VII. Kirchen- und Kirchenverfassungsgeschichte.

A. Katholisches Kirchenwesen. Die Auffindung einer bisher unbekannten Handschrift der Kölner Offizialatsstatuten im neu geordneten Archiv des Stifts zu Xanten gab F. Gescher < 2340> die Veranlassung, diese früher von ihm in der Z. der Savigny-Stiftung f. Rechtsgeschichte (Kan. Abt. 14) veröffentlichten Statuten noch einmal zu veröffentlichen. Es gelang ihm auch, nachzuweisen, daß diese Statuten im Jahre 1320 verfaßt sind und höchstwahrscheinlich aus der Diözese Utrecht stammten. Wertvoll sind auch die drei Listen von kölnischen Gerichtsbeamten, die uns die Xantener Hs. bietet. Der Veröffentlichung der Statuten fügt G. einen eingehenden Kommentar bei. -- Derselbe Gelehrte < 2339>, der sich schon mehrfach mit der Geschichte des Kölner Offizialats beschäftigt hat, sucht hier im Zusammenhang mit den Forschungen von v. Kienitz und Güttsches durch Abdruck einer Urkunde von 1387 festzustellen, daß damals noch kein Generalvikar im eigentlichen Sinne vorhanden war, sondern erst 1421.

Mit dem Memorienbuch des Stifts Kaiserswerth aus dem 14. Jh. hat sich J. Ramackers < 2367> eingehend beschäftigt, zu dessen Herausgabe durch H. Kelleter es nicht mehr gekommen ist. Da Lacomblet nur Bruchstücke aus dieser Hs. veröffentlicht hat, hält R. eine Herausgabe dieses Stücks für sehr wünschenswert. Er bietet hierfür schon allerhand wertvolle Feststellungen, so z. B. kann er die Abfassung dieses Buchs auf 1323 festlegen. Seinem Vermuten nach lag eine ältere Fassung zugrunde. Mit Lacomblet und Kelleter setzt er sich wegen verschiedener Fragen auseinander, so zuletzt auch über die Kritik Kelleters an Clemens' Ansetzung der Vollendung des Suitbertusschreins. Aus den letzten Lagen der Hs. veröffentlicht er verschiedene Aufzeichnungen zur Geschichte des Stifts. -- Über die Deutschordens-Kommende Ramersdorf in Beuel war bisher sehr wenig bekannt. Hennes hat sie ganz unberücksichtigt gelassen in seiner Geschichte des Ordens im Rheinland, und Maaßen gab nur dürftige Notizen. Es ist daher dankenswert, daß H. Neu in den Bonner Geschichtsblättern (Bd. 1, S. 123--152) die Geschichte dieser Kommende von ihrer Entstehung im 13. Jh. an ausführlicher darstellt, sowohl ihr inneres Leben wie die wirtschaftlichen Verhältnisse aufklärend. Auch die Gebäude der Kommende werden hier z. T. an der Hand alter Abbildungen geschildert. Zum Schluß gibt er einen


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Überblick über ihren Besitz in nachmittelalterlicher Zeit und ihr Schicksal im 19. Jh.

B. Evangelisches Kirchenwesen. Aus den Farnesischen Papieren in Rom, Neapel und Parma veröffentlicht W. Friedensburg < 2431> eine Reihe Briefe des aus dem Osnabrückschen stammenden Klerikers Johann Hoetfilter, die dieser in den Jahren 1544 bis 1546 meist an Kardinal Farnese richtete, um die römische Kurie über das Vorgehen Hermanns von Wied zu unterrichten und sie anzuspornen, aus ihrer Passivität herauszutreten, ehe es zu spät sei. Man kann für jeden Beitrag zur Geschichte des kölnischen Reformationsversuchs dankbar sein, besonders auch für diese Briefe, da Hoetfilter als Vertrauensmann der Kölner Universität zu den erbittertsten Gegnern des Erzbischofs gehörte. Auch ein Brief Johann Groppers findet sich in dieser Sammlung. -- Der Gegensatz Stadt und Stift bildet bei der Einführung und Ausbreitung der Reformation in Essen eine große Rolle. A. Kuhlendahl < 2539> zeigt, daß die Stadt auf ihrer Reichsunmittelbarkeit bestand, obwohl sie nicht zu den Reichstagen eingeladen wurde, und den Anspruch geltend machte, auf Grund des Religionsfriedens von 1555 ihr Reformationsrecht zur Durchführung zu bringen, obwohl sich hier schon eine Gemeinde gebildet hatte, die auch noch die Selbständigkeit in Gemeindeangelegenheiten der städtischen Obrigkeit hervorkehrte. Von den Schulen aus war die Evangelisierung erfolgt, und die Bürgerschaft steuerte mehr auf die Kalvinsche Richtung zu (Betulejus u. a.). Heßhusen suchte hier ebenso vergeblich wie in Wesel das Neuluthertum durchzusetzen. Trotz seiner mehr reformierten Gesinnung wurde Kasper Ißelburg vom klevischen Herzog hier eingesetzt, der durch seine Haltung in der Pestzeit die Liebe der Bürger gewann. Prediger kamen und gingen, Coolhaas wurde 1571 vom Magistrat ausgewiesen, als durch ein Religionsgespräch eine lutherische Gemeinde begründet wurde. Das Stift spielt bei alledem immer mehr die Rolle des Angebers und kann keine positiven Leistungen aufweisen.

