III. Einzeldarstellungen.

Auf »Anthropologische Spuren der Goten in Polen« (Ślady antropologiczne Gotów w Polsce) weist Jan Czekanowski in der Festschrift für Eugenjusz Romer (Lemberg 1934, S. 442--452) hin. Ausgehend von der interessanten Feststellung Romers, daß es in frühgeschichtlicher Zeit eine direkte Verbindung zwischen Pripet und Bug, also damit eine Verbindung zu Wasser zwischen Ostsee und Schwarzem Meer, gegeben hat, und sprachgeschichtlichen Überlieferungen geht er den anthropologischen Funden in Polen nach. Dabei findet er in frühslawischer Zeit einen überraschend großen nordischen Prozentsatz (wobei man allerdings berücksichtigen muß, daß Czekanowski den Begriff »nordisch« weiterfaßt, als es die Rassenkunde gemeinhin tut). Er sieht darin einen Beweis für die schon früher geäußerte Annahme, daß nicht alle Goten in der Völkerwanderung das Weichselgebiet verlassen haben. Er folgert weiter, daß die Reste der Goten sozial abgesunken sind und unter der neuen slawischen Herrenschicht gestanden haben. -- Die polnische Vorgeschichtsforschung hat im Berichtsjahre umfangreiche Grabungen auf dem Domberg in Gnesen durchgeführt, deren Ergebnisse der Ausgrabungsleiter Prof. Kostrzewski in einem Aufsatz »Gniezno w zaraniu dziejów w świetle odkryć tegorocznych« (Gnesen am Anfang der Geschichte im Lichte der diesjährigen Ausgrabungen) in der Zeitschrift »Z otchłani wieków«, Jg. 12 (1937), H. 11/12, S. 137--153, behandelt. Ähnlich wie bei den Grabungen in Zantoch hat man auch in Gnesen, wo es schon im 8. Jh. eine Siedlung gegeben haben soll, mehrere Bauschichten gefunden. K. betont, daß Funde wikingischer Herkunft in Gnesen nicht gemacht seien. Diese Tatsache widerspreche der Ansicht deutscher Historiker und Prähistoriker von der wikingischen Herkunft des ersten polnischen Herrschers und von der Entstehung des polnischen Staates durch einen Einfall der Normannen. Wenn dies zutreffen würde, müßten sich in Gnesen, dem Mittelpunkt des ersten polnischen Staates, doch unbedingt einige Gegenstände wikingischer Herkunft finden, was, wie K. angibt, nicht der Fall sei. -- Zu den in unserem Forschungsbericht oft behandelten deutsch-polnischen Beziehungen des Frühmittelalters ist in der Berichtszeit eine grundlegende Untersuchung von Gerhard Sappok, »Die Anfänge des Bistums Posen und die


S.603

Reihe seiner Bischöfe 968--1498« < 2344>, erschienen. Der Verf. untersucht im Anschluß an die Forschungen Brackmanns zuerst einmal das staatsrechtliche Verhältnis Polens zum Deutschen Reich zur Zeit Otto d. Gr. Er führt den Nachweis, daß Polen seit 963 Otto I. tributpflichtig gewesen ist, die Gründung des Bistums Posen 968 also in der deutschen Machtsphäre stattgefunden hat. Dabei erklärt S. die in den Quellen vorkommenden wichtigen Begriffe »fidelis« und »tributum solvens« in ihrer staatsrechtlichen Bedeutung durch Vergleiche mit Böhmen und Dänemark. Das wichtigste Problem, welches der Verf. im Zusammenhang mit der Gründung Posens anschneidet, ist das Verhältnis des neuen Bistums zu Magdeburg. Hier verneint Sappok die von Paul Kehr in seiner grundlegenden Interpretation der Magdeburger Urkunden geäußerte Ansicht, daß von einer kirchenrechtlichen Unterstellung des ersten polnischen Bistums unter das Erzbistum Magdeburg keine Rede sein kann. Er folgt vielmehr der Angabe Thietmars, der den Bischof von Posen als Suffragan Magdeburgs bezeichnet. Da sich auch die polnische Wissenschaft ausführlich mit diesen Fragen beschäftigt hat (vgl. die früheren Jahrgänge), ist die ausgezeichnete Kenntnis der polnischen Literatur und die Auseinandersetzung mit ihr durch den Verf. besonders hervorzuheben. Im zweiten Teil seiner Arbeit untersucht S. in mühevollen Einzeluntersuchungen die persönlichen Verhältnisse der einzelnen Posener Bischöfe 968--1498 und kommt zu wesentlichen Berichtigungen der Bischofsliste von Johannes Dlugosch (Rez. v. G. Wentz in Forsch. z. brandbg.-preuß. Gesch., Bd. 50 [1938], S. 197 f.; kritischer von H. J. Schönborn in Altpr. Forsch. 15 [1938], S. 106 ff.). -- Zur ältesten Geschichte Polens nimmt Sappok noch einmal in einem Aufsatz »Polen, Reich und Pommern« < 779> Stellung. Und zwar wendet er sich kritisch gegen die Bemühungen der polnischen Historiker (besonders Wojciechowski's), die älteste Geschichte Polens mit der Eroberung Westpommerns durch Miesko I. beginnen zu lassen. »So ergibt sich, daß ernsthafte Gründe für eine Zugehörigkeit Westpommerns schon zu Beginn der historisch bezeugten Regierungsjahre Mieskos einfach nicht zu erbringen sind.« -- Mit der Tendenz, die Politik der ersten polnischen Herrschaft hätte nur das eine Ziel gekannt, Polen einen Zugang zum Meere zu verschaffen, beschäftigt sich allgemeiner Albert Brackmann in einem Aufsatz »Die Anfänge der polnischen Ostseepolitik« (Jomsburg 1 [1937], S. 129--142). Die Ostsee stand im 10. Jh. unter dänischer Herrschaft, und »nichts spricht dafür, daß die Polen nach der Eroberung Pommerellens etwa einen Kampf um die Ostsee oder auch nur um die Küstenländer ins Auge gefaßt hätten«. Die Ziele Boleslaw Chrobrys hätten in Rußland sowie im Süden und Westen gelegen. Wie Brackmann nachweist, »steht die polnische Eroberung Pommerns im 12. Jh. so sehr im Schatten der deutschen Slawen-Politik, daß von dem Beginn einer polnischen Ostseepolitik auch damals nicht gesprochen werden kann«. Erst 1466 trat Polen endgültig in die Reihe der Ostseeanliegerstaaten ein. Aber auch damals standen der Nordosten und besonders der Südosten mit dem Vordringen der Osmanen im Vordergrund des polnischen politischen Interesses. Sogar in einer Zeit, als Polens Könige tatsächlich in den Kampf um das Dominium Maris Baltici eingriffen, im ausgehenden 16. und 17. Jh., blieb die polnische Politik in ihren Grundlagen von kontinentalen Interessen bestimmt. »Daher reichen die Anfänge einer zielbewußten Ostseepolitik Polens tatsächlich erst in die Zeit nach dem Weltkriege.« -- Ähnlich urteilt Fritz Morré in einem Aufsatz »Polens Streben im Ostseeraum« (Osteuropa 13 [1937/38], S. 1--12) über die historischen Grundlagen

