III. Jugoslawien.

Zur Geschichte der mit dem Slowenentum in Berührung stehenden Deutschtumsgruppen liegen eine Reihe von Arbeiten vor, von denen hier zunächst auf die deutschen eingegangen sei. Eine dankenswerte Übersicht über die seit dem Kriege, besonders in den letzten Jahren, zur Volkstumsgeschichte und den heutigen Bevölkerungsverhältnissen der Untersteiermark erschienenen Schriften gibt Max Schmidt < 77>, wobei neben den deutschen Arbeiten auch die wissenschaftlichen und publizistischen Veröffentlichungen der Slowenen weