V. Rechts-, Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte.

Schreiber <1936, 2003> untersucht die für die böhmische Landesverfassung bezeichnende Erscheinung, daß das Elbogener Land im MA. zeitweilig als zum Reiche gehörig betrachtet worden ist und daß es eine ähnliche Stellung wie das Egerland einnahm. Diese Verselbständigung, die sich erst für das 14. Jh. feststellen läßt, wurde von den böhmischen Fürsten als Gegenmittel gegen die stets wirksame Zugkraft des Reichs verwendet. Im Lehenswesen, Gerichts- und Steuerbereiche war das Elbogener Land weitgehend auf sich gestellt. Daß diese Landschaft in deutsche Reichslandfrieden mit eingeschlossen und zur Zahlung von Reichssteuern herangezogen wurde, läßt diese Erscheinung doppelt bedeutsam erscheinen. Sie wird freilich ohne Berücksichtigung der Tatsache, daß es sich um volklich deutsches Land handelt, kaum restlos erklärt werden können. Schreiber selbst hat durch die Behandlung des »Lehenbuches des Elbogener Hauptmanns Albrecht von Stoben«, Unser Egerland, 40, 1936, die Wege zur Vertiefung des Wissens um diese verfassungsrechtlichen Sonderverhältnisse gewiesen. --Kazda < 42> verfolgt die Veränderungen der räumlichen Ausdehnung des Berauner und Podbrdyer Kreises seit dem MA. und fügt ein Verzeichnis der Kreishauptleute von 1474--1850 bei.

Wichtige Richtweiser für die Einrichtung der öffentlichen Verhältnisse in den einzelnen Ländern bleiben die Landesordnungen. Für Mähren bespricht Čáda < 121> die Entstehung des Begriffes Landesordnung, der aus einer Verquickung der ursprünglichen Landfriedensordnungen und der Landtagsbeschlüsse hervorging. Um die Bestätigung ihrer Rechte ersuchten die mährischen Stände Ferdinand I. schon 1532, bis er ihnen dies 1535 zugestand. Dieses Rechtsdenkmal, das 1562 neu gedruckt wurde, veröffentlicht nun Č. -- Welche Schwierigkeiten oftmals mit der Erneuerung einer Landesordnung verbunden waren, schildert Glücklich < 23> für Böhmen sehr anschaulich, wo seit 1564 das Bemühen um eine Verbesserung und Veränderung der Landesordnung nicht mehr abriß. Schließlich lagen vor dem Ausbruch des böhmischen Aufstandes drei verschiedene Fassungen einer solchen Landesordnung vor, die G. nunmehr abdruckt und die 1627 für die bekannte Verneuerte Landesordnung mehrfach herangezogen wurden. -- Dem nicht sonderlich tiefgreifenden Überblick Jurášeks < 38> über die Entwicklung der Prager Finanzprokuratur entnehmen wir die sprachenrechtlich wichtige Tatsache, daß die Instruktionen für die Finanzprokuratoren seit 1530 deutsch geschrieben


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waren und daß seit Maria Theresia in der Finanzprokuratur nur deutsch amtiert wurde.

Vaněček < 112> setzt seine Studien über die Klosterimmunität fort und kommt zu der, wie wir glauben, richtigen Ansicht, daß die Grundherrschaft nicht etwa erst der Immunität ihre Entstehung verdankt, sondern daß sie schon vor der Erteilung von Immunitätsrechten bestand und vielleicht bis ins 10. Jh. zurückreicht. Damit ergibt sich auch eine Freisprechung der deutschen Kolonisation von all den üblen sozialen Folgen, die mit der grundherrschaftlichen Ordnung unlöslich verknüpft sind, was um so bedeutsamer ist, als wir ähnliche Ansichten gegenüber der polnischen Forschung bisher erfolglos verfochten haben. V. behandelt die wirtschaftliche Immunität in allen Einzelphasen. Ausständig ist noch die Darstellung der Gerichtsimmunität.

Weizsäcker <S. 113, Nr. 2138, 2139> deutet den Rahmen an, in welchem sich eine sudetendeutsche Rechtsgeschichte zu bewegen hätte, und weist auf eine Reihe tschechischer Neuerscheinungen hin, die hiezu nützliche Beiträge beisteuern. Er selbst zeigt mit seiner Studie über das Eindringen und die Verbreitung des deutschen Rechtes in den Sudetenländern <S. 108, Nr. 2043> einen der möglichen Wege zu ihrem Aufbau. Auf Grund umfassender Vorarbeiten vermag er nunmehr eine Karte dieses Vorganges vorzulegen, aus der die Süd- wie Nordeinflüsse und die sich bildenden Knoten- und Ausstrahlungspunkte abzulesen sind. --Schubart-Fikentscher <S. 108, Nr. 2044> beschäftigt sich neuerlich mit dem Brünner Schöffenbuch, das sie nunmehr in seiner Gesamtheit würdigt. --Rollmann <S. 121, Nr. 2290> beantwortet die Frage nach den Einwirkungen des Dreißigjährigen Krieges an Hand der Verwaltungs- und Finanzgeschichte der Stadt Karlsbad in diesem Zeitraum. -- In einem großen Überblick über die Entwicklung der Gemeindeordnungen in den böhmischen Ländern hebt Kliment < 44> die Tatsache hervor, daß der Begriff »Gemeinde« erst 1848 auf die niederste Verwaltungseinheit beschränkt wurde, daß er vordem meist den Städten vorbehalten blieb, so daß K. auch eine Übersicht der städtischen Verwaltungseinrichtungen entwirft. An dem wichtigen Sonderbeispiele Prag geht Kratochvíl < 46> diesen Zusammenhängen für die Zeit nach 1848 nach, in der die Stadtverwaltung fast ausschließlich in tschechische Hände überging. Er bezieht die Zeit bis 1928 in seine Darstellung ein.

In den Bereich des böhmischen Landrechtes gehören Markovs < 64> Untersuchungen über die böhmischen Klageformulare, die offenbar im Zusammenhange mit Ottokars II. Rechtsreformen entstanden, unter Karl IV. weitergebildet wurden, um dann von neuen Rechtsgedanken verdrängt zu werden. -- Für die Praxis des Strafrechtes im späteren MA. und in der frühen Neuzeit gewinnt die Sammlung von Foltergeständnissen und den darauf aufgebauten Verurteilungen, die Oberpfalcer < 75> herausgibt, eine gewisse Bedeutung. Er entnahm diese Geständnisse den »Schwarzen Büchern«, über die er in einer sachlich wenig ergiebigen Einleitung ebenso Auskunft gibt wie über den Vorgang der Folterung.


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