Das Buch von J. Boehmer < 2542> geht weit über den Rahmen einer Gemeindegeschichte hinaus. Eine große Tragik liegt über dem Ganzen, nicht nur weil dies durchaus hochdeutsche Gebiet von Eupen schmählicherweise seit 1918 von uns getrennt ist, sondern weil die Evangelischen gerade dieses Gebiets durch so unsägliche Leiden gehen mußten, um ihrem Glauben leben zu können. So bietet namentlich der Abschnitt über das Reformationsjahrhundert eine außerordentlich wertvolle Zusammenstellung aller der unsäglichen Verfolgungen der Evangelischen vor Alba, unter Alba und seit Alba. Wirklich aufatmen durfte die Gemeinde nur 1632--35, als die Staatischen sie schützten, und von 1703--1713, ebenfalls unter den Holländern. Im übrigen war die Gemeinde eine heimliche unter mancherlei Drangsalen bis zum Toleranzpatent von 1781. Aber damit schließt der Verf. keineswegs ab, sondern führt die Geschichte der Gemeinde durchs 19. und 20. Jh., behandelt die Lage der Protestanten unter der belgischen Regierung, teilt die belgische Kirchenordnung mit, unterrichtet über die Zahl der Gemeindeglieder seit 1738, die Persönlichkeiten der Pastoren seit 1633 sowie der Lehrer seit 1705 und schließlich über die Evangelischen in Moresnet, Malmedi und St. Vith. Ein sehr inhaltreiches Buch, obwohl der Verf. nur wenige Monate selbst der Gemeinde vorgestanden hat.

Eine Grundlage für eine künftige Darstellung des Lebens in den reformierten Gemeinden des alten Jülicher Landes bieten die von H. Mahlert im Auftrag


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des Synodalvorstandes der Kreisgemeinde Gladbach herausgegebenen Verhandlungen der Klassenversammlungen zu Gladbach (1611--12) und Odenkirchen (1612) unter dem Titel Klassenbuch I der dritten Jülicher Klasse (1937). Der Herausgeber schildert einleitungsweise die Entstehung dieser Klasse mit reicher Kommentierung der dabei tätigen Persönlichkeiten, gibt dann einen kurzen Überblick über die ersten Klassenversammlungen und über die erhaltenen Niederschriften. Das Schriftchen ist auch mit Registern versehen. -- A. Rosenkranz < 2543> gibt eine eingehende Schilderung der kirchlichen Zustände Kreuznachs im 17. Jh. Als pfälzische Oberamtsstadt war Kreuznach um 1618 ein überwiegend reformierter Ort. Als aber 1620 hier die Spanier einrückten, wurde es anders. Jetzt fanden Karmeliter und Franziskaner, vor allem aber Jesuiten Veranlassung, gegen die Reformierten vorzugehen. Erst durch Gustav Adolf kam ihnen Erlösung, der aber nun eine lutherische Gemeinde hier hinterließ. Die persönlichen Verhältnisse der einzelnen Amtsträger werden vom Verf. mit größter Sachkenntnis geschildert, im weiteren aber auch die konfessionellen Zustände nach dem westfälischen Frieden bis etwa 1661. Eine Fülle von Anmerkungen erläutert die anschauliche Darstellung. -- Der rüstige Forscher über das Braunfelser Gebiet F. Himmelreich < 2540> setzt nicht nur seine Mitteilungen über die Gegenreformation in Wetzlar während des 30jährigen Kriegs fort, sondern bietet für einzelne Pfarren der Kreissynode Wetzlar allerhand Nachrichten aus Akten von Kirchenvisitationen aus den Jahren 1584 und 1649.

W. Niepoth, Zur Geschichte der Mennoniten in Rheydt (27 S.) zeigt, daß auf sippenkundlicher Grundlage zuverlässige Nachrichten über solche Familien gewonnen werden können, die ursprünglich zu den Mennoniten gehörten, später aber zur reformierten Konfession übergetreten sind. So ließen sich manche Ahnen solcher Krefelder ermitteln, die 1683 nach Amerika ausgewandert sind. Der Verf. geht den Spuren der Mennoniten im Jülicher Land nach, schildert ihre Ansiedlung in Rheydt und ihre Vertreibung von dort an der Hand amtlicher Protokolle aus der Zeit des Pfalzgrafen Philipp Wilhelm (1653). -- Über die erste deutsche Auswanderung nach Pennsylvanien im Jahre 1683 und die Gründung von Germantown handelt eine bereits im Jahre 1932 vorgelegte Bonner Dissertation (Ref. W. Goeters) von Fr. Nieper, die aber erst 1937 gedruckt wurde. Sie bildet ein Kapitel einer größeren Arbeit unter dem Titel »Täufertum und mystischer Separatismus in Krefeld und in Pennsylvanien im 17. und 18. Jh.«. Diese religiösen Gruppen hatten in Krefeld eine Freistatt gefunden. Auch für die Familienforschung kommt diese interessante Arbeit, die sich mit Pastorius u. a. Führern der Mennoniten und Quäker beschäftigt, in Betracht.


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