S.604

der modernen polnischen Ostseepolitik. -- Es ist sehr zu begrüßen, daß Albert Brackmann, dem wir die Erkentnis der großartigen Ostpolitik Ottos d. Gr. verdanken, nun dem Mittelpunkt der ottonischen Ostpläne ein eigenes, für die breitere Öffentlichkeit bestimmtes Buch, »Magdeburg als Hauptstadt des deutschen Ostens im frühen Mittelalter« < 777>, gewidmet hat. (Vgl. die ausführliche Besprechung durch G. Sappok in Jomsburg 1 [1937], S. 503 ff.; ferner Kwart. Hist. 52 [1938], S. 120.) Seine weitreichenden Pläne im slawischen Osten begann Otto d. Gr. im Jahre 937 mit der Begründung des Magdeburger St.-Moritz- Klosters in die Tat umzusetzen. Die Wahl des Hl. Mauritius als Patron war ungewöhnlich. Ihrem besonderen symbolischen Zweck geht Brackmann in einer eigenen Abhandlung, »Die politische Bedeutung der Mauritius-Verehrung im frühen Mittelalter« (Sitz.-Ber. der Preuß. Akad. d. Wiss. phil. hist. Klasse, 30, Berlin 1937), nach. -- Vor wenigen Jahren hat R. Holtzmann die Chronik des Bischofs Thietmar von Merseburg herausgegeben <1935, 723>. Diese vorbildliche Edition ist auch von polnischen Forschern gewürdigt worden <1936, S. 603>. Waldemar Füllner < 778> nimmt die Neuedition zum Anlaß, um auf der Grundlage der von Thietmar mitgeteilten Tatbestände ein eingehendes Bild der politischen und kulturellen Zustände im deutschslawischen Grenzraum während des 10. und 11. Jh.'s zu entwerfen. Ausführlich werden die politischen Ereignisse und die Siedlungsvorgänge sowie die kirchliche Organisation dargelegt. Auch der Bedeutung Thietmars als zeitgenössische Quelle für die Jahre 968--1018 und der persönlichen Einstellung des Chronisten geht Füllner nach. Die Arbeit ist sehr fleißig und hat das umfangreiche einschlägige deutsche Schrifttum in anerkennenswerter Vollständigkeit benutzt. Nur hätte man sich nicht nur gelegentliche allgemeine Hinweise auf die entgegengesetzten Ansichten polnischer Forscher gewünscht, sondern eine genauere Auseinandersetzung mit den zahlreichen Forschungen, die heute auf polnischer Seite -- gerade auf der Interpretation Thietmars fußend! -- zum deutsch-polnischen Verhältnis im 10. Jh. vorliegen. (Rez. v. E. Randt in Ztschr. d. Ver. f. Gesch. Schles. 72 [1938], S. 512.) -- An dieser Stelle mag darauf hingewiesen werden, daß in der Berichtszeit sich auch ein bekannter tschechischer Historiker mit der polnischen Frühgeschichte beschäftigt hat. Vaclav Chaloupecký behandelt in dem Sammelwerk »Dějiny lidstva« (Geschichte der Menschheit), Band III: »Základy středoveku« (Die Grundlagen des MA.'s), Prag 1937, auf S. 591--635, »Die Anfänge des tschechischen und des polnischen Staates« (Počátky statu Českeho a Polskeho). Schon bei der Schilderung des Přemyslidenstaates wird mehrfach der piastischen Herrscher Polens gedacht, deren gegenseitige Beziehungen im 10. und 11. Jh. meist wenig freundschaftlich waren, wenn man an die Eroberung Böhmens durch Boleslav Chrobry im Jahre 1003 oder an die Polens 1039 durch den Böhmenherzog Bretislav denkt. Bemerkenswert ist die Feststellung des Verf., daß Adalbert von Prag bei seiner Missionsarbeit unter den heidnischen Preußen den eigentlichen Zweck verfolgte, »die Ausdehnung des polnischen Staates zwischen der Weichsel und Ostsee vorzubereiten«. An anderer Stelle werden die Piasten und ihre Staatsgründung noch einmal zusammenhängend gewürdigt. Der tschechische Forscher lehnt die Möglichkeit einer wikingischen Herkunft der Piasten ab und verweist für die Entstehung und Frühgeschichte ihres Staates auf die Parallele der böhmischen Staatsgründung der Přemysliden. Weiter verneint er die Unterstellung des Bistums Posen unter Magdeburg. Im wesentlichen schließt sich Chaloupecký in der Beurteilung der Geschichte Polens unter Mieszko II. und Kasimir d. Erneuerer den

