III. Historische Landeskunde.

Vor- und Frühgeschichte. Welch mühseligen Entwicklungsweg die Vorgeschichtsforschung in den Sudetenländern zurückzulegen hatte, ehe sie zu halbwegs brauchbaren Arbeitsweisen gelangte, macht Franz <S. 31, Nr. 577> ersichtlich. Bis zu welcher Feinheit diese Arbeitsweisen heute bereits ausgebaut wurden, lehrt ein Aufsatz von Franz-Rudolph über böhmische »Urwaldfragen« <S. 31, Nr. 582>, wobei vor allem durch den Botaniker Rudolph die pollenanalytische Untersuchungsmethode für die Frage nach der Ausbreitung und der Art der Zusammensetzung des Waldes fruchtbar gemacht wird. Durch zwei gründliche tschechische Arbeiten werden Hauptzeiten der böhmischen Vorgeschichte erhellt. So widmet Böhm < 3> der Hallstattzeit in Böhmen eine Sonderarbeit, aus der überzeugend hervorgeht, daß Südböhmen (Budweiser Becken) stärker besiedelt gewesen sein muß, als vielfach angenommen wurde. Auch die Häufung der Funde im Pilsener Gebiet bleibt höchst beachtlich. Eine entsprechende Untersuchung legt Filip <S. 36, Nr. 674> für die Zeit der Urnengräber und die Anfänge der Eisenzeit vor, d. h. für eine Zeit, in der schon mit den Germanen in Böhmen gerechnet werden muß. Die auch dieser Arbeit beigegebenen Karten weisen auf eine stärkere Besiedlung Ostböhmens hin. Um die Aufhellung der germanischen Zeit in den Sudetenländern bemühte sich Schirmeisen: Zum Schema des Ptolemäischen Germanien, Z. f. Gesch. Mähr. u. Schles. 39 (1937), 125--140 ebenso, wie Dobiáš < 14>, die beide vor allem zu der Arbeit Šimeks Stellung nehmen, d. h. seine Ergebnisse in der Hauptsache ablehnen. Auch Červinka < 13> schließt sich dieser Kritik an.

Die Zahl siedlungsgeschichtlicher Arbeiten entspricht der Bedeutsamkeit, die dieser Forschungszweig heute gewonnen hat. Freilich sind auch diese Beiträge von


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ungleichem Werte. So darf Aschenbrenners <1936, 1570> Siedlungsgeschichte Nordböhmens lediglich als vorläufiger Überblick angesprochen werden, der allseitiger Vertiefung und Ausweitung bedarf. Erheblicheres Gewicht besitzt hingegen Käublers <1936, 1571> Arbeit über die ländlichen Siedlungen des Egerlandes. Sie verrät alle Vorzüge der Arbeiten, die der Schule Kötzschkes entstammen. K. ging es namentlich auch darum, slawische und deutsche Siedlungen schon der Form nach auseinanderzuhalten. Blau <S. 20, Nr. 361> setzt seine früheren siedlungsgeschichtlichen Böhmerwaldstudien für die deutschen Siedlungen im Chodenwalde, besonders über die zehn deutschen privilegierten Dörfer auf der Herrschaft Kauth und Chodenschloß fort, wobei er eine Fülle neuen Stoffes ausbreitet. Dabei überwiegen, Blaus Neigungen entsprechend, die volkskundlichen Teile. Die Familiengeschichte tritt stark in den Vordergrund. Der jüngere Landesausbau wird gebührend berücksichtigt. Zatschek <S. 87, Nr. 1646> erweitert auf Grund erneuter Urkundenüberprüfung die Siedlungstätigkeit des aus Oberösterreich zugewanderten Geschlechtes der Witigonen in Südböhmen, die sie nicht zuletzt auf Kosten der Przemysliden, aber auch in hartem Ringen mit den Klöstern Goldenkron und Hohenfurth betrieben. Methodisch neue Wege schlägt Maydell <S. 87, Nr. 1637> für Nordwestschlesien ein, dessen Siedlungsgeschichte er durch weitgehende Heranziehung der Siedlungsformenforschung zu erhellen trachtet. Gerade weil M. der beste Kenner der Siedlungsformen der Sudetenländer ist, dürfen seine Ergebnisse volle Beachtung verlangen. Weinelt <S. 78, Nr. 1476>, der sich durch gleich gute Kenntnis der sprachwissenschaftlichen und geschichtlichen Arbeitsweisen auszeichnet, trachtete durch Zusammenschau der Ergebnisse der verschiedensten Forschungszweige das gleiche Nordwestschlesien in bestimmte kleinere Kulturlandschaften aufzugliedern. Um die Klärung der Frühgeschichte Braunaus und des Braunauer Ländchens bemüht sich Šimák < 103>, wobei er freilich längst erarbeitete deutsche Forschungsergebnisse (vgl. meinen 1930/31 in den Deutschen Heften f. Volks- und Kulturbodenforschung erschienenen Aufsatz: »Die Besiedlung der Sudeten im MA.«) außer acht läßt. Richter < 92> überprüft nochmals die Ansichten über die Entstehung der Stadt Brünn.

