IV. Kirchengeschichte.

Die Beiträge in den verdienstvollen Blättern zur pfälzischen Kirchengeschichte tragen zumeist lokalen Charakter. Das von G. Biundo veröffentlichte Visitationsprotokoll der Grafschaft Leiningen-Hardenburg vom Jahr 1597 < 2544> bildet neben einer Fülle lokalgeschichtlichen Materials eine Fundgrube von Nachrichten zur kirchlich-religiösen Volkskunde der Pfalz. Einen Beitrag zur revolutionären Kirchenpolitik Frankreichs bei der Neuordnung der kirchlichen Verhältnisse auf dem linken Rheinufer bietet O. Jungs Arbeit über die pfälzische Kirche und die französische Herrschaft (1793--1814) unter besonderer Berücksichtigung des protestantischen Kirchenvermögens im ehemaligen Herzogtum Zweibrücken < 2545>. -- Im Rahmen der allgemeinen Entwicklung zeigt E. Baumgartner < 2372> an dem für eine ganze Anzahl von Pfarrkirchen der Freiburger Erzdiözese typischen Beispiel der Pfarrkirche von St. Urban die rechtlichen Beziehungen, die Lehens-, Zehnt- und Patronatsverhältnisse auf.

Der Klostergeschichte im alemannischen Raum rechts und links des Rheins gelten im Berichtsjahr namhafte Arbeiten. An ihrer Spitze stehen die Beiträge zur Geschichte von St. Trudpert, hrsg. von Th. Mayer < 2371>, eine Gemeinschaftsarbeit aus dem rührigen oberrheinischen Institut für geschichtliche Landeskunde Freiburg i. Br. Alle Mitarbeiter mühen sich, die ma.'liche Geschichte des ältesten rechtsrheinischen Klosters, das seine Bedeutung nicht der eigenen Stellung, sondern den Beziehungen zur Geschichte des


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Breisgaues verdankt, über die Forschungen von Neugart, Herrgott, Weech, Steinacker und Schulte hinauszuführen. Im Vordergrund stand die Aufgabe, aus den zahlreichen Urkundenfälschungen das Zuverlässige herauszuschälen, die Datierung der Klostertradition richtig zu stellen und späte Quellen auf ihren wahren Wert zurückzuführen. Der Herausgeber faßt die wertvollen Ergebnisse der einzelnen Beiträge für die Christianisierung des deutschen Südwestens, für das Verhältnis des Elsaß zum rechtsrheinischen Gebiet, die Stellung des alten alemannischen Herzogtums, das Aufkommen der Dynastenhäuser und des neuen Territorialstaates zusammen. -- Die Aufhebung des Klosters im Jahre 1806 und die damit verbundenen vermögensrechtlichen Auseinandersetzungen mit dem badischen Staat behandelt W. Strohmeyer < 2455>. -- Im Zusammenwirken von diplomatischer und rechtsgeschichtlicher Untersuchung gibt W. Goldinger ein Bild des alten elsässischen Benediktinerklosters Maursmünster < 2341> und seiner Verfassung. Das königliche Eigenkloster kommt in die Abhängigkeit des Bischofs von Metz, die es bis zur Aufhebung in der franz. Revolution nie ganz verliert. Die im 16. Jh. erlangte reichsunmittelbare Stellung hat nicht bis zum Reichsfürstenstand des Abtes geführt. Die Verfälschung der alten Merowingerurkunde bringt Verf. in Zusammenhang mit der Hirsauer Reformbewegung, die über St. Blasien eingedrungen ist und stark gegen das Eigenkirchenrecht gerichtet war. -- In seiner Untersuchung zur älteren Abtsreihe des Reichsklosters Murbach unternimmt A. Bruckner < 2369> auf Grund des erreichbaren ursprünglichen Quellenstoffes den Versuch, eine bereinigte Liste der Äbte aufzustellen. Die Auseinandersetzung mit der Notitia fundationis et primorum abbatum Murbacensis abbatiae Grandidiers ergibt, daß die Chronik in dieser Form nie existiert hat, sondern eine aus verschiedenen Teilen nicht zusammengehöriger Handschriften zusammengeschweißte Kompilation darstellt. -- Die Geschichte der Zisterzienserabtei Stürzelbronn < 2370>, einer vom Hause Lothringen ausgehenden elsässischen Klostergründung, stellt J. B. Kaiser dar. -- Die sieben Abteien des alten Bistums Straßburg: Altdorf, Ebersheimmünster und Maursmünster links des Rheins im Elsaß, Ettenheimmünster, Gengenbach, Schuttern und Schwarzach rechts des Rheins im heutigen Baden, hatten sich der Bursfelder Kongregation angeschlossen. Im Zuge der Bestrebungen der Bischöfe, durch Schaffung kleinerer Verbände innerhalb des Bistums den Einfluß der großen, über den Bistumsbezirk hinausgreifenden Kongregationen auszuschalten, errichtete Bischof Leopold Herzog von Österreich 1624 gegen den Willen der Klöster die Straßburger Benediktinerkongregation, die erst 1728 die päpstliche Bestätigung erhielt. Durch die Abtretung des Elsaß an Frankreich erwuchsen ihr große Schwierigkeiten; ohne besondere Stellung erlangt zu haben, ging sie in der großen Säkularisation unter. P. Volk < 2435> schildert ausführlich, quellenunterbaut, den Aufbau und das Leben dieser Vereinigung in den Jahren 1621--1728.

Mit der Vergrößerung ihres Territoriums und der Umschichtung seiner konfessionellen Zusammensetzung zu Beginn des 19. Jh.'s war der protestantischen Landesregierung Badens die Möglichkeit und Aufgabe gegeben, ihr vor allem auf der von Fr. Brauer vertretenen staatskirchlichen Auffassung beruhendes territorialistisches Kirchenprogramm durchzuführen. Die endgültige Lösung hat der hartnäckige kirchenpolitische Kampf erst mit der Gründung der oberrheinischen Kirchenprovinz gefunden, deren Gründungsgeschichte im Freiburger


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Diözesanarchiv ausführlichst dargestellt ist. Die Abhandlung von M. Miller, »Um ein kurbadisches Landesbistum 1802--1806« < 2438> schildert als Ergänzung den Auftakt zu diesen kirchenpolitischen Kämpfen im Staate Karl Friedrichs, in denen das verwickelte diplomatische Spiel nach der deutschen Säkularisation gut veranschaulicht wird. -- Die Leitung des Bistums Straßburg hatte von 1840--1887 der Elsässer Andreas Raeß inne. Seine Berufung als Koadjutor war unter dem Einfluß des Protestantischen Präfekten Sers erfolgt, worüber L. Pfleger im Arch. f. elsäss. Kirchengesch. (Jg. 12, S. 339--356) handelt. Raeß bildet im Kirchenregiment des Grenzlandes über 47 Jahre hinweg das Mittelglied zwischen dem zum Gallikanismus neigenden Bretagner Le Pappe de Trevern und Adolf Fritzen, dem Mann rein deutschen Bildungsstrebens. Der in Mainz vorgebildete und dort als Vorkämpfer des deutschen Katholizismus erprobte Elsässer wird entgegen der deutschen Auffassung von E. Hauviller < 2434> in offensichtlich französischer Einstellung dargestellt als der in der Wahl der Mittel bedenkenlose Vertreter des deutschkatholischen Gedankengutes in seiner Diözese schon z. Zt. der französischen Herrschaft, als ein Gegner der französischen Kultur und Begünstiger der deutschen Sprache und des alten religiösen Brauchtums aus der Zeit der österreichischen Jesuiten in seinem Heimatland.


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