S.605

polnischen Historikern Zakrzewski und Wojciechowski an. Die »Civitas Schinesghe« in der bekannten Schenkung Polens an den Hl. Stuhl, über deren Identifizierung die Meinungen auseinandergehen, hält er für »Stettin«, während der überwiegende Teil der einschlägigen Forschungen sich heute für eine Gleichsetzung mit »Gnesen« entschieden hat. -- Konrad Schünemann untersucht die Quellen für »Ostpolitik und Kriegführung im deutschen MA.« < 269>. Von 789 bis 1159 sind von der Reichsgewalt oder in ihrem Auftrage etwa 175 Feldzüge gegen die östlichen Nachbarn des deutschen Volkes geführt worden. Das ist ein klares Zeichen dafür, daß die deutschen Kaiser die Ostgrenze keineswegs vernachlässigt haben. Der Verf. schildert die Schwierigkeiten, die bei diesen Feldzügen zu überwinden waren. Es gab nur eine geringe Zahl von Einmarschstraßen, so daß der Feind seine Abwehr auf wenige Punkte konzentrieren konnte. Bekannt ist das Danewerk, das schon 808 zur Sperre des Raumes zwischen Haddeby und Hollingstedt von den Dänenkönigen errichtet wurde. Aber auch die Burgensysteme der Polen und Böhmens sind bekannt. Letzteres konnte sich bei seinen günstigen natürlichen Grenzen auf die Befestigung von 4 bis 5 Landestoren beschränken. Besonders ausführlich schildert Schünemann das Verteidigungssystem der Ungarn im Wandel der Jahrhunderte. Die Verteidigungskraft der slawischen Befestigungswerke wird oft im Vergleich zu den Steinmauern italienischer Städte und Burgen unterschätzt. »Nach der Organisierung moderner Staaten in Polen und Böhmen hob sich die Technik des slawischen Festungsbaus auf eine solche Höhe, daß fast alle deutschen Belagerungen erfolglos geblieben sind.« Der größte Feind der deutschen Heere im dünnbesiedelten slawischen Osten war der Hunger. Die Verpflegungsschwierigkeiten für Mann und Pferd waren so groß, daß man zum Rückmarsch selten den gleichen Weg wie zum Einmarsch wählen konnte. Erst mit der großen deutschen Landnahme ergaben sich die landschaftlichen Voraussetzungen für militärische Unternehmungen großen Stils im Osten. Aber zu diesem Zeitpunkt war die Durchführung einer aktiven Ostpolitik schon von der Reichsgewalt auf die Territorien übergegangen. -- Marjan Małowist gibt in einem Aufsatz »The Baltic and the Black Sea in the medieval trade« (Baltic and Scandinavian Countries 3 [1937], S. 26--35) einen knappen Überblick über die Handelsbeziehungen zwischen der Ostsee und dem Schwarzen Meer im MA. Diese waren eigentlich nur im frühen MA. von größerer Bedeutung, als die Wikinger den Ostseehandel wie die Landbrücke von dort zum Schwarzen Meer beherrschten. Im 11. und 12. Jh. riß diese Verbindung ab. Im Ostseehandel dominierte in der folgenden Zeit die Hanse, und der Handel mit Orientwaren wurde ausschließlich von den Italienern, in der Hauptsache Venetianern und Genuesen, betrieben. Beide Teile hatten wenig Interesse an einer Nord-Süd-Verbindung auf dem Landwege. Die Bemühungen Kasimirs d. Gr., einen Durchgangshandel Ostsee-Schwarzes Meer via Polen zu schaffen, blieben ohne wirklichen Erfolg, wenn auch Lemberg seinen Aufstieg nicht zuletzt seiner Stellung als Umschlagplatz zwischen den beiden Handelssystemen verdankt. Zur endgültigen Schließung dieses Handelsweges führte am Ende des 15. Jh.'s das Vordringen der Türken und die Entdeckung der Neuen Welt. -- In derselben Zeitschrift (III, 1937, S. 399--408) behandelt George Vernadsky »The Baltic commerce of the West Russian and Lithuanian cities during the middle ages«. Die handelspolitische Bedeutung der russischen Städte, im besonderen Polotosk, Smolensk, Nowgorod und Pskow, hatte ihr Schwergewicht in der Zeit des Warägerreiches von Kiew und der sich

S.606

nach dessen Zerfall bildenden zahlreichen kleinen Teilfürstentümer. Ihre Stellung war damals eine doppelte. Einmal exportierten sie die Erzeugnisse ihres Hinterlandes nach Westen. Dann waren sie wichtige Durchgangsplätze im Handel mit Orientwaren auf den großen Flußsystemen Osteuropas. Im späteren MA. wurden sie in das Handelssystem der Hanse eingeschlossen; der Handelsverkehr ging fast ausschließlich in die Hände deutscher Kaufleute über. Im 14. und 15. Jh. gehörten die meisten dieser Städte (außer Nowgorod und Smolensk) zu dem neuentstandenen Großfürstentum Litauen. Im 16. Jh. durchbrach Iwan der Schreckliche durch die Aufhebung aller Handelsprivilegien das Monopol der deutschen, speziell der livländischen Handelsstätte, im Ost-Westhandel. -- Zygmunt Wojciechowski gibt in seinem Aufsatz »La condition des nobles et le problème de la féodalité en Pologne en Moyen Age« (S. D. aus Revue historique de droit français et étranger, 16, 1936/37) einen zusammenfassenden Überblick über seine schon früher geäußerten Anschauungen über den Adel und das Problem des Feudalismus im ma.'lichen Polen. Der Einfluß des westeuropäischen Lehnswesens ist nur gering zu veranschlagen. Normannische Elemente im frühpolnischen Staatswesen werden von W. wie in allen seinen Schriften so auch an dieser Stelle geleugnet. (Rez. v. E. Maschke, Altpr. Forsch. 15 [1938] S. 165.) Anläßlich des 50jährigen Bestehens der Polnischen Historischen Gesellschaft erschien der Bd. 51 des von ihr herausgegebenen »Kwartalnik Historyczny« als Festschrift. In ihm finden wir u. a. zwei Aufsätze, die die geschichtliche Entwicklung Polens während eines längeren Zeitraumes in größere gesetzmäßige Zusammenhänge zu fassen sich bemühen; Zygmunt Wojciechowski behandelt »Dwa ósródki panstwotwórcze w Polsce na przestrzeni dziejów i ich zasiąg geograficzny« (Die beiden staatsbildenden Mittelpunkte in Polen im Verlauf der Geschichte und ihr geographischer Bereich), Kwart. Hist. 51 (1937), H. 1 u. 2, S. 471--485. Den ersten Mittelpunkt sieht W. in der Politik der Piasten, in den Besitz des Oderlaufes zu kommen. Sie ist schon bei dem Gründer des polnischen Staates, Mieszko I., der Oderpommern und Schlesien (Krakau) eroberte, zu beobachten. Sein Ausgangspunkt war dabei das Land der Liccikaviker, in dessen Besitz ihn die Quellen bei seinem ersten Auftreten nennen und welches W. nach Widajewicz im nördlichen Winkel zwischen Oder und Warthe zu finden glaubt. Hier liegt aber für den Verf. auch umgekehrt der Ansatzpunkt für den späteren Verlust der Oderlinie: Als die brandenburgischen Markgrafen sich im 13. Jh. des Landes Lebus bemächtigten, gingen nacheinander Pommern und Schlesien dem polnischen Staate verloren. Dieser Verlust hat nach W. noch in den polnischen Teilungen nachgewirkt. Einen weiteren Beweis für seine geopolitische These sieht W. in der Entwicklung Preußens im 18. Jh.: Preußen besaß die Oder bei Frankfurt und Küstrin. In rascher Zeitfolge erwarb es 1720 Vorpommern mit Stettin und 1740 Schlesien. Noch die letzten Piasten haben nach W. die politische Notwendigkeit der Oderlinie für Polen erkannt. So bemühte sich Kasimir d. Gr. immer wieder um eine Gewinnung Pommerns und Schlesiens. Nach seinem Tode ging diese »piastische Staatsidee« verloren. Der Zusammenschluß Polens mit Litauen verlagerte das Schwergewicht des Doppelstaates nach Osten, besonders in das südöstliche Rotreußen. Dessen Besitz zu sichern, war der Mittelpunkt der Politik des späteren Polen. W. sieht hierin eine Fehlentwicklung. »Die Preußen kamen aus dem Osten nach dem Rheinland. Wir haben unser Rheinland im 14. Jh. jenseits der Grenzen unseres neuen großen Staates belassen und sind im Ergebnis der durch Kleinpolen unternommenen

