II. Das Mittelalter.

Der Aufsatz von A. Dopsch über Entstehung und Ausbildung des österreichischen Staates <1936, 286> faßt noch einmal das Bild, das sich das späte 19. Jh. von der ma.'lichen Geschichte der deutsch-österreichischen Länder gemacht hat, zusammen. Die karolingische Mark als Keim einer selbständigen Staatsbildung, die Überbetonung der Lockerung des Verhältnisses zum Reich ohne gleichzeitige Darstellung der politischen Struktur des Reiches überhaupt, die ganze ma.'liche Geschichte als Vorbereitung zum »Großstaat« des 16. und 17. Jh.'s, kurz alles gesehen aus dem Aspekt von 1866, da ein »selbständiges« Österreich selbstverständlich und alle österreichische Geschichte nur eine Vorbereitung auf das Werden der Donaumonarchie schien. Es ist zwecklos, sich heute noch mit diesem völlig veralteten Geschichtsbild auseinanderzusetzen.

Demgegenüber hat der Referent in seinem Aufsatz Österreich, das Reich und der Osten <1936, 760> versucht, die treibenden Kräfte in der Geschichte der deutschösterreichischen Länder im MA. aus den Voraussetzungen und Aufgaben der Zeit zu verstehen, die Bedeutung der Südfront herauszustellen und die Ostprobleme in die Situation Mitteleuropas einzuordnen.

Der zweite Band von E. K. Winters Werk über Herzog Rudolf IV. von Österreich < 877; vgl. 1933/34, S. 668> bestätigt das Bild von den Absichten des Verfassers, das sich schon auf Grund des ersten Bandes geben ließ. Brauchbar ist eine wenn auch nicht vollständige Materialsammlung zur Geschichte des Städtewesens in den österreichischen Ländern vornehmlich des 14. Jh.'s und die eingehende Darlegung der Ansichten des Wiener Universitätsprofessors Heinrich von Langenstein über das durch die Reformen des Herzogs aufgeworfene Zinsproblem. Die Deutungen, die Winter diesen Materialien gibt, sind völlig abwegig, da sie, wie bereits durch die Besprechung des ersten Bandes dargelegt wurde, auf einer kritiklosen Übertragung »soziologischer« Begriffe beruhen, deren Bezogenheit auf die geschichtliche Situation des 19. Jh.'s nicht erkannt wird. Hinter großartig klingenden Termini wie Frühsozialismus und Frühkapitalismus verbirgt sich die völlige Unfähigkeit, die tatsächliche Struktur der ma.'lichen Territorien zu durchschauen und die wirklichen Probleme zu erkennen.


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