II. Gesamtdarstellungen.

»Das Gesetz der Grenze ist das Gesetz der Nation.« In diese Worte faßt Kleo Pleyer das Fazit seines auf dem Erfurter Historikertag 1937 gehaltenen Vortrages »Die Kräfte des Grenzlandkampfes in Ostmitteleuropa« < 270>. Drei Vorsprünge hat die gesamtdeutsche Ostfront: Ostpreußen, Schlesien und das Ostalpengebiet. In den beiden Einbuchtungen sitzen die Polen und Tschechen. So waren und sind diese Völker wesentlich die Partner des Kampfes um die deutsche Ostgrenze. Der Krieg ist zwar eine Großform, aber nicht die Hauptform dieses Grenzkampfes. Wichtiger ist immer der Kleinkrieg, der Alltagskampf um die Volksgrenzen gewesen. Diese Grenzen waren niemals Linien, sondern Zonen, »mehr oder minder breite Säume, innerhalb derer die gegnerischen Volkstümer miteinander dichte Fühlung haben. Stärkste Kraft im Kampfe war stets der Wille zur völkischen Freiheit und Einheit. Alle übrigen Ideologien wechselten. Kämpfte man z. B. im fremden Staat für Föderalismus und Selbstverwaltung, so wandte man sich nach Begründung eigener Staaten einem nationalen Zentralismus zu. Die tausendjährige Durchsetzung der Ostvölker mit deutschem Blut hat jene im stärksten Maße deutsche Rechts-, Sozial- und Kulturformen übernehmen lassen.« Die wechselseitige blutliche Durchdringung, besonders der Einstrom deutschen Blutes in die benachbarten Ostvölker hatte zur Folge, daß der Grenzkampf weithin ein Ringen von gleichwertigen rassischen Kräften wurde. Allerdings: »Dem sogenannten Kulturgefälle von Westen nach Osten entsprach ein Geburtengefälle von Osten nach Westen.« Vollzog sich einmal die Auseinandersetzung


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des Ostdeutschtums mit den anderen Ostvölkern wesentlich auf bäuerlicher Grundlage, so war doch die Entwicklung des Bürgertums für den Grenzkampf von Bedeutung. Nach dem Vorbild der großen deutschen Bürgerschicht sind die Ostvölker im Laufe des 19. Jh.'s darangegangen, den ihnen fehlenden Mittelstand zu entwickeln. Das hochstehende Genossenschaftswesen wurde für Polen und Tschechen die Vorstufe des eigenen Staates. Der kulturelle Kampf war in der Hauptsache Kampf um Sprache und Schule. Während man sich in all diesem Ringen in Nordostdeutschland auf den Staat verließ, erkannte man in dem mehr. auf sich selbst gestellten Südostdeutschtum, daß das Volk die höchste Größe für den Grenzkampf ist. Der Weltkrieg und sein Ende brachten die neuen Staaten des ostmitteleuropäischen Raumes, deren Agrarrevolutionen vor allem für das Deutschtum von einschneidender Bedeutung wurden. Aber weder die sozialen noch die völkischen Fragen wurden durch diese Ereignisse befriedigend gelöst. Heute »ist die große Frage des Ostens, ob der Deutsche eine neue Ordnung hervorzubringen vermag, welche die seelische, die soziale und nationale Problematik dieses Raumes meistert, Deutschland und die Ostvölker neu aneinander bindet und den ostmitteleuropäischen Grenzkampf in die Form eines gebändigten völkischen Wettbewerbes überführt«.

