VII. Kirchengeschichte.

Zum 60. Geburtstage überreichte der Tschechische Historische Klub Krofta 24 seiner Sonderuntersuchungen zur böhmischen Kirchengeschichte als Sammelband < 49>, die den verschiedensten Fragen der Zeit von Wenzel d. Hl. bis Komenský gewidmet sind. Ihr größerer Teil entfällt auf die Hussitenzeit und deren Auswirkungen. Dem Bande ist ein erschöpfendes Verzeichnis der bisherigen Schriften Kroftas beigegeben. --Neumann < 69> stellt eine Reihe brennender Fragen der böhmischen Kirchengeschichte zur Erörterung. Sie umfassen die Zeit vom 14. Jh. bis zum Weltkrieg. N. ist redlich bemüht, überall die katholischen Auffassungen gegen die weltlichen, hussitischen und protestantischen tschechischen Historiker zur Geltung zu bringen. So trachtet er die Behauptungen über die Verderbtheit der Geistlichkeit in der vorhussitischen Zeit abzuschwächen und die katholischen Märtyrer gegenüber einem Hus und anderen Wortführern der Hussitenbewegung zur Geltung zu bringen. Er will weiterhin nachweisen, daß Verbreitung des Protestantismus und des Deutschtums Hand in Hand gingen, daß hingegen Gegenreformation und Barockzeit keineswegs ohne Nationalbewußtsein gewesen seien. Er will gerade der katholischen Kirche einen


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großen Anteil am nationalen Erwachen des tschechischen Volkes zubilligen. Auch für die Weltkriegszeit vermißt er eine gebührende Wertung des katholischen Anteils am Befreiungswerke der Tschechen.

Neumann < 71> beschäftigt sich gleichzeitig eingehender mit dem Zustande der böhmischen Klöster in der vorhussitischen Zeit, wobei er über das innere Klosterleben wie über die äußere Stellung dieser geistlichen Anstalten Auskunft gibt. Oberster Zweck bleibt ihm freilich der Nachweis einer verhältnismäßig großen Sittenreinheit der Geistlichkeit, was er dadurch erreichen zu können trachtet, daß er nur etwa 20 v. H. der Geistlichen für sittlich verderbt hält. Dennoch muß mit Nachdruck darauf hingewiesen werden, daß dies ein außerordentlich hoher Hundertsatz bleibt, da vor allem die verderbliche Wirkung des bösen Beispiels in Rechnung gestellt werden muß. Daß manches in der damaligen Kirche tatsächlich faul war und nicht von den vorhussitischen Reformpredigern erfunden wurde, macht Schreiber <S. 126, Nr. 2392> an der Wirksamkeit des deutschen Predigers Johann von Mies erneut deutlich. --Červenka < 12> führt den Nachweis, daß der Prager Erzbischof Jenzenstein einem Geschlechte bürgerlich-deutschen Ursprungs entstammt. Er behandelt dann Jenzensteins Aufenthalt in Paris und seine Wirksamkeit als Bischof von Meißen (1375--1378). --Odložilík < 76> faßt die bisher erarbeiteten Ergebnisse über das Verhältnis von Böhmen zu Wyclif zusammen. Flajšhans < 20> vertritt die Meinung, daß in Böhmen viel mehr Wyclifschriften verbreitet gewesen seien, über die nur deswegen so wenig bekannt sei, weil sie 1410 verbrannt wurden. Hus und seine Anhänger hätten alle Hände voll zu tun gehabt, nur um diese Schriften zu verdauen und dann durch das Wort weiterzuverkünden, so daß sie zu eigenen Arbeiten überhaupt nicht gekommen seien.

Eine äußerst dankenswerte, durch eine Karte verdeutlichte Studie über die Verbreitung der mährischen Brüdergemeinden legt Hrejsa < 32> vor. Daraus geht eindeutig hervor, daß diese religiöse Bewegung in der Hauptsache eine tschechische Angelegenheit gewesen ist und nur im Kuhländchen ins deutsche Volksgebiet übergriff. Die Zahl der ermittelten selbständigen Pfarrgemeinden, für deren jede er eine Menge Stoff zusammenträgt, war 86.

Mit einer stark katholisch apologetischen Tendenz schildert A. Blaschke: Die Pfarreien der ehemaligen Herrschaften Sternberg, Eulenberg, Rabenstein zur Zeit des Protestantismus in Nordmähren 1521--1625 (= Práce z hist. semináře CM fakulty bohoslov. v Olomouci 18, 1937, 107 S., hektogr.), das Eindringen des Protestantismus in das genannte Gebiet, aber auch dessen Verfall nach der Schlacht auf dem Weißen Berge. Dedic <1936, 2411> untersucht den gleichen Gegenstand für die Stadt Olmütz. Mit einer beachtlichen Belesenheit geht Schreiber <S. 130, Nr. 2460> dem Kampfe um den Laienkelch in Böhmen nach. Auch die Katholiken strebten nach dem Kelch und sahen darin ein Versöhnungsmittel mit den Altutraquisten. Als der Kelch den Katholiken gestattet wurde, blieben jedoch die erwarteten Wirkungen aus, da es noch andere Streitpunkte gab, in denen die römische Kirche nicht nachgab. Im Laufe des 16. Jh.'s setzte sich die unduldsamere (jesuitisch-südländische) gegenüber der gemäßigten deutschen Richtung durch. -- Ein einprägsames Bild des nordböhmischen Pfarrers Johann Nysius, eines eifrigen Verfechters der Gegenreformation, zeichnet A. Ernstberger in der Festschrift für Wostry <= S. 14, Nr. 232>. --Šimák < 102> setzt die Herausgabe der Beichtverzeichnisse der Prager Erzdiözese für das letzte Drittel des 17. Jh.'s fort. --Neu-


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mann < 70> kommt erneut auf das Verhältnis des Katholizismus zur tschechischen Nation in Südwestmähren zu sprechen, wo er gleichfalls seine Auffassung bestätigt findet, daß die niedere Geistlichkeit eine feste Stütze der nationalen Bewegung war und daß der höhere Klerus die Predigt in tschechischer Sprache geradezu gewünscht habe. --Bednář < 2> behandelt die Aussagen jener Evangelischen, die durch das Toleranzpatent Josefs II. wieder Mut zu öffentlichem Auftreten fanden. Bei den daraufhin angestellten Verhören kam zum Vorschein, wie wenig sie von den Glaubensgrundlagen wußten und wie sie vielfach an den äußeren Zeichen Bibel und Kelch hafteten. Lukášeks < 62> Arbeit über den Protestantismus Böhmens im Jahre 1848 bleibt sehr stark im Biographischen stecken. Wilder <S. 126, Nr. 2393> weist auf die engen Zusammenhänge zwischen Siedlungsgeschichte und Kirchenausbau in Südböhmen hin.


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