§ 6. Historische Bildkunde

(H. Ladendorf)

Es scheint ein besonderer Vorzug der Historischen Bildkunde zu sein, daß mit diesem Begriff nicht eigentlich ein abgegrenzter Sonderraum wissenschaftlicher Tätigkeit bezeichnet ist, sondern eher ein Durchgangsgebiet sehr verschiedener forscherlicher Interessen, in dem die vom Stoff her gegebenen Bedingungen für seine quellenmäßige Behandlung näher festgestellt werden. Der hilfswissenschaftliche Charakter der Bildkunde kommt auch in den neueren Arbeiten deutlich zum Ausdruck, zugleich ihre allgemeine Bedeutung als Grenzgebiet.

Von hervorragender Wichtigkeit für die Bildkunde sind die großen Sammlungen, zumal sich aus der Sammlungsgeschichte selbst beachtliche Ergebnisse für Einzelfragen der Bildniskunde gewinnen lassen <vgl. 1936, 180 und W. Beetz, Die Porträtsammlung der Nationalbibliothek in Wien in ihrer Entwicklung, Graz 1935, Bespr. v. F. Eichler, Zbl. Bibl.-Wesen 53, 1936, S. 85--89>. In einigen Fällen sind wichtige Bildnisse in ausländische Sammlungen verschlagen worden: S. Strömbom, Porträtt samlingen pa Gripsholm (in: Gripsholm Slotett 1537--1937, Stockholm, S. 125 ff.). Die verschiedenen Arten von Bildnissammlungen an sich sind ebenfalls beachtlich, im Vergleich lassen sich aufschlußreiche nationale Besonderheiten erkennen: S. H. Steinberg, The National Gallery (Contemporary Review, vol. 153, 1938).

Der Allgemeine Bildniskatalog von H. W. Singer <1936, 179> ist mit dem Registerband zum Abschluß gekommen, der die Möglichkeit bietet, den Stoff nun auch nach Berufen der Dargestellten, nach Künstlern usw. auszuwerten. Das Werk hat wegen der recht flüchtigen und wahllosen Art der Verzeichnung keine sehr freundliche Aufnahme gefunden, stellt nun aber bei dem Mangel an allgemeinen Verzeichnissen immerhin eine nützliche erste Nachschlagehilfe für die graphischen Bildnisse dar. Ein gleiches gilt in jeder Hinsicht für den Neuen Bildniskatalog < 192>, der nun die Gemälde usw. zu erfassen versucht, in womöglich noch größerem Maße. Der Allgemeine Porträtkatalog des Hamburger Verlages Diepenbroick-Grüter ist durch Nachträge vervollständigt worden <1936, 178>. Im gleichen Verlag erscheint die Reihe Historische Bildkunde, als neueste VII. Veröffentlichung ist L. Østby, Das Bildnis in Norwegen (Hamburg, 90 S., 94 Abb. auf Tf.), herausgekommen (Bespr. v.


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T. Borenius, Burlington Mag. 72, 1938, S. 49), die auch für die deutsche Forschung wichtig ist. Allerdings lassen die ersten Abschnitte des Buches, die die frühen und ma.'lichen Bildnisse behandeln, leider methodisch zu wünschen übrig. In einem schmalen Heft der gleichen Reihe Nr. VI, W. Fleischhauer, Richtlinien zur Bildnisbeschreibung (Hamburg, 12 S., 3 Abb.) wird mit Glück versucht, eine Norm für die Beschreibung und Verzeichnung von Bildnissen aufzustellen, wobei nur zu bedauern bleibt, daß diese Anleitung nicht durch ausführlichere Behandlung der allgemeinen methodischen Fragen der Bildniskunde als Hilfsmittel weiter ausgebaut worden ist.

Zur allgemeinen Methode hat in Weiterführung der Bemühungen des Deutschen Ikonographischen Ausschusses Werner Schultze zwei beachtenswerte Beiträge geliefert: Bildkunde und Landesgeschichte (Forsch. u. Fortschritte 13, S. 387 f.) und < 197> (Bespr. in Weltkunst 11, 1937, Nr. 48; 12, 1938, Nr. 5). Der gleiche Verf. hat mit Friedrich Schulze zusammen ein umfassendes Werk vorgelegt, das gegen die in vieler Hinsicht unzureichenden älteren Bilderatlanten zur deutschen Geschichte einen wichtigen Fortschritt bedeutet: Bilderatlas zu G. Steinhausen, Geschichte der deutschen Kultur, neu bearb. von E. Diesel (Leipzig 1936; vgl. hier auch < 194>).

