a) Bis 1378.

Der schon lange währende Streit um die Bewertung des ältesten Deutschenprivilegs in Prag wird von Weizsäcker <S. 41, Nr. 759> sehr energisch und erfolgreich fortgeführt. Während die tschechischen Forscher ihren ganzen Scharfsinn dem Bestreben liehen, dieses Privileg dadurch zu entwerten, daß eine Fülle von Bestimmungen als spätere Einschübe entlarvt werden sollten, trägt W. eine erdrückende Menge an Beweisen für die Echtheit des gesamten Privilegs zusammen. Schließlich fügt er seinem Aufsatz einen Neudruck des Privilegs hinzu.

V. Novotný < 74>, der 1912 mit einer breitangelegten »Böhmischen Geschichte« einsetzte, mußte das Werk unvollendet verlassen. Daher wurde auch der letzte, der Zeit Przemysl Ottokars II. gewidmete Teil nicht mehr fertig. Die Darstellung bricht mit dem Jahre 1271 ab, so daß N. zu einer Gesamtkennzeichnung dieser Herrscherpersönlichkeit nicht mehr fortschreiten konnte. Dafür vermochte er ein eingehenderes Bild des verfassungsmäßigen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aufbaus zu zeichnen, während der Abschnitt über die ostdeutsche Kolonisation viel zu kurz geraten ist. Diese Tatsache bestärkt uns in der Auffassung, daß N. nicht die Neigung oder Einsicht besaß, die ostdeutsche Kolonisation als das große Ereignis der Sudetenländer im 13. und 14. Jh. zu begreifen. Daher ist es zu begrüßen, daß Šimák dieser Bewegung einen Sonderband widmete, über den wir nächstens berichten. Novotnýs böhmische Geschichte ist vorläufig ein Torso geblieben und es wird vieler Mühe bedürfen, die Lücken zu schließen. Für Przemysl Ottokar II. vermag leider das gleichzeitig erschienene Buch von Kadlec <S. 45, Nr. 832a> auch nicht annähernd einen Ersatz zu bieten, da es nach der Art eines Emil Ludwig die Phantasie frei schalten läßt und mit Wissenschaft kaum etwas zu tun hat.

Einen wichtigen Vorstoß gegen festgefügte Thesen für die Zeit Karls IV. unternahm Schmitt <1936, 397> mit dem Nachweise, daß man von einer Begründung der neuhochdeutschen Schriftsprache durch die Kanzlei Karls IV. nicht sprechen könne. Vielmehr sei diese Schöpfung das Ergebnis eines viel länger währenden Vorganges, der vor allem mit der Ostlandwanderung des deutschen Volkes


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und dem dadurch erzeugten Sprachausgleich ursächlich zusammenhängt. Mittelpunkte für die Anwendung dieser Ausgleichssprache waren dann vor allem die Kanzleien von Nürnberg und Meißen, später auch Prag. -- Das Rätsel, das über der Reise Karls IV. von 1377/78 nach Frankreich lag, wird nun durch die Einleitung Šustas zu einer Ausgabe französischer Berichte über diese Kaiserfahrt < 8> dahin beantwortet, daß weitreichende politische Pläne, die mit den Schicksalen Ungarns und Polens zusammenhingen, beredet worden sind.


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