V. Rechtsgeschichte.

Bäuerliches Recht und Sitte stehen diesmal im Vordergrund. -- Der bäuerliche Grundbesitz wird in Deutschland überwiegend nach dem Anerbenrecht weitergegeben; im Bezirksamt Miltenberg ist neben dieser geschlossenen Vererbung die Erbteilung unter die Kinder ohne Rücksicht auf wirtschaftliche Verhältnisse und Auswirkungen gebräuchlich. Johaentges < 1893> führt den Ursprung dieser Zweiheit auf die entgegengesetzte Bedeutung des Grundbesitzes in der Familienverfassung der verschiedenen germanischen Stämme, welche den Odenwald, das Maintal und die Nebentäler besiedelten, zurück; die Alemannen, welche den Gebirgsstock rodeten, vererbten geschlossen, die Thüringer und Franken, welche östlich davon auf Höhen und in Tälern sich festsetzten, verteilten das Erbe. Boden und Klima, Grundherrschaft, römisches Recht, Bevölkerungsdichte haben nur geringen Einfluß auf die Übernahme der Erbteilung, eher noch ändert die gewerbliche Entwicklung die Erbsitten. Im allgemeinen haben diese sich vom Ausgang des Mittelalters an, wie der sichere urkundliche Boden der Zinsbücher, später auch der Nachlaßakten, Heiratsverträge und Bevölkerungsstatistiken der einzelnen Dörfer erkennen läßt, bis zum heutigen Tage erhalten; in nicht ganz einem Viertel der 43 Ortschaften des Bezirkes ist die Erbteilung gebräuchlich, die bei weitem überwiegende Anzahl lebt nach Anerbenrecht. -- Wenn der Plan der Gesellschaft für fränkische Geschichte, die fränkischen Weistümer herauszugeben, wie Liermann < 2112> betont, auch noch nicht weit gefördert ist, bieten die bisherigen Ergebnisse, die hauptsächlich aus mainfränkischem Gebiet vorliegen, schon wichtige Aufschlüsse für die allgemeine Geschichte des deutschen Bauernrechtes. Diese dörflichen Satzungen leiten lediglich fränkische Rechtsauffassung weiter; daß jegliche Andeutung slawischer Art und Begriffe darin fehlt, beweist, daß nie freie Slawen als größere Rechtsgemeinschaft in Mainfranken gesiedelt haben. Die Grundherrschaft beeinflußt die Gestaltung des Weistumsrechtes, doch sind wichtige und beträchtliche Teile einzelner Dorfweistümer altes Recht freier Bauerngenossenschaften. -- Zwischen der vermutlichen Entstehung des Bauerngerichtes von Nürnberg in der ersten Hälfte des 14. Jh.'s und der gesetzlichen Regelung


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seiner Organisation durch die Nürnberger Reformation von 1546 liegen hundert Jahre innerer Entwicklung und äußerer Behauptungskämpfe, in denen die Anerkennung der durch den kaiserlichen Freiheitsbrief von 1347 erfolgten Unterstellung der Hübner, Bauern, Hintersassen und Erbleute unter die Gerichtsbarkeit der Stadt gegen die Ansprüche des vom Burggrafen ausgeübten Landgerichts errungen werden mußte. Es urteilt im summarischen Prozeßverfahren lediglich über Zivilstreitigkeiten der genannten Landbevölkerung. Seine Bedeutung und große Inanspruchnahme läßt sich aus der starken Besetzung des Gerichtshofes wie aus der schon in der zweiten Hälfte des 16. Jh.'s nachweislichen Teilung in zwei Kammern erkennen. Es ist ein Verdienst der juristischen Dissertation von Espig < 2118>, der geschichtlichen Entwicklung den gleichen Rang eingeräumt zu haben wie der Organisation des Bauerngerichtes, dem nach mehr als viereinhalb Jahrhunderte langem Bestehen erst die Eingliederung Nürnbergs in das bayerische Gerichtswesen 1807 ein Ende bereitet hat. -- In dem eben erwähnten Kampfe Nürnbergs um die Verdrängung der Herrschaftsbefugnisse des kaiserlichen Burggrafen aus dem Stadtgebiet bildet der unmittelbare Besitz des Reichsschultheißenamtes, der 1385 erlangt wurde, eine Markstein. Schultheiß < 2117> weist auf die Bedeutung des von ihm veröffentlichten Weistums, das damals niedergelegt worden ist, hin; nicht nur der Aufgabenbereich des Reichsschultheißen als Stadtrichter, Polizeioberhaupt, Stadt- und Klostervogt erscheint darin, auch über das Wirtschaftsleben, das Gewerbegericht enthält es unbekannte Einzelheiten. Noch bedeutsamer dürfte für die deutsche Rechts- und Volkskunde sein, daß Schultheiß in dem Weistum Rechtsteile findet, welche bis ins 11. Jh., in die Gründungszeit des Nürnberger Marktes zurückgehen. -- Mit einer weiteren Rechtsquelle, einem Aechtbuch des kaiserlichen Landgerichtes Nürnberg aus dem ersten Viertel des 14. Jh.'s, macht Neukam < 2116> bekannt; vorläufig sind nur Teilstreifen von vier Blättern, die zudem nicht zusammengehören, aufgetaucht. Sie lassen sich auf die Jahre 1319/20 datieren und entstammen dem verlorenen, jetzt zweitältesten Buch dieser Reihe. Ihre Veröffentlichung verdient, schon allein wegen der zu überwindenden, vor allem der technischen Schwierigkeiten, besonderes Lob.


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