VI. Kirchengeschichte.

Schöffel < 2374> weist die Behauptung in dem Buche von Beck, Die Bistümer Bamberg und Würzburg in ihrer politischen und wirtschaftlichen Bedeutung für die Geschichte des deutschen Ostens < 808, S. 249>, daß der erste Würzburger Bischof Burchard wahrscheinlich im Anfang der 80er Jahre des 8. Jh.'s gestorben sei, zurück und erhärtet die seit 200 Jahren gesicherte Meinung, daß dieser schon vor 755 gestorben sein müsse; denn seit dieser Zeit tritt, wie von Beck unbeachtete Urkunden besagen, nur mehr der Nachfolger Burchards urkundlich auf. -- Der gleiche Verfasser <zu 2374> kommt, mit methodischem Geschick alle erreichbaren Belege zusammentragend und auf Grund einer bisher dafür nicht ausgewerteten Stelle in einer gedruckten Würzburger Klosterurkunde zum Schlusse, daß der dortige Bischof Heinrich II. (1159--65) wahrscheinlich aus dem Geschlechte v. Stühlingen stamme und zuvor dem Straßburger Domkapitel angehört hat. -- Als weitere Vorfrucht seiner Beschäftigung mit der Geschichte des ma.'lichen Bistums Würzburg im Rahmen der »Germania sacra« veröffentlicht Schöffel <zu 2374> noch eine Abrechnung eines Würzburger Domherrn über die Verwendung der Gelder, welche er im Auftrag von Domkapitularen dem einen Electen Boppo v. Trimberg, der an der päpstlichen Kurie zu Perugia gegen den


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anderen Gewählten prozessierte, überbracht hat. Die bisherigen Forschungsergebnisse über den an die Doppelwahl von 1267 sich anschließenden Bistumsstreit erhalten auf diese Weise einige Ergänzungen. -- Die liturgiegeschichtliche Entwicklung des Prozessionswesens des Bistums Bamberg im Mittelalter, das Haimerl < 2407> in Querschnitten schildert, bleibt in diesen »Jahresberichten« außer Betracht; ebenso die Tatsache, daß, wie der Verfasser in sorgsamen Vergleichen mit anderen Diözesen beweist, die von ihm besprochene Art der Volksfrömmigkeit im Bistum Bamberg sich in dem mittelalterlichen Prozessionswesen überhaupt allgemein wiederholt. Wichtiger sind die Tatsachen und Entwicklungen, welche die Geschichte der Kultur und der Gebräuche, hauptsächlich in den Städten Bamberg und Nürnberg, die Geschichte der Kirchenpolitik aus diesem ein halb Jahrtausend umfassenden, in seiner Art erstmaligen Gesamtbild lesen kann. -- Eine andere Seite der noch zu schreibenden Kulturgeschichte des fränkischen Raumes, die wirtschaftliche, verlangt die Kenntnis der Entwicklung der klösterlichen Einrichtungen. Unter diesem Gesichtspunkt betrachtet dient die zeitliche wie inhaltliche Bestimmung von urbarialen Aufzeichnungen, von Zins- und Gültbüchern einzelner Ebracher Klosterämter des 14. und 15. Jh.'s, die Frhr. v. Guttenberg < 2267> durchführt, oder die textkritische Beschreibung und Untersuchung der Überlieferungen des Gesamturbars dieser Abtei von 1340, wie sie Wießner < 2267> anstellt, unmittelbar der Landesgeschichte. In Verwaltungs- und Gerichtsgepflogenheiten, in Rechtssatzungen einer der großen fränkischen Grundherrschaften wird so ein für diese Zeit nicht häufiger Einblick erschlossen. -- Selbst ein so kleines Kloster wie das Augustinerchorherrnstift Birklingen, das keine 70 Jahre, 1459--1525, bestanden, hat chronikalische und andere Aufzeichnungen hinterlassen, welche für die Entwicklung eines fränkischen Landschaftsausschnittes, die Geschichte fränkischer Familien und kirchlichen Brauchtums nicht unbedeutsam sind. Ihre Veröffentlichung durch Freudenberger < 2375> beweist dies; wie nicht minder die an die gediegene Arbeit angereihte Zusammenstellung des heute erreichbaren Quellenstoffes über Ort und Kloster Birklingen in 395 Kurzwiedergaben, welche die Zeit von 1244--1546 umfassen. -- Weniger ergiebig ist erklärlicherweise in dieser Hinsicht das eigenhändig geschriebene Haushaltungsbuch der Äbtissin Margaretha v. Seckendorff des Klosters St. Walburg in Eichstätt, das lediglich von September 1552 bis Ende 1553 reicht; Mader < 2266> verzichtet darauf, seine übersichtlichen Auszüge daraus des Näheren zu erläutern. -- Die kirchliche Einteilung der Nürnberger Umgebung im MA. ist wegen des Zusammentreffens der drei fränkischen Diözesen in diesem Raume ziemlich undurchsichtig. Deinhardt < 2377>, dessen früher Tod der fränkischen Kirchengeschichtsforschung starke Hoffnungen geknickt hat, veröffentlicht aus einer Handschrift des Nürnberger Staatsarchivs ein Verzeichnis der Pfarreien des Nürnberger Umlandes, das um 1460--70 entstanden ist; es fußt auf einer älteren unbekannten Vorlage, ist eine nicht abgeschlossene, mangelhafte Privatarbeit. Trotzdem wird die nach wissenschaftlichen Grundsätzen erfolgte Herausgabe die Forschung fördern können, zumal aus dieser Zeit bis jetzt keine zweite Zusammenstellung bekannt ist. -- Nachdem 1525 die Entstehung des Reformationswerkes in Nürnberg abgeschlossen ist, beendet den organisatorischen Weiterbau die Kirchenvisitation 1528 und die brandenburg-nürnbergische Kirchenordnung 1533. Welchen Anteil nimmt nun die Reichsstadt an den großen Auseinandersetzungen innerhalb des Reiches um die Anerkennung der neuen Lehre, an den politischen Bündnisbestrebungen der protestantischen Reichsstände und

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den Spaltungskämpfen innerhalb des Protestantismus selbst? So eindeutig klar ihre Stellungnahme gegen die schweizerische und täuferische Bewegung war und so fest sie an dem Speierer Protest und der Augsburger Konfession festhielt, bei deren Vorbereitung sie mitgewirkt, so zurückhaltend stand sie der Frage des politischen Widerstandes gegen das Reichsoberhaupt gegenüber: dem Schmalkaldener Bund tritt Nürnberg nicht bei. Die Ausstellungen, zu welchen der 1. Band <1936, S. 546/7> Gelegenheit gegeben hat, bleiben im Ganzen auch für den Schlußteil bestehen: Die Weitschweifigkeit, mit der Engelhardt < 2552> auch Vorgänge wiedergibt, an denen die Stadt nicht beteiligt gewesen, birgt die Gefahr von Wiederholungen, die Darstellung ist mehr sorgsam chronikalisch denn kritisch; ihre Gleichförmigkeit verflacht Höhe- und Hauptpunkte. Doch soll dem Fleiße, der aus den 402 Seiten des 2. Bandes hervorleuchtet, die Anerkennung keineswegs versagt sein. -- Gedanken und Ziele der Aufklärung in Franken stimmen in ihren Grundzügen mit den Theorien in anderen deutschen Ländern überein; sie sind im Gegensatz zu manchen aber, wie Becks kurzer Überblick < 2604> schließt, nicht umstürzlerisch, sondern maßvoll und klug abwägend gewesen.


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