrie im Erzgebirge gegeben. Von den Amtspersonen werden uns nicht nur die Namen, sondern auch die Bestallungen, Besoldungen, Befugnisse und Leistungen berichtet, und schließlich erfahren wir auch manches Wertvolle über die Rechtspflege im Amte und über die militärischen Verpflichtungen der Bürger und Bauern, die sog. »Folge«. Im 6. Kapitel werden die Siedelungen im einzelnen nach Entstehen (z. T. im Gegensatz zu Langer), Größe und Bedeutung beschrieben. Das 7. Kapitel befaßt sich mit der Stadt selbst und erörtert alles, was nur einigermaßen wichtig sein kann: Stadtflur, Wege, Gebäude, Verwaltung, hervorragende Personen, soziale und wirtschaftliche Gliederung und Kirchen- und Schulwesen innerhalb der Zeit bis 1586. Wenn man mit dem Verf. die Stadt im Geiste durchwandert, hat man den Eindruck einer Kleinstadtidylle; daß es aber unter der anscheinend so stillen Oberfläche auch heftig gären und sprudeln konnte, lehrt der Abschnitt über die »Zweiung«, die Bürgermeister, Schösser, Pfarrer und Gemeinde in heftigen Streit miteinander brachte und 1551 nur durch kurfürstliche Beauftragte geschlichtet werden konnte. Zahlreiche Faksimiles, Bilder, Karten und Risse tragen zur Anschaulichkeit bei, und ein ausführliches Register über Personen, Sachen und Örter hält den weitläufigen Stoff dankenswert zusammen. --

J. Leipoldt < 2085> verfolgt mit gewohnter Sorgfalt Wesen und Wandlungen der Saupenverfassung im Amte Meißen, um den Zustand vom 16. bis 18. Jh. festzustellen. Aus den ma.'lichen Quellen ergibt sich, daß die Saupen (Supane) vorwiegend eine richterliche Aufgabe gehabt haben. Im Anschluß an die Geschichte der einzelnen Saupereien wird diese Tätigkeit der Saupen aktenmäßig festgestellt und dabei der Rechtsstand ihrer Güter untersucht. Im Rückblick auf das MA. erkennt L., nicht zuletzt aus siedlungsgeschichtlichen Betrachtungen, daß die Saupenverfassung nicht etwa als einseitige Gerichtssatzung für die wendische Bevölkerung anzusehen ist, sondern daß sie nach der Durchlöcherung der Burgwardeiverfassung aus der alten Supanieverfassung zu einer neuen zweckmäßigen Verwaltungsgrundlage entwickelt worden ist. Da Saupenund


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Landgerichtsverfassung einen engen Zusammenhang mit dem Burggrafenamt verraten, so sind sie vielleicht erst in der Mitte des 12. Jh.'s mit der Burggrafenschaftsverfassung entstanden und mit ihr fortgebildet worden. --

H. Helbig < 604> behandelt die Völkerbewegungen und Kulturströmungen in der Oberlausitz von der Altsteinzeit bis ins 13. Jh. und knüpft dabei an die einschlägigen Arbeiten R. Kötzschkes an, beherrscht aber auch das ganze weitere Schrifttum. In der vorgeschichtlichen Zeit ist das Gebiet vorwiegend Übergangsland zwischen verschiedenen Kulturen, von denen nur die sog. Lausitzer Kultur etwa 1000 Jahre den Vorrang behält (1500--500 v. Chr.). Schon beginnen aber die Vorstöße westgermanischer Stämme von der Elbe, ostgermanischer von der Oder her. In dem langen Rückzugskampfe entfalten die illyrischen Bewohner noch einmal eine letzte Blüte ihrer Kultur, müssen aber schließlich doch weichen oder in den germanischen Bedrängern untergehen. Im 5. Jh. v. Chr. stürmen asiatische Skythen an, ebben aber schnell zurück, und dann wird die Oberlausitz Kampfgebiet verschiedener germanischer Stämme bis zu deren Abzug nach dem Westen und dem nun folgenden langsamen Eindringen von Slawen. Nach dem ersten deutschen Gegenstoß unter Otto I. und dem großen Rückschlag unter seinem Sohn heben die Kämpfe zwischen Deutschen und Polen an. Konrad II. stellt die deutsche Überlegenheit wieder her. Mark und Bistum Meißen tragen nun die deutsche Kultur und Herrschaft in das Gebiet vor. Die Formel, »daß Herrschaft nur durch Kolonisation gewonnen werden kann«, hat M. Jaenecke in seiner leider noch ungedruckten Dissertation von 1923 geprägt, sie kennzeichnet in der Tat das Streben dieser Zeit. Aus ihm entwickelt sich aber, nachdem die Gefahr des Einfalls der Mongolen durch deren plötzlichen Abzug vorübergegangen ist, ein Ringen zwischen Meißen und Böhmen, in dem dieses die Oberlausitz im wesentlichen an sich bringt. Die Zeitgenossen haben es nicht tragisch genommen, weil sie darin nur territoriale Reibereien zwischen zwei Reichsständen sahen, wir wissen heute, daß es uns völkisch abträglich gewesen ist. --

Der sächsischen Oberlausitz dient J. Prochno mit seinen geschichtlichen Arbeiten in zweifacher Hinsicht. Einmal, indem er auf das Handwerkszeug verweist, das in den Prager Archiven ruht < 76>, und zum andern, indem er die Geschichte Zittaus durch Regesten von 1234 bis vorläufig 1378 aufhellt oder bereichert (N. Laus. Mag. 113, S. 79--198). Unter Land Zittau faßt er nach E. A. Seeliger nicht nur das Gebiet der Amtshauptmannschaft Zittau, sondern auch bestimmte Teile der Amtshauptmannschaft Löbau und des Gerichtsbezirks Rumburg in Sudetendeutschland; dem Inhalt nach umfassen die Regesten hauptsächlich Urkunden über Besitzverhältnisse, aber auch Urfehden, Pfarrbesetzungen und geschichtliche Nachrichten begegnen in größerer Zahl und alles dankenswerterweise in deutscher Sprache, so daß die Regesten auch für weitere Kreise leicht benutzbar sind. -- W. Schlesinger < 909>, durch frühere Arbeiten zur Schönburgischen Geschichte <1935, S. 484> schon bekannt, beschreibt in einem kleinen Büchlein das Amt Glauchau im 16. Jh. nach Umfang, Einkünften, Gericht, Herrschaftsrecht, Wirtschaft und Verwaltung. Es ergibt sich, daß die ganze Struktur von der eines wettinischen Amtes nicht wesentlich verschieden ist.


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