Einen Überblick über die neuesten vorgeschichtlichen Forschungsergebnisse, die unsere Kenntnisse der Frühgeschichte Ostdeutschlands wesentlich vertieft haben, gibt Joachim Benecke in einem Aufsatz »Der Osten unter germanischer Herrschaft« < 268>. Die (nicht nur deutsche!) Vorgeschichtsforschung hat nachgewiesen, »daß ganz Pommern, Mecklenburg und der nördliche Teil der Mark Brandenburg zu den Ursitzen der Germanen gehört und daß das übrige ostmitteleuropäische Gebiet, einschließlich der Lande um die Weichsel und den Bug, ebenfalls über ein Jahrtausend Siedlungs- und Herrschaftsland der Ostgermanen war«. Südlich der Warthe-Netze-Linie finden wir in der Bronze- und frühen Eisenzeit die sogenannte »Lausitzer Kultur«, die von einer Gruppe polnischer Prähistoriker als slawisch angesehen wird. Siedlungskundliche und sprachwissenschaftliche Beweise haben aber zu zeigen vermocht, daß Träger dieser Kultur das indogermanische Volk der Illyrer gewesen ist. Die These von den slawischen Urbesiedlern des Landes zwischen Saale und Weichsel wird heute fast allgemein verworfen. (Vgl. v. Richthofen: »Gehört Ostdeutschland zur Urheimat der Polen?« Danzig 1929.) Wichtige Schlüsse zieht Benecke aus den rassischen Gegebenheiten im polnischen Raum. »Halten wir nämlich die Karte über die Ausbreitung der Ostgermanen neben die von Czekanowski herausgegebenen Karte von der Verteilung der Rassen in Polen, so deckt sich bis in Einzelheiten genau das Kerngebiet des 'nordischen Typs' mit dem für die Zeit um 500 v. Chr. nachgewiesenen Siedlungsgebiet der Ostgermanen, bis in das heutige Kongreßpolen hineinreichend. Das Gebiet, in dem der 'typ nordicki' uns als hervorragender Anteil im heutigen Rassenbild Polens angegeben wird, deckt sich wiederum mit dem später, bis 300 v. Chr., von den Germanen in Besitz genommenen und bis zum Eindringen der Slawen beibehaltenen früher illyrischen Gebiet. Rassisch also bildet der nordwestpolnische Raum mit dem angrenzenden Gebiet eine Einheit ... Somit müssen wir uns mit der Tatsache abfinden, daß weder die deutsche Kolonisation des MA.'s noch das voraufgegangene slawische Vorrücken bis zur Elbe das rassische Bild des Ostraums entscheidend gewandelt hat.« Die durch die ma.'liche deutsche Ostbewegung entstandenen deutschen Neustämme wuchsen also rassisch


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nicht aus verschiedenen Elementen zusammen. Es »entstand im ostelbischen Land ein Menschenschlag, in dem sich älteste ostgermanische, jüngere slawische und spätere deutsche Blut- und Geistesströme zu jenem Stammestum vereinigten, aus dem die deutsche Einigung hervorgegangen ist. In jenem Vorgang liegen die Wurzeln der großartigen Geschichte von Kurbrandenburg und Preußen.«

