VII. Darstellungen nach der Reihenfolge der Ereignisse.

Ein anschauliches und namentlich kulturhistorisch zu wertendes Bild entwirft Demandt von »Falknerei und Jagd der letzten Katzenelnbogener Grafen« (Nassauische Annalen 57, S. 132--155) im 15. Jh., vor allem unter Philipp dem Älteren; ein Schulbeispiel für methodische Ausschöpfung des an sich so spröden Quellenstoffes der Rechnungen. Jagdreviere und -zeiten, die Jagdarten, an erster Stelle Falknerei und Sauhatz, die Persönlichkeiten der Jäger, schließlich die gesellschaftliche Bedeutung der Jagd werden in gleicher Weise lebendig.

Wolf < 1997> erweitert seine Forschungen über die Grafen von Nassau aus dem 16. und 17. Jh. mit einer eingehenden Aktenuntersuchung über das Landrettungswerk zwischen Rhein, Main und Lahn zum Schutze namentlich gegen spanische Truppeneinfälle, an dessen Zustandekommen die Grafen Johann der Ältere und Johann der Mittlere gleichen Anteil haben. Der Gedanke von Wehrpflicht und stehendem Heer, nach Ansicht des Verf.s von maßgebendem Einfluß auf ähnliche Einrichtungen im Ordensland Preußen, in Braunschweig, Hessen, Kurpfalz und Sachsen, ist hier wenigstens erstmalig praktisch geworden; neuartig ist die Einführung eines Exerzierreglements und das Verständnis für die Wirkung werbender Propaganda. -- Die Tätigkeit Johanns des Älteren für den Kalvinismus beleuchtet derselbe Verf. durch die Veröffentlichung


S.499

seines Briefwechsels mit dem früheren Herborner Theologen Christoph Pezel aus dessen Bremer Zeit < 2479>. Neue Quellen zur »zweiten Reformation« in Bremen werden erschlossen; darüber hinaus zeigen die Briefe den weitreichenden Einfluß Johanns über ganz Norddeutschland und beleuchten die geistigen wie die politischen Probleme jener spannungsreichen Zeit. -- Der Schwerpunkt von Beckers Fortsetzung seiner Dillenburger Archiv- und Kanzleigeschichte < 77> liegt im 17. und 18. Jh. in der biographischen Darstellung der in einer Person vereinigten Archiv- und Kanzleileiter. Für die Erhaltung des Archivs war sein Zusammenbleiben im festen Dillenburger Schloß auch in der Zeit der Teilherrschaften von wesentlicher Bedeutung. Archivgeschichtlich wird erst die Zeit nach der Wiedervereinigung von 1742 bei zunehmender Benutzung durch Verwaltung und historische Forschung von Interesse; eine Trennung des Archivs von der Kanzlei war die Folge.