S.607

Expansion nicht nur zu ihm zurückgekehrt, sondern haben darüber hinaus den Rest unserer Mutterlandschaften der Bedrohung ausgesetzt.« (Rez. v. H. Bellée, Balt. Stud. N. F. 40 [1938], S. 264.) -- Oskar Halecki untersucht »Die jagiellonische Idee« (Idea jagiełłońska, Kw. Hist. 51 [1937], H. 1/2, S. 486--510), in ihrer dynastischen und staatlichen Bedeutung. Das Hauptproblem der jagiellonischen Geschichte ist zweifellos die Vereinigung der polnischen, litauischen und reußischen Länder in einem gemeinsamen Staatsorganismus.« Die Kultur Polens und Litauens war ursprünglich tief verschieden, die Verbindung lag allein in der Familie der jagiellonischen Herrscher. Die einzelnen litauischen und reußischen Länder traten in ein Lehnsverhältnis zur Krone Polens. Später bezog sich dieses Lehnsverhältnis auf die Gesamtheit des Großfürstentums, was Halecki als einen Fortschritt vermerkt. Die Union von Horodlo präzisierte dieses Verhältnis und brachte vor allem die Adoption der litauischen Bojaren durch den polnischen Adel bei gleichzeitiger Privilegierung. Hierin sieht H. den Beginn der kulturellen Angleichung Litauens an Polen, die gleichzeitig die Durchsetzung des katholischen Christentums in Litauen förderte. H. spricht von einem »Kulturwerk, das von Polen im Osten vollführt wurde«, und von Bindung dieser Länder an den lateinischen Westen. Auch dies sei ein Teil der jagiellonischen Idee. Jedoch ging die Verbindung Polens und Litauens nicht in gleichen Bahnen weiter. Es kam im 15. Jh. zu heftigen Kämpfen um die völlige staatsrechtliche Gleichberechtigung des Großfürstentums, die schließlich in einem Kompromiß und in einer Personalunion endigten. Diese Union in der Person eines jagiellonischen Herrschers hat es vermocht, den polnisch-litauischen Reibungen die Spitze zu nehmen, die Außenpolitik beider Staaten gleichzuschalten und das weitere Vordringen polnischer Kultur zu fördern. Die staatsrechtliche Weiterführung brachte dann die Union von Lublin, nämlich den »gemeinsamen Staat«. Daß aber bei dieser Reform Mäßigung waltete, war kluge politische Taktik des letzten Jagiellonen. Die Dynastie verwirklichte hiermit »die Forderung nach einem solchen Aufbau der jagiellonischen Monarchie, der auf einer beiderseitigen freiwilligen Zustimmung gestützt wäre und im gegebenen Augenblick den berechtigten Bedürfnissen aller vereinigten Länder am besten entspräche«. -- Als ersten Teil einer größeren Untersuchung zur »Geschichte der Pläne zur Teilung des alten polnischen Staates seit 1386« behandelt Hildegard Schaeder den Teilungsplan von 1392 < 863>. In längeren Ausführungen schildert die Verf. bei erschöpfender Heranziehung der polnischen Spezialliteratur die ersten vier Jahrzehnte des polnischen Staates unter dem Gesichtspunkt der in ihm wirkenden staatsbildenden und staatssprengenden Kräfte. Das eigentliche Thema der Arbeit ist das nicht verwirklichte Projekt des Herzogs Wladislaw von Oppeln aus dem Jahre 1392. Wladislaw von Oppeln war ein Gegner des sechs Jahre zuvor auf den polnischen Königsthron gekommenen Jagiello. Sein 1392 dem Hochmeister des Deutschen Ordens vorgetragener Plan ging dahin, mit einer großen Koalition Jagiello zu vertreiben und dann das polnische Reich unter den Orden, Brandenburg und Ungarn zu verteilen. Ein wahrhaft phantastisches Projekt! Um zu beweisen, daß es sich hier wirklich um einen konkreten Teilungsplan gehandelt hat, untersucht Sch. genau den politischen Hintergrund und die Persönlichkeit des Wladislaw von Oppeln. Letzterer hatte als Politiker eine einflußreiche Rolle am Hofe König Ludwigs von Ungarn gespielt. Nach seinem Tode wurde er Parteigänger der Luxemburger, von denen besonders der spätere Kaiser Sigmund die Ostpläne seines Vaters Karl IV. wieder aufnahm. 1382 hatte er versucht, den polnischen Thron zu gewinnen. Die Erhebung