Auf der Grundlage seiner räumlichen und rassischen Voraussetzungen behandelt Gustav Paul »Die geschichtliche Entwicklung des europäischen Nordostens« < 1825a>. Diesen Nordostraum umschreibt Paul vereinfacht als ein Dreieck, dessen Spitze die Mündung der Elbe ist und als dessen Basis er eine Linie vom Ladoga-See bis zur Mündung des Dnjestr zieht. In einer Reihe von Karten kehrt dieses Dreieck immer wieder, in dem Paul sich die geschichtlichen Ereignisse des deutschen und europäischen Nordostens abspielen läßt. Den Raum östlich der Linie Ladoga-See-Dnjestr-Mündung bezeichnet Paul als »Hintereuropa« und weist ihm eine von der innerhalb des Dreiecks völlig verschiedene rassische Zusammensetzung zu. Die Zeitfolge seiner Darstellung beginnt er mit der Jüngeren Steinzeit. Hingewiesen sei im weiteren Verlauf auf seine Feststellung: »Es ist kein Zweifel, daß die Slawen ursprünglich auch nordrassisch gewesen sind. Doch ist das Problem der Ursachen ihrer teilweisen späteren Entnordung noch nicht restlos geklärt.« Als Begründer des polnischen Staates nimmt der Verf. Normannen an. Kurz wird auf die Bedeutung der Hanse, des deutschen Ritterordens und im ausgehenden MA. des polnisch-litauischen Großreiches der Jagellonen für den behandelten Raum hingewiesen. In der Neuzeit wird der immer wiederkehrenden Bemühungen Frankreichs gedacht, durch Gewinnung Polens eine Einkreisung Preußen-Deutschlands zu vollziehen. Der Kampf um die Ostseeherrschaft im 16. und 17. Jh. sieht Schweden über Polen siegreich. Dieser Beherrschung der Ostseeküsten durch Schweden schreibt Paul auch rassische Bedeutung zu. Im 18. Jh. wurde Rußland zur Großmacht im Nordostraum. Rassengeschichtlich wertet Paul diese Tatsache negativ. Die polnischen Teilungen sind für ihn nach demselben Gesichtspunkt positiv, da Friedrich d. Gr. die ma.'liche Ostsiedlung wieder aufnahm. Ungünstig wirkte die Besitznahme von zwei Drittel des Nordostraums durch das »hintereuropäische Rußland«. Durch Versailles wurde die russische Großmacht auf Hintereuropa zurückgeworfen. Eine neue Epoche im Nordostraum ist durch die Politik Adolf Hitlers angebrochen. -- Eine wertvolle Neuerscheinung ist das Buch »Ostdeutschland und Osteuropa« von Gustav Simoleit (Verlag Zickfeld, Osterwiek a. H., V, 207 S., 16 Abb., Preis geb. 6,60 RM.). »Es will auf die wichtigsten Probleme des deutschen Ostens aufmerksam machen.« Dabei »soll versucht werden, die Fülle der Fragen, die der Osten bietet, unter einem einheitlichen Gedanken zusammenzufassen, unter der Idee der unzerstörbaren Zusammengehörigkeit des ganzen deutschen Volkes. Darum überschreiten wir politische und geographische Grenzen, wo sie den lebenden Volkskörper zerschneiden. Auf diese Weise knüpfen Ostwanderung und außendeutsche Siedlung das Band zwischen Ostdeutschland und Osteuropa.« Simoleit löst diese Aufgabe, die er sich gestellt hat, mit großer Sachkenntnis in sehr glücklicher Form. Nach grundsätzlichen Ausführungen -- u. a. über die südostdeutsche und die nordostdeutsche Komponente des ostdeutschen Volksraums sowie über den deutschen »Drang nach dem Osten« -- schildert der Verfasser in knapper, aber umfassender Darstellung die geschichtliche Entwicklung, die er mit der Überschrift »Nordische Rasse, germanisches Volkstum und deutsche Kultur in der geschichtlichen Entwicklung Ostdeutschlands und Osteuropas«


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programmatisch kennzeichnet. In den ersten Abschnitten behandelt Simoleit eingehend die frühgeschichtlichen Staatsschöpfungen der Ostgermanen im Raum zwischen Ostsee und Schwarzem Meer. Nachdrücklich weist der Verf. darauf hin, daß auch die slawischen Staatsgründungen der folgenden Epoche unter germanischer Führung standen. Die Schilderung der Wiedergewinnung des deutschen Ostens im MA. vergißt die Südostkomponente nicht. In der Neuzeit sind der Ostpolitik Brandenburg-Preußens und der Entwicklung Österreichs als deutscher Oststaat besondere Kapitel gewidmet. Auch die deutsche Ostwanderung in das russische Reich im 18. und 19. Jh. wird besonders behandelt. Den Abschluß bildet die Darstellung des Weltkrieges und der Verluste deutschen Volksbodens durch die Friedensdiktate von Versailles und St. Germain. Der dritte große Abschnitt des klar und übersichtlich angelegten Buches schildert die neuen Staaten Osteuropas und ihre deutschen Volksgruppen. Sehr begrüßenswert ist ein umfangreiches Schrifttumsverzeichnis über Ostdeutschland und Osteuropa, das auch die einschlägigen Zeitschriften nennt.

Von grundsätzlicher und programmatischer Art sind die Ausführungen H. Aubins »Zur Erforschung der deutschen Ostbewegung« < 1571>. Einleitend werden die Versuche einer Gesamtschau der deutschen Ostbewegung gewürdigt, an welchen wir bisher nicht allzu reich sind, wenn auch bedeutende Historiker, wie Wilhelm Wattenbach oder Dietrich Schäfer, sich darangemacht haben. Für die Zukunft fordert Aubin die Beachtung gewisser Grundprinzipien. »Zu verlangen ist: Ganzheit der Betrachtung in der Dreiheit von Raum, Zeit und Inhalt. Ich bin der Überzeugung, daß unsere Forschung ihrer Aufgabe auf diesem Felde nur dann genügen kann, wenn sie mit dieser Forderung vollkommen ernst macht.« Zeitlich erweist der Verf. an Hand der vielfältigen. heute vorliegenden Forschungsergebnisse, daß wir im Grund eine deutsche Ostbewegung von Karl d. Gr. bis zur Gegenwart vor uns haben. »Erst eine solche Gesamtschau schafft die Voraussetzung zur uneingeschränkten Anwendung eines unerläßlichen Hilfsmittels aller weiteren Erkenntnis: des Vergleichs. -- Dabei kann sehr häufig die besser beleuchtete Neuzeit den Schlüssel für die dunkleren Jahrhunderte des MA.'s bieten.« Bezüglich der »Einheit des Raumes« verlangt Aubin natürlich nicht, daß jede Arbeit das Ganze erfassen soll. »Wir müssen, so sehr wir die Ausrichtung auf das Gesamtproblem fordern, doch auch ausdrücklich betonen, daß jeder einzelne landschaftliche Abschnitt des östlichen deutschen Volks- und Kulturbodens seine eigene, sorgfältige Behandlung verlangt.« Aber geographische und staatliche Grenzen dürfen kein Hindernis für die Behandlung größerer Forschungskomplexe sein. Jede Einzelforschung muß sich des großen räumlichen Zusammenhanges der deutschen Ostbewegung als einzig möglichen Hintergrundes bewußt sein. Als dritte Forderung stellt Aubin »Ganzheit des Inhalts« auf. Das Thema »Deutsche Ostbewegung« ist umfassend. Die Erforschung der politischen Verhältnisse, z. B. der Ostpolitik der ma.'lichen deutschen Kaiser oder der Bedeutung Preußens und Österreichs als Oststaaten, gehört ebenso darunter wie die Geschichte der deutschen Ostwanderung und kirchenpolitischer Vorgänge (z. B. Magdeburg- Gnesen). Auch Rechtsgeschichte (Ausbreitung der deutschen Stadtrechte nach Osten!), Wirtschaftsgeschichte, Kunst- und Geistesgeschichte, Volkskunde und Volksbiologie haben ihren Anteil an der Erforschung des Gesamtvorganges. Aubin bringt hierbei eine Reihe von Beispielen aller Wissenszweige über die bisherigen Leistungen für das Ganze, die namentlich in den letzten Jahren immer