An einzelnen Arbeiten zur Bildniskunde sind hervorzuheben Nr. < 193, 198--200>, ferner O. Homburger, Ein Denkmal ottonischer Plastik in Rom mit dem Bildnis Ottos III. (Jb. Preuß. Kunstsamml. 57, 1936, S. 130--140), der stofflich und methodisch interessante Aufsatz von H. Ankwicz-Kleehoven, Das Totenbild Kaiser Maximilians (Wiener Jb. Kunstgesch. 11, S. 59 ff.). In der Reihe Historische Bildkunde Nr. V hat J. Bielz <1936, 181> ein vorbildliches Bildnisverzeichnis für ein geschlossenes Gebiet veröffentlicht (Bespr. von H. Ladendorf, Z. Kunstgesch. 5, 1936, S. 333 f.). Bedeutende Fortschritte hat die Bildkunde in Pommern gemacht. Im Anschluß an eine Ausstellung: Zum Gedächtnis an das 1637 erloschene Greifengeschlecht, im Pommerschen Landesmuseum Stettin 1937, zu der ein sorgfältig gearbeiteter Katalog von H. Bethe (40 S., 20 Abb. auf Taf.) erschien, hat der gleiche Verf. das auch hier mit in erster Linie zu nennende Buch »Die Kunst am Hofe der pommerschen Herzöge« (Berlin 1937) und die auch als Sonderdruck erschienene Studie über die Bildnisse des Pommerschen Herzogshauses veröffentlicht < 195>; vgl. auch M. Wehrmann < 1747>. Für einen wichtigen Abschnitt der preußischen Geschichte hat A. Hildebrand eine knappe, einwandfreie Bildkunde geboten, Friedrich der Große (Leipzig 1936, 48 S., 47 Abb. auf Taf.; Bespr. von H. Ladendorf, Forsch. Brand.-Pr. Gesch. 49, 1936, S. 161), zum gleichen Thema bietet der von C. Müller bearbeitete Katalog der Ausstellung in Breslau 1936, Bildnisse Friedrichs des Großen und seines Kreises aus schlesischem Privatbesitz (32 S., 18 Abb. auf Taf.) neue Einzelheiten. Der gleiche Verf. ist auf die Ausstellung in der Zeitschrift Der Oberschlesier (Jg. 18, S. 685--690) näher eingegangen und hat in derselben Zeitschrift (Jg. 18, S. 370--376) mit dem Aufsatz: Friedrich der Große in Bildern Adolph Menzels einen Beitrag zur Auffassung Friedrichs des Großen im 19. Jh. gegeben. Für die Bildnisse bestimmter Berufsgruppen liegen ebenfalls neue Arbeiten vor, der Katalog von A. Worringer, Bildnisse hessischer Heerführer im hessischen Landesmuseum zu Kassel (1936, 24 S.) und ein zugehöriger Aufsatz von Lepel (Z. Heeres- u. Uniformkde. 97/99, S. 6 f.; vgl. ferner < 196>).


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Von der Kunstgeschichte her hat man sich in verschiedenen Arbeiten um Ursprung, Typus und Form des Bildnisses bemüht, außer < 201> sind hier zu nennen zwei Arbeiten in den Résumés des Communications présentées en sections, Actes du Congrès (Basel 1936 = 14. Internationale Tagung für Kunstwissenschaft) S. 71 f.: Ae. Liebreich, Die Ursprünge des Porträts im 14. Jh. und Annex S. 307 f.: A. Matcjek, Böhmens Anteil am Werden des Porträts im 14. Jh.; ferner H. Goern, Das Familienbild im Abendland, I. Vorstufen im Mittelalter, Das Ehebild (Diss. Halle 1936, 93 S., 20 Taf.), K. Eckert, Das Bildnis der klassizistisch-romantischen Epoche in Deutschland (Diss. Königsberg), R. Richter, Zur Entwicklung des Porträtstiles in der deutschen Malerei von 1830 bis 1880 (Diss. Heidelberg 1936). Der Aufsatz von P. O. Rave, Ein Verzeichnis der neueren Bildnis-Plastik (Geistige Arbeit, Jg. 3, 1936, Nr. 21) bietet in gedrängter Kürze wichtige Gedanken. Die technischen Schwierigkeiten der Sammlung und Verzeichnung, die besonderen Bedingungen eines Kunstgebietes, die Beziehungen zwischen Inhalt und Form des Bildnisses, zwischen Künstler und Zeitstil werden im Beispiel vorzüglich dargelegt.

Die Bildkunde zeigt sich den neuen Anforderungen an die wissenschaftliche Arbeit in besonderem Maße zugänglich. Ohne daß ein kritisches Urteil über den Wert der Arbeit im einzelnen schon möglich ist, mögen einige Beispiele genannt sein. Im Anschluß an den Katalog der ungemein erfolgreichen Ausstellung in Berlin ist ein Buch: Die großen Deutschen im Bilde, erschienen <1936, 177>, das 1937 in 2. Aufl. herausgekommen ist. Diese Arbeit zielt mit der Bereitstellung von Material schon auf eine bildliche Wesenskunde ab; Versuche, die Rassenkunde und Sippenkunde durch die Bildkunde zu fördern, bieten einzelne Beiträge: vgl. <1936, 742>, E. Weber, Erwägungen über den rassenkundlichen Aussagewert von Bildnissen (Forsch. u. Fortschritte 13, S. 262 f.), W. Strohmeyer, Die Vererbung des Habsburger Familientypus, eine erbphysiognomische Betrachtung auf genealogischer Grundlage (Halle a. S., 80 S., 64 Abb.), C. Schellenberg, Der norddeutsche Mensch im Hamburger Bildnis der Vergangenheit (Hamburg 1936), W. Kloos, Volk und Familie im Spiegel der Kunst (Ausstellungskatalog, Kunsthalle Hamburg), E. Schlee, Schleswig-Holsteinische Familienbildnisse und ihre Maler (Die Sippe der Nordmark <= 1701>, S. 23), W. Jesse, Familienwappen und Bildnis im städtischen Museum als sippengeschichtliche Quelle (Braunschweiger Heimat 27, 1936, S. 79 ff.), V. v. Dirksen, Die Familie, Ausstellung im Städtischen Museum Wuppertal- Elberfeld (Rhein. Bll. 14, S. 73 ff.), besonders noch der große Katalog von Wolters, Das deutsche Antlitz im Spiegel der Jahrhunderte, Ausstellung in Frankfurt a. M. unter Mitarbeit des Rassenpolitischen Amtes der NSDAP. (90 S., 116 Taf.).

Die anderen Teilgebiete der Bildkunde sind noch weit weniger bearbeitet als die Bildnisforschung. Die wichtige, allgemeine ikonographische Untersuchung von O. G. von Simson, Zur Genealogie der weltlichen Apotheose im Barock, besonders der Medicigalerie des P. P. Rubens (Diss. München 1936, 398 S., 10 Taf. = Straßburg, Reihe Heitz II, 9; Bespr. von G. F. Hartlaub, Z. Ästhetik u. allg. Kunstwiss. 32, 1938, S. 263 ff.) wird auch dem bildkundlich interessierten Historiker von großem Nutzen sein. Unter den sachkundlichbildkundlichen Arbeiten sind folgende zu nennen: Für Denkmäler der nicht voll befriedigende Aufsatz von H. Lossow, Das Denkmal Friedrichs des


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Großen in Berlin, Ideen, Entwürfe und Ausführung (Z. Kunstgesch. 5, 1936, S. 291 ff.) und die knappe Liste Fr. Granier, Denkmäler der Romantik in der Mark (Brandenb. Jbb. 7, S. 70 ff.). Für das weite Gebiet der rechtsgeschichtlichen Bildkunde ist U. Lederle-Grieger, Gerechtigkeitsdarstellungen in deutschen und niederländischen Rathäusern (Diss. Heidelberg) von Wert. Einen anderen Sonderfall behandelt H. Naumann, Kursächsische Postmeilensäulen (Oberlausitz 18, S. 17 ff.). Die geschichtliche und kunstgeschichtliche Zuordnung verstreuten Materiales verspricht noch reiche Ergebnisse, der Aufsatz von W. H. von Schmelzing, Grabdenkmäler von Landfremden in der Klosterkirche zu Berlin 15.--18. Jh. (Fam.-gesch. Bll. 35, 1937, S. 305 ff.; 36, 1938, S. 150 ff.) regt hoffentlich weitere ähnliche nützliche Arbeiten an.

Das von H. R. Uhlemann bearbeitete Generalregister der Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde (Jg. 1--40, 1897--1936, Berlin 1936) erschließt die vielen in dieser Zeitschrift niedergelegten Arbeiten. Im Vergleich mit anderen Ereignisbildern ist die Arbeit von S. H. Steinberg, Die zeitgenössischen Bilder der Schlacht von Pavia (Z. schweiz. Landesgesch. 15, 1935, S. 167 ff.) in der Zeitschrift für Heeres- und Uniformkunde (88/90, 1936, S. 62) besprochen worden. Die Studie von J. Winteler endlich, Die Schlacht bei Näfels 9. IV. 1388 in der bildlichen Darstellung der Jahrhunderte (39 S., 32 Abb. auf Taf.) bedarf ausdrücklicher Hervorhebung. Hier ist in der Sammlung des Stoffes versucht, die Bildkunde über das nur zeitgenössische Quellenmaterial zu fördern und für ein Ereignis auch die bildliche Darstellung der Folgezeit bis in unsere Zeit zu verfolgen. Die Denkmäler der nichtzeitgenössischen Anschauung und Vergegenwärtigung spiegeln in einer nicht nur jeweils für die Zeit bezeichnenden Weise die Bedeutung des Ereignisses.


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