Die Reichspolitik des Mainzer Kurfürsten Johann Friedrich Karl von Ostein in den Jahren 1743--1756 ist nach der Untersuchung von Solf < 1004> auf Grund der Mainzer Archivalien in Wien und der Akten des Reichsarchivs in Frankfurt ein Beweis für den hoffnungslosen Niedergang der mittleren Territorien gegenüber den vier großen europäischen Mächten. Wechsel zwischen schwacher Neutralitätspolitik und Anlehnung an die stärkere Partei bei lebhafter diplomatischer Tätigkeit können die große Politik im Österreichischen Erbfolgekrieg doch niemals entscheidend beeinflussen. Hinter dem Gedanken einer Stärkung der Reichseinheit durch engeres Zusammengehen der Reichskreise oder einer Sicherung der Rheingrenze steht in erster Linie doch nur die Sorge um das eigene Territorium. -- An Müllers Darstellung der Verfassung in Worms Ende des 18. Jh.'s < 2103> interessieren weniger die Auseinandersetzungen zwischen Bischof, Magistrat, Zünften und Bürgerschaft um den Anteil an Herrschaft und Verwaltung, die das gleiche Bild wie in anderen Orten zeigen, und die allmähliche Durchführung der französischen Munizipalverfassung seit 1792, als vielmehr die politische Seite der französischen Annexionsmethoden am linken Rheinufer. Der militärischen Eroberung eilt die Propaganda voraus, die in den Klubisten eine wenn auch geringe Gefolgschaft sammelt. Die Bevölkerung hat zwar den inneren Widerstand nie aufgegeben, andererseits nahm ihr das starre Festhalten an einem überlebten System jede Kraft zu einer aussichtsreichen Opposition. -- H. Sarholz' Untersuchung über »das Herzogtum Nassau 1813--1815« (Nassauische Annalen 57, S. 55--119) stellt den Staatsminister Marschall von Bieberstein in den Mittelpunkt. Auch hier offenbart sich die ganze Schwäche eines deutschen Kleinstaates bei dem Zusammenstoß Napoleons mit den europäischen Mächten. Rheinbundgesinnung und Partikularismus, nur zaghafter Anschluß an die Verbündeten, ein ausgesprochener Preußenhaß kennzeichnen den übervorsichtigen Politiker. Aktiver zeigte er sich in der Verfassungsfrage, bei der Steins Einfluß spürbar ist. Auf dem Wiener Kongreß hatten die Bemühungen in der deutschen Politik um Gleichberechtigung der mittleren Staaten und um die Erhebung zum Großherzogtum wenig Erfolg, gelungen ist nur territoriale Abrundung vor allem durch den Erwerb von Katzenelnbogen. --Ph. Losch zeichnet in »Lecanus« (»Hessenland« 48, S. 326--337) das Bild eines Günstlings Jéromes, der ihn auf seiner wechselvollen Lebensbahn begleitete und als Außenminister des Königreichs Westfalen die Erwerbung Hannovers betrieben hat.


S.500

Losch hat seiner Geschichte des Kurfürstentums und seinem Kurfürst Wilhelm I. eine Biographie des letzten hessischen Kurfürsten < 1076>, für einen weiten Leserkreis bestimmt, folgen lassen. Die Schilderung der unglücklichen Familienverhältnisse vermitteln das Verständnis für Charakter und Haltung des späteren Regenten; doch muß das Bild unvollständig bleiben, da reichhaltige Archivbestände nicht ausgewertet sind; die innere und die besonders interessante Finanzverwaltung fehlen ganz. Einzelheiten der »Annexion« Kurhessens bringt ein Aufsatz in »Hessenland« 47, S. 88 ff. --Kaiser < 1077> versucht das harte Urteil eines Treitschke, Wieber und Kähler über den kurhessischen Verfassungsrechtler Jordan zu berichtigen. Auf Grund seiner Analyse von Jordans Staatsauffassung und einer eingehenden Untersuchung seines führenden Anteils an der Verfassung von 1831 sieht Verf. in ihm den »Verfechter des konstitutionellen Staatsrechts im liberal-reformistischen Sinne«. Im Gegensatz zu Wieber hält er Jordans Staatsrechtslehre 1831 bereits für abgeschlossen; seine politische Stellung von 1831 darf nicht vom Standpunkt seiner späteren, durch den politischen Kampf radikaler gewordenen Wirksamkeit aus beurteilt werden. -- Die Revolutionskämpfe in Mainz von 1848/50, die Buckler <1936, 1019> darstellt, gipfeln in der Auseinandersetzung zwischen dem Führer der Liberalen, Abgeordneten Zitz, und dem radikalen Demokraten, dem Juden Ludwig Bamberger, der sich hier im Anfang seiner langen politischen Tätigkeit bis zu separatistischen Plänen versteigt.


Diese Seite ist Bestandteil des Informationsangebots "Jahresberichte für deutsche Geschichte" aus der Zwischenkriegszeit (1925-1938)