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zahlreicher geworden sind. Abschließend betont der Verf. die Notwendigkeit des Hinübergreifens in den Lebensraum der Nachbarnationen, »denn oft enthüllt sich nur dem Blick von dorther das wahre Verständnis für die Probleme, die uns die Ostbewegung unseres Volkes aufgibt«. -- Im Anschluß an eine in der ersten Lieferung des »Atlas des deutschen Lebensraumes in Mitteleuropa« veröffentlichten Karte behandelt Norbert Krebs »Die Ostgrenze des deutschen Volkstums im Spiegel der Bevölkerungsverschiebung« < 1574>. Dieser Grenzraum ist ein Streifen »vom Memelland und der Südgrenze Ostpreußens durch das heutige Polen zur Tschechoslowakei, dann durch Westungarn nach Südslawien und endet bei Tarvis am Fuß der Julischen Alpen, wo das deutsche, das slowenische und das italienische Volkstum zusammenstoßen«. Es wird dabei ein breiterer Streifen zu beiden Seiten dieses Grenzsaumes herangezogen. Das Ergebnis der Untersuchung ist, daß bei allgemeinem Rückgang des Deutschtums in den Grenzgebieten und den diesen vorgelagerten Sprachinseln -- teils durch Abwanderung, teils durch verminderte Fruchtbarkeit -- eine starke Vermehrung des litauischen, polnischen, slowakischen und slowenischen Bevölkerungselementes in den letzten Jahrzehnten festzustellen ist, während der Geburtenüberschuß bei Tschechen und Magyaren z. T. sogar hinter den Zahlen der Deutschen zurückbleibt. -- Wertvoll für den Historiker ist, wie der Titel kaum vermuten läßt, ein von P. H. Seraphim herausgegebenes Kartenwerk »Polen und seine Wirtschaft« (Königsberg i. Pr. 1937). Der Textteil enthält einen knappen, aber genügenden Überblick über die Geschichte Polens, der ergänzt wird durch eine genaue Zeittafel. Der historische Teil des Kartenwerks behandelt die Vorgeschichte des Oder-Weichsel-Gebiets, das Weichselgebiet im 9. Jh., das piastische Reich um 1000, Polen-Litauen um 1422, die Teilungen Polens, den Weltkrieg auf dem Gebiet des heutigen Polen, den russisch-polnischen Krieg 1920, die Wunschgrenzen der polnischen territorialen Expansion. Das Kartenwerk kann mit Erfolg zur Ergänzung deutscher Geschichtsatlanten herangezogen werden. -- Einen kurzen Abriß der geschichtlichen polnischungarischen Beziehungen bietet der jüngst verstorbene Wilnaer Historiker Marjan Zdziechowski in einer kleinen Schrift »Węgry i Polska na przełomie historji« (Ungarn und Polen am Wendepunkt der Geschichte), Wilna 1937. Diese polnisch-ungarische Gemeinsamkeit ist im wesentlichen dynastischer Art. Ludwig von Ungarn beerbte die Piasten in Polen, mehrere Jagiellonen trugen die Stephanskrone. Aus Siebenbürgen kam König Stephan Bathory, der Gegenspieler des aufstrebenden Moskau am Ende des 16. Jh.'s. Im ungarischen Aufstand von 1849 kämpften polnische Offiziere mit, von denen dem General Bem noch heute in Ungarn ein ehrendes Andenken bewahrt wird. -- In einer neuen, von dem Geopolitiker Prof. Haushofer und dem Münchener Historiker Ulrich Crämer herausgegebenen Schriftenreihe »Macht und Erde« sind drei kleine Werke erschienen (Verlag B. G. Teubner, Leipzig/Berlin 1937/38), die in den Rahmen unseres Forschungsberichtes fallen. »Der Ostseeraum« wird von Wulf Sievert behandelt. Nach geopolitischer Einleitung beschreibt der Verf. die geschichtliche Entwicklung der Ostsee und ihrer Anliegerstaaten sowie deren wechselvolles Geschick im Kampf um das Dominium Maris Baltici. Der Einfluß des Weltkrieges auf den Ostseeraum, die Nachkriegsentwicklung werden ausführlich gewürdigt und abschließend die politisch-strategische Lage von heute gekennzeichnet. Dieses Buch ist eine ebenso erfreuliche Neuerscheinung wie ein zweites seiner Reihe: Werner Essen: »Nordosteuropa«. Völker und Staaten einer Großlandschaft.

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Der Verf. ist durch seine gediegenen Forschungen über die Siedlungsverhältnisse Litauens bekannt. Er versteht unter Nordosteuropa den Raum von Finnland bis zur Tschechoslowakei. Dabei wird das Deutsche Reich östlich der Linie Lübeck--Hof berücksichtigt. Für dieses Gebiet gibt Essen einen großen rassen-, volks- und religionsgeschichtlichen Überblick. Nach Schilderung der Staatenbildung bis zum Weltkriege (einschließlich Rußlands) sind besonders bemerkenswert die sorgfältigen Angaben über den Gürtel der sieben Nachkriegsstaaten dieser Zone (ohne die Sowjetunion). Weniger klar gegliedert und übersichtlich erscheinen die Ausführungen von Hans Hummel über »Südosteuropa und das Erbe der Donaumonarchie«. Einmal erscheint es bedenklich, den Großraum von Österreich bis Griechenland reichen zu lassen. Eine Einheit ist hier weder geographisch noch politisch in dem genannten Rahmen zu erkennen. Sie kann höchstens wirtschaftlich anerkannt werden. Die Erinnerung an den Habsburgerstaat ist heute ebenfalls kein verbindendes Moment mehr. Der historische Überblick läßt Klarheit und Einheitlichkeit vermissen, was bei den beiden anderen Darstellungen besonders anzuerkennen ist. Es muß überhaupt das Fehlen einer klaren Linie bemängelt werden. Dadurch wird die Tatsache verdeckt, daß die kleine Schrift trotz mancher Schwächen eine Fülle wertvoller Angaben und manche guten Gedanken enthält.


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