a) Wien und Niederösterreich.

A. Klaar gibt in seiner Arbeit über die Siedlungs- und Hausformen des Wiener Waldes <1936, 1566> ein Bild der Siedlungslandschaft zwischen dem Westrand des Wiener Beckens und der Traisen, erfaßt also außer dem eigentlichen Wiener Wald auch den größten Teil des Tullnerfeldes. Die Ergebnisse schaffen nicht nur eine wichtige Grundlage zur Siedlungsgeschichte dieser Landschaft, sie suchen auch grundlegende Einsichten in die historische Abfolge der Siedlungs- und Hausformentypen im südöstlichen Kolonisationsgebiet zu gewinnen. Der 7. Band des von E. Stephan herausgegebenen Sammelwerkes über das niederösterreichische Waldviertel < 340> enthält eine Reihe von Arbeiten, die die Geschichte dieses Raumes behandeln. Im Mittelpunkt steht die große fast 300 Druckseiten umfassende Besiedlungs- und Herrschaftsgeschichte von K. Lechner. Unter systematischer Anwendung der genealogisch-besitzgeschichtlichen Methode wird ein über die älteren Arbeiten des Verfassers zum gleichen Thema hinausführendes Bild des Siedlungsvorganges in dieser Rodungslandschaft und ihrer Träger gewonnen und der Wandel des Herrschaftsgefüges bis in die Neuzeit hinein dargestellt. In engstem Zusammenhang mit Lechners Arbeit, sie teilweise ergänzend, stehen die Beiträge und Karten von St. Brunner, A. Klaar, H. Weigl und F. Freitag über Herrschafts-, Siedlungs-, Flur- und Hausformen und über das Waldviertel als Sprachraum. Von den weiteren Beiträgen sei vor allem auf die Arbeit von H. Hirsch über die Klostergründungen, der mit den verfeinerten Methoden der Urkundenlehre und Rechtsgeschichte neue Wege weist, und den Beitrag von H. Göhler über die kirchliche Geschichte des Gebietes verwiesen, der namentlich zur Geschichte von Reformation und Gegenreformation viel Material enthält. Der abschließende Beitrag des Referenten über die geschichtliche Stellung des Waldviertels sucht, gestützt auf die Ergebnisse der landes- und volksgeschichtlichen Forschung, ein Gesamtbild der diesen Raum gestaltenden Kräfte zu zeichnen. Einen wertvollen Beitrag zur niederösterreichischen Landeskunde hat R. Resch in seinem Retzer Heimatbuch gegeben <1936, 288>. Resch beschränkt sich nicht auf die Geschichte der kleinen, an der Nordgrenze des Landes gelegenen Stadt, sondern gibt auch eine Geschichte der umliegenden Grundherrschaften. Dadurch erhalten wir einen wichtigen Beitrag zur Geschichte dieses von den reichsunmittelbaren Grafen von Hardegg-Maidburg beherrschten Raumes. Mit seiner Untersuchung über die Gründung des Klosters Maria-Zell und die Besitzgeschichte seiner Stifterfamilie


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(die Schwarzburg-Nöstacher) hat K. Lechner <1936, 2245> einen weiteren wichtigen Beitrag zur Frühgeschichte des Landes gegeben. Für die von Lechner mehrfach belegte Tatsache, daß das Markgrafenhaus der Babenberger erst nach 1100 eine stärkere Stellung im Lande gewann, werden neue Beweise beigebracht. H. Mitscha-Märheim wertet die Angaben der beiden Diplome Kaiser Heinrichs III. von 1055 und 1056 für die Besitzgeschichte des nordöstlichen Niederösterreich aus <1936, 1449>. H. v. Voltelini sucht die »Gründung« Wiens in den Jahren zwischen 1041 und 1030 wahrscheinlich zu machen <1936, 1446>. Daß diese Jahre für die Anfänge der Stadt entscheidend waren, wird man gerne zugeben, ob man aber von einer »Gründung« sprechen darf, scheint mir angesichts der sehr ungünstigen Quellenlage doch sehr zweifelhaft. E. Fiala gibt einen Abriß der Geschichte einer der östlichen Grenzstädte Niederösterreichs, Hainburgs <1936, 754>, im Mittelalter. Aus der Festschrift, die das Chorherrnstift Klosterneuburg anläßlich seiner 800-Jahrfeier <1936, 205> herausgegeben hat, heben wir die Mitteilungen, die V. Lebzelter über die anthropologische Untersuchung der Gebeine Markgraf Leopolds III. macht, und die ertragreiche Untersuchung über die Beziehungen des Stiftes zur Wiener Universität von S. Wintermayr hervor. H. Maschek faßt in einem Aufsatz unsere Kenntnis der Verehrung des niederösterreichischen Landespatrons, des Markgrafen Leopold, zusammen < 2408>. Die Studie, die L. F. Sailer über das Gericht zu Penzing < 2131> vorgelegt hat, hat nicht nur lokalgeschichtliche Bedeutung. Denn hier wird das Funktionieren eines niederösterreichischen Dorfgerichts nicht nur an Hand der Weistümer, sondern auch der Banntaidingsprotokolle und anderer Quellen geschildert. -- Bis zur Errichtung der österreichischen Hofkanzlei im Jahre 1620 waren dem 1559 geschaffenen Reichshofrat nicht nur die Reichs-, sondern auch die erbländisch-österreichischen Sachen anvertraut. L. Groß <1936, 1994> zeigt an Beispielen, daß in den Protokollen des Reichshofrats noch ein kaum ausgewertetes Quellenmaterial zur niederösterreichischen Landesgeschichte zu finden ist. W. Latzke schildert in seinem Aufsatz über das Ende des Wiener Frauenklosters St. Anna < 2454> den Niedergang dieses Wiener Clarissenklosters im Zeitalter der Reformation, seine Aufhebung durch den Landesfürsten (1568) und die Übertragung des Besitzes an die Jesuiten, die, seit 1551 in Wien tätig, nun einen zweiten Stützpunkt erhielten. Es ist ein Kapitel aus der Geschichte habsburgischer Staatskirchenpolitik und der beginnenden Gegenreformation, das hier an einem Einzelproblem erörtert wird. Auf Grund der Landtagsakten und der Literatur skizziert K. Völker die Politik der Stände Augsburgischen Bekenntnisses auf den niederösterreichischen Landtagen < 925>. Das Hauptgewicht liegt auf der Zeit von 1568--1620 von der Erteilung der Religionskonzession bis zum Zusammenbruch ständischer Bewegung. Doch blieb den niederösterreichischen Adeligen, die 1620 rechtzeitig gehuldigt hatten, ein Rest von Religionsfreiheit, so daß es im niederösterreichischen Landtag eine allerdings immer kleiner werdende Gruppe evangelischer Ständemitglieder bis zum Toleranzpatent gegeben hat. Die Konfiskation der Güter jener Mitglieder der ständischen Bewegung, die 1620 die Erbhuldigung verweigerten, geächtet wurden und ihren Besitz verloren, untersucht I. Hübel < 2557>. Die angebliche Sturmpetition der evangelischen Stände in der Wiener Hofburg am 5. Juni 1619, die in Bild und Schrift immer wieder behandelt wurde, verweist K. Völker <1936, 838> endgültig in den Bereich der historischen Legende.


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