S.608

Jagiellos 1386 erledigte dieses Vorhaben. Nun konnte ein Teilungsplan Polens doch noch die Verwirklichung des luxemburgischen Oststaates bringen, der ja damals schon Ungarn, Böhmen und Brandenburg umfaßte. Für den Orden war die polnisch-litauische Verbindung von 1386 eine außerordentliche Gefahr. Sch. macht glaubhaft, daß der Hochmeister Konrad von Wallenrod deshalb ebenfalls einer Teilung Polens nicht abgeneigt war, besonders da gerade 1392 durch den Abfall Witowds von Litauen vom deutschen Orden die Gefährdung für diesen unmittelbar wurde. Eine feste Zusage hat Konrad von Wallenrod dem Herzog von Oppeln aber nicht gegeben. Familienstreitigkeiten der Luxemburger, innere Schwierigkeiten in Ungarn und das Aufstreben der Türken haben Sigmund dann bald die Möglichkeit genommen, seine polnischen Pläne weiter zu verfolgen. Er mußte sich mit Jagiello verständigen. Das Projekt des Herzogs Wladislaw von Oppeln wurde illusorisch. Für sein Fortwirken aber ist die Feststellung Schaeders bemerkenswert, daß die tatsächlichen Grenzen der dritten Teilung Polens von 1795 sich annähernd mit den projektierten von 1392 gedeckt haben. »Aufs Ganze gesehen aber stimmen der Plan von 1392 und die Tatsache von 1795 darin überein, daß in ihnen die alten, in der vorstaatlichen Zeit begründeten und in der politischen Entwicklung lebendig erhaltenen Stammesunterschiede und inneren Grenzen des polnischen Staates, die Scheide zwischen den Großpolen, Kujawiern und Masowiern einerseits, den Kleinpolen, d. i. den alten Wislanen andererseits, wieder zutage trat.« (Rez. von A. Lattermann in Zschr. d. Ver. f. Gesch. Schles. 71 [1937], S. 523 f.; A. Hahn in Forsch. z. brand.-preuß. Gesch. 50 [1938], S. 149 f.; J. Karwasinska in Kwart. Hist. 52 [1938], S. 62 ff.) -- Boleslaw Olszewicz < 1440> geht davon aus, daß sich in einer Handschrift der Czartoryski-Bibliothek in Krakau zwei (in der Literatur schon bekannte!) Kartenskizzen und ein Verzeichnis der preußischen Burgen und Städte befinden. Diese Karten sind offenbar zur Zeit der großen Auseinandersetzung zwischen dem Orden und Polen im 15. Jh. entstanden und gehörten zu dem umfangreichen Rüstzeug der Polen für die Verteidigung ihrer Ansprüche auf Pommerellen. Als Denkmal alter polnischer Kartographie sind diese Skizzen durchaus bemerkenswert. Zurückzuweisen ist aber die Behauptung von Olszewicz, daß die darin vorkommenden Namensformen für west- und ostpreußische Orte als Quelle für die Nationalität der Einwohner angesehen werden müssen. Wenn man sieht, daß für Königsberg der Name »Grolowgrod« eingetragen ist, wird jedem Betrachter klar, daß es sich bei den Karten um Propagandamaterial aus der Zeit der Thorner Friedensverhandlungen handelt, dem jeder Quellenwert für die Nationalitätenverhältnisse abgeht. (Rez. v. H. Bellée in Balt. Stud. N. F. 40 [1938], S. 269 f.) -- Einer der größten Deutschen, die der polnische Nationalismus immer wieder für sein Volkstum beansprucht, ist Nikolaus Coppernikus. So enthielt der polnische Pavillon auf der Pariser Weltausstellung 1937 unter den großen Gestalten der polnischen Vergangenheit auch den deutschen Astronomen Coppernicus. Es ist sehr zu begrüßen, daß im gleichen Jahre eine genaue Untersuchung erschien, die nun wohl endlich die Frage der Volkszugehörigkeit des großen Gelehrten geklärt hat: Hans Schmauch: »Nikolaus Coppernicus -- ein Deutscher« < 2598>. Der Name Coppernigk, den Nikolaus in Coppernicus latinisierte, ist ein Herkunftsname. Er führt auf das schlesische Dorf Köppernigk bei Neiße zurück, dessen Bevölkerung im 14. Jh. zweifellos dem deutschen Volkstum zuzurechnen ist. Der Vater Niklas Koppernigk ist zuerst in Krakau nachzuweisen, wo er sich, wie schon sein Vater,

S.609

als Großkaufmann betätigte. Die Krakauer Bürgerschaft war damals in der Hauptsache deutsch. Niklas Koppernigk verzog dann nach Thorn, wo er bald die Tochter des mächtigen Schöppenmeisters Lukas Watzenrode ehelichte. Auch Thorn war um die Mitte des 15. Jh.'s zu vier Fünfteln von Deutschen bewohnt. Dies gilt ausnahmslos für die Ratsgeschlechter. So kann über die völkische Herkunft des Nikolaus Coppernicus kein Zweifel bestehen. Auch sein Ausbildungsgang läßt keine Hinneigung zum polnischen Volkstum erkennen. Er studierte an der Universität Krakau, die damals zu mehr als 50 Prozent von Deutschen besucht wurde, und trat dann in Bologna der Natio Germanorum, die damals mit den polnischen Studenten in bitterer Feindschaft lebte, bei. Schon während seiner Studien erhielt Coppernicus eine Domherrenstelle am Frauenburger Dom. Hier im Ermland hat sich, zunächst im Dienste seines Oheims, des Bischofs Lukas Watzenrode, sein ganzes ferneres Leben abgespielt. Das Frauenburger Domkapitel war damals in seiner Zusammensetzung rein deutsch und wehrte sich bis ins 16. Jh. erfolgreich gegen Eingriffe des polnischen Königs. Coppernicus nahm an der deutschbewußten Politik des Domkapitels wie des Bistums tätigen Anteil. Das Schrifttum des Astronomen bedient sich meist der lateinischen Sprache. Daneben haben wir aber auch eine Reihe von Briefen und Schriftstücken in deutscher Sprache, während kein einziges in polnischer Sprache bekannt ist. Als Anhang zu dem außerordentlich überzeugenden Aufsatz von Schmauch veröffentlicht Joh. Papritz eine Nachfahrentafel des Lukas Watzenrode, die die deutsche Abstammung Coppernicus' eindeutig beweist. -- Mehr auf eine volkstümliche Schilderung der Weltlehre des Astronomen legt eine Darstellung des Direktors der Remeis-Sternwarte in Bamberg, E. Zinner, »Das Leben und Wirken des Nikolaus Coppernick, genannt Coppernicus« < 2597> ihren Nachdruck. Doch wird auch hier sein deutsches Volkstum in Abstammung und Wirken gebührend herausgestellt. Die polnische Nationalität des Coppernicus ist bisher am schärfsten durch Prof. L. Birkenmajer-Krakau behauptet worden. Auf seine Ausführungen wird im Zusammenhang der Würdigung des 1938 erschienenen Buches »Kopernik tworca nowego nieba« (Kopernikus, der Schöpfer eines neuen Weltbildes) des polnischen Gelehrten J. Wasiutyński im nächsten Forschungsbericht eingegangen werden. Wasiutyński befleißigt sich bezüglich der Nationalität des Astronomen größter Objektivität. -- Kazimierz Piwarski weist in einem Aufsatz »Lithuanian Participation in Polands Baltic policies 1650--1700« (Baltic and Scand. Countries 3 [1937], S. 219--226) darauf hin, daß in der zweiten Hälfte des 17. Jh.'s die großen Adelsfamilien des Großfürstentums Litauen eine oppositionelle Haltung gegenüber der franzosen- und schwedenfreundlichen Außenpolitik des polnisch-litauischen Königs Johann Sobieski einnahmen. Es waren besonders die Magnatengeschlechter der Pac, Sapieha und Radziwill, die sich gegen die pro-schwedische Politik des Königs stellten und ein Zusammengehen mit Brandenburg-Preußen, Dänemark und Moskau befürworteten. Ihre stille Hoffnung war dabei, den Schweden Livland wieder abzunehmen. Durch die Verheiratung seines Sohnes Ludwig mit der einzigen Tochter und Erbin des Fürsten Boguslaw Radziwill bot sich dem Großen Kurfürsten eine günstige Gelegenheit, Einfluß in Litauen zu gewinnen. Leider starb Ludwig unerwartet und die Möglichkeit territorialer Ausdehnung in Litauen wurde für das Hohenzollernhaus damit zunichte. Die Sympathien der litauischen Magnaten blieben aber bei Brandenburg-Preußen. Besonders das Haus Sapieha regierte damals tatsächlich das Großfürstentum Litauen und auch August der Starke von Sachsen

S.610

mußte nach seiner Besteigung des polnischen Thrones ihre Gegnerschaft spüren. Durch Aufgreifen des alten litauischen Lieblingsplanes, Livland den Schweden wieder abzunehmen, wußte August aber klug die Sympathien der litauischen Öffentlichkeit zu gewinnen und konnte der Opposition der Sapieha begegnen. Der Ausgang des nordischen Krieges, an dem Polen-Litauen als Gegner Schwedens teilnahm, und der Anfall der baltischen Provinzen an Rußland, begrub endgültig die lange gehegten Hoffnungen litauischer Kreise, Riga und Reval der Union, und speziell dem Großfürstentum, einzuverleiben. -- Die Ausführungen von Bronislaw Dembiński über »Misja Ignatia Potockiego w Berlinie w roku 1792« (Die Mission Ignatius Potockis in Berlin 1792) < 1027> beruhen im wesentlichen auf Akten des Berliner Geheimen Staatsarchivs. Polen hatte 1790 ein Garantieabkommen seiner Unabhängigkeit mit Preußen abgeschlossen. Als 1792 ein russisches Heer die polnischen Grenzen überschritt, versuchte die polnische Regierung vergeblich, Preußen zu einer Intervention zu veranlassen. Diesen Zweck hatte auch die Reise des Ministers Potocki nach Berlin. Die Unterredungen Potockis mit König Friedrich Wilhelm II. und den Ministern Schulenburg und Bischoffswerder führten aber nicht zu dem erhofften Erfolg. -- In einem Aufsatz »Die Ursachen des Untergangs des alten polnischen Staates im Urteil der heutigen polnischen Öffentlichkeit« (Jomsburg 1 [1937], S. 31--37) weist Hildegard Schaeder auf die kritische Ansicht des bekannten polnischen Geschichtsschreibers Michael Bobrzyński hin. B. gesteht in seinem berühmten Werk »Dzieje Polski w Zarysie« offen ein, daß der alte polnische Staat an seiner inneren Schwäche zugrunde gegangen ist. Die Anarchie ist für ihn der innerste Grund dafür. Er verurteilte die polnischlitauische Union von 1569, weil sie zu einer Doppelregierung führte und eben die Legalisierung einer solchen Zweiheit in einem Staate notwendig zur Anarchie führen mußte. -- E. O. Koßmann hat nach den kostbaren Beständen der Berliner Staatsbibliothek »Die preußischen Landesaufnahmen in Polen 1753--1806« < 1439> zusammengestellt, für welche er reiche Bildproben bietet. Die ersten Kartenwerke über Polen ließ Friedrich d. Gr. schon vor den Teilungen anfertigen. Die Zeit der Zugehörigkeit weiter polnischer Gebiete zum preußischen Staat ließ hier bald eine sorgfältige topographische Aufnahme entstehen, aus der die Pfausche und die Brodowskische Karte hervorgegangen sind. Auch die berühmten Schmettauschen und Schrötterschen Kartenwerke erschienen in dieser Zeit. -- Günther Weber: »Die polnische Emigration im 19. Jahrhundert« (Essen 1937, 115 S.), will keine Geschichte der Emigration geben, sondern als Schüler M. H. Boehms das Schicksal der Emigranten mit »soziologisch-volkstheoretischer Methode untersuchen«. Die Arbeit beruht deshalb nicht auf eigenen Quellenstudium, sondern auf Durcharbeitung des einschlägigen -- auch polnischen -- Schrifttums. In knappem Abriß wird die Geschichte der Emigration geschildert. Durch den Emigrantenstrom des 19. Jh.'s sind dem polnischen Volk wertvolle Blutskräfte verlorengegangen. Die Rez. von M. Laubert in Zschr. d. Ver. f. Gesch. Schles. 72 (1938), S. 503f. weist dem Verf. eine große Anzahl von sachlichen Fehlern nach, wodurch einige Zweifel an der Zuverlässigkeit des Buches entstehen. -- Vor dem Weltkriege besaß Berlin die größte polnische Kolonie Europas. Über sie erschien im Berichtsjahre eine Veröffentlichung »Polacy w Berlinie. Przyczynek do historji wychodztwa polskiego w Berlinie i po prawym brzegu Łaby« (Die Polen in Berlin. Ein Beitrag zur Geschichte der polnischen Auswanderung in Berlin und rechts der Elbe) < 1579>. Mit ausführlichen statistischen Angaben wird das

S.611

politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben der Polen im Berlin der Vorkriegszeit sowie ihr Verhältnis zur Kirche dargelegt. Trotz des von den deutschen Behörden ohne nennenswerte Eingriffe geduldeten blühenden Gemeinschaftslebens kommt das deutsche Berlin in dem Buche durchweg sehr schlecht weg. Diese grundlose Tendenz muß auf jeden Fall zurückgewiesen werden. (Rez. v. A. Hahn, Jomsburg 1 [1937], S. 508 ff.) -- Ein Aufsatz von Manfred Laubert: »Die Rede des Grafen Eduard Raczyński bei der Erbhuldigung in Königsberg vom 11. 9. 1840, ein Wendepunkt der preußischen Polenpolitik« < 1075> behandelt die Hoffnungen, welche der polnische Adel der Provinz Posen an die Thronbesteigung Friedrich Wilhelms IV. knüpfte. Eine ausführliche Beschwerdeschrift sollte den neuen König mit den Forderungen der Polen bekannt machen. Friedrich Wilhelm, liberalen Gedankengängen huldigend, war den polnischen Vorschlägen durchaus zugänglich. Er schlug einen neuen milderen Kurs gegenüber dem Polentum ein, in dessen Durchführung Oberpräsident von Flottwell, der bekannte Organisator der preußischen Provinz Posen, durch den Grafen Arnim ersetzt wurde, der sich ganz als Friedensstifter zwischen Staat und Polentum fühlte. -- R. Cromer setzt seine Aufsatzreihe »Die Polenfrage auf den Nationalversammlungen von Frankfurt a. M. und Berlin« < 1107, vgl. 1936, 1028> fort. Und zwar werden die Erörterungen der preußischen Polenfrage auf der Nationalversammlung dargestellt, die zu verschiedenen polenfreundlichen Anträgen und Beschlüssen führten. Die preußische Verfassung von 1850 hat sich allerdings darüber hinweggesetzt und bei der Neugliederung der Provinz Posen klar den staatlichen Standpunkt durchgesetzt. -- »Der polnische Aufstand von 1863 in den Verhandlungen des preußischen Abgeordnetenhauses« < 1122> ist Gegenstand einer Kölner Dissertation von Irmgard Goldschmidt. Die Politik Bismarcks während des polnischen Aufstands wurde im Hin und Wider der Debatten des Berliner Parlaments mit seiner liberalen Mehrheit stark umkämpft. Bismarck benutzte die polnische Erhebung, um durch Abschluß der Alvenslebenschen Konvention Preußen einer französischrussischen Umklammerung zu entziehen. -- Diese Konvention und ihre Folgen werden ausführlich in einer Dissertation von Helmut Scheidt »Konvention Alvensleben und Interventionspolitik der Mächte in der polnischen Frage 1863« < 1123> behandelt. -- Auf polnischer Seite hat der bekannte Krakauer Historiker Józef Feldman ein umfangreiches Werk »Bismarck i Polska« (Bismarck und Polen) veröffentlicht, welches auf mehrjährigen Forschungen beruht. Es vermittelt auf 451 Seiten ein genaues Bild des Verhältnisses Bismarcks zur polnischen Frage und darüber hinaus der preußisch-polnischen Beziehungen in neuerer Zeit überhaupt. Der oft genug mit aller Schärfe herausgestellte nationalpolnische Standpunkt des Verf.'s macht es erforderlich, im nächsten Forschungsbericht noch ausführlicher auf diese Neuerscheinung und ihre Tendenz einzugehen. -- Zu einem speziellen Problem der heutigen deutschen Ostgrenze wird von finnischer Seite Stellung genommen. M. Gärtner übersetzte aus dem Englischen die historische und völkerrechtliche Studie »Die Entstehung und rechtliche Natur des Memelstatuts und seine praktische Auswirkung bis zum heutigen Tag« < 1408> von Thorsten Waino Kalijarvi. Der Verf. schildert die politische Entwicklung im Memelgebiet 1918--1924 und die Geschichte der nach dem Einfall der Litauer 1923/24 eingeleiteten internationalen Memelverhandlungen, die zu dem von den Großmächten England, Frankreich, Italien und Japan garantierten Memelstatut führten. Das Memelgebiet selbst wird in seinen Entwürfen

S.612

und Gegenentwürfen bis zu der am 4. Oktober 1924 in Kraft getretenen endgültigen Fassung behandelt. Hierbei wird jeder Artikel in seinem Werden bis zur Fixierung geschildert. Der letzte Abschnitt befaßt sich mit der Anwendung des Statuts bis zum heutigen Tage, d. h. fast ausschließlich mit den Klagen über die Verletzung seiner einzelnen Bestimmungen durch den litauischen Staat. Besonders hier ist das außerordentlich sachliche Urteil des Verf.'s festzustellen.


Diese Seite ist Bestandteil des Informationsangebots "Jahresberichte für deutsche Geschichte" aus der Zwischenkriegszeit (1925-1938)