II. Historische Landeskunde.

Die beherrschende Stellung, die Rasse und Abstammung im Gedankengut des neuen Deutschland einnehmen, haben auch der Frage nach der Herkunft des schwäbischen Volks die rege Anteilnahme weiter Volkskreise gesichert. Leider ist dabei die alte Legende von der überwiegend keltoromanischen und unnordischen Abstammung des schwäbischen Volks in bisweilen recht unglücklicher Form wieder aufgegriffen und durch die Behauptung eines stark ostischen Einschlags, namentlich auch im seelischen Rassenbild, noch weiter ausgebaut worden. Gegen diese überflüssige Verdächtigung eines bewährten deutschen Volksstamms wendet sich der Altmeister der süddeutschen Landeskunde, R. Gradmann, in einer temperamentvollen, aber zugleich von überlegener Sachkunde und Stoffbeherrschung zeugenden Studie < 1607>, die zunächst als Ausgangspunkt der ganzen Legendenbildung eine von Virchow mit ungenügenden Mitteln durchgeführte und dann obendrein mit übertriebener Zuspitzung veröffentlichte Untersuchung herausstellt. An Hand einer eindringenden Betrachtung der frühma.'lichen Bevölkerungsverhältnisse in Südwestdeutschland und des heutigen Rassebildes sowie des gegenseitigen Verhältnisses der Rassetypen weist G. nach, daß die Zumischung eines auf keltoromanische Reste zurückgehenden Menschenschlags im schwäbischen Volksstamm den äußeren Rassemerkmalen nach nur vereinzelt 20 Prozent übersteige, überwiegend aber weit hinter diesem Hundertsatz zurückbleibe, daß sie aber auf das Bild der schwäbischen Volksseele ohne Einfluß


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geblieben sei, die auch heute noch durchaus germanisch-nordische, dem Niedersachsentum eng verwandte Züge in unverfälschter Form aufweise. Aus der gleichen Abwehrstellung heraus wirbt Reischle < 1888> für den Gedanken einer gesamtschwäbisch eingestellten Volksgeschichte, die die Entwicklung des schwäbischen Stamms von der Bildung der suevischen Völkergruppe an der Ostsee an bis zu seiner Verankerung als südwestlicher Eckpfeiler des deutschen Volks- und Staatsgebiets als geschichtliche Einheit auffassen und damit die germanischen Grundlagen des heutigen schwäbischen Bauerntums erst ins richtige Licht stellen könne.

Einen wichtigen Beitrag zu einer derartigen Volksgeschichte stellt O. Parets Versuch dar, in seiner Bearbeitung der frühschwäbischen Gräberfelder von Groß-Stuttgart < 187> die Verbindung zwischen dem frühalamannischen und dem hochma.'lichen Siedlungsbild aufzuweisen; daß er dabei auch gewisse Funde als Spuren einer bis in die Frühzeit zurückführenden Urgeschichte des württembergischen Dynastenhauses, eines wohl sicher aus altem schwäbischen Hochadel hervorgegangenen Geschlechts, ausdeuten möchte, sei nebenbei vermerkt. Auch Kost bemüht sich in seiner gründlichen Übersicht über die Besiedlungsgeschichte Württembergisch-Frankens in vor- und frühgeschichtlicher Zeit < 611>, die Bodenfunde für die Förderung unserer geschichtlichen Erkenntnis fruchtbar zu machen. Vor allem vertritt er die Auffassung, daß der in der Römerzeit vor dem Limes bewußt geschaffene Grenzödgürtel im wesentlichen auch von den Alamannen als Schutzstreifen gegen die Burgunden beibehalten wurde; demnach wäre das Gebiet des heutigen württembergischen Franken zum großen Teil erst von den Franken, denen K. auffälligerweise wieder alle Ortsnamen auf -- heim zuweist, aufgesiedelt worden, nachdem sie das Land den Alamannen abgenommen hatten. Wie weit sich die Nachwirkungen der fränkischen Vormachtstellung noch in den ländlichen Siedlungs- und Hausformen des württembergischen Unterlands auch auf unzweifelhaft schwäbischem Stammesgebiet verfolgen lassen, untersucht R. Daehn < 1497>. Für die Ortsformen (Haufenkettendörfer) kommt er zu einem verneinenden Ergebnis, während er aus dem Vorkommen vereinzelter fränkischer Hofformen in schwäbischen Dörfern noch auf Eingriffe der fränkischen Verwaltung in die Sippensiedelungen rückschließen möchte.


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