Als unentbehrliche Stütze dient der Siedlungsgeschichte die Namensforschung, die auch heuer wieder beachtliche Leistungen aufzuweisen hat. Schwarz <S. 4, Nr. 57; S. 29, Nr. 537> gibt in zusammenfassenden Berichten über die Einzeluntersuchungen zur sprachlichen Volksforschung in den Sudetenländern Auskunft. Fischer <1936, 472> handelt über die slawischen Ortsnamen des Egerlandes, wodurch er die früher genannte Arbeit Käublers wesentlich unterstreicht. Ein Musterbeispiel für die Verbindung der Ortsnamenforschung mit der Siedlungskunde legt Gierach <1936, 473, 474> für den Friedländer Bezirk vor. Diese Untersuchung erhält vor allem dadurch ihren Wert, daß eine Unzahl historischer Belege durch eigene Archivarbeit bereitgestellt und für die Deutungen der Ortsnamen mit herangezogen werden. Gleich musterhaft bearbeitete Weinelt <S. 29, Nr. 538> die Flurnamen des Bezirkes Freudenthal. Auch ihm kam es auf die Herstellung einer engen Verbindung zwischen Flurnamenkunde und Siedlungsgeschichte an.

Hosák < 28> brachte soeben ein historisch-topographisches Wörterbuch Mährens und Schlesiens zum Abschluß, das etwa dem Seitenstück Sedláčeks für Böhmen entspricht. Er hat sich darum bemüht, für jeden einzelnen Ort eine tunlichst


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große Fülle ortsgeschichtlichen Materials aufzustapeln, so daß jeder, der sich in die Geschichte eines Einzelortes einarbeiten will, zuerst nach diesem Hilfsmittel greifen wird.

Ein in seiner Weise einzigartiges Buch legt Burk < 7> mit seiner Häusergeschichte von Seelowitz in Mähren vor. Denn B. läßt hier wirklich das Wachstum eines Ortes von innen her vor unserem Auge erstehen. Die Bevölkerungs- und Besitzverschiebungen erfahren ebenso eine liebevolle Darstellung, wie die Schicksale der deutschen Bauern, die von Wojkowitz allmählich und still in Seelowitz eingesickert sind.

Auf ein anderes Sonderfeld führt neuerdings Weinelt <S. 80, Nr. 1516> mit seinen Aufsehen erregenden Arbeiten über das Burgenwesen. Seiner Darstellung über die Burgen des Freiwaldauer Bezirks läßt er nunmehr eine gleichgeartete über den Schönhengstgau folgen. Auch hier glaubt er die Schuchhardtschen Thesen über die sächsische und normannische Burg neuerlich erhärten und damit ein neues Beweismittel für die Herkunft der Siedler bereitstellen zu können.

Schließlich sorgen Cibulka-Sokol und Poche < 99> für eine mustergültige Bearbeitung der künstlerischen und geschichtlichen Denkmäler der Bezirke Landskron und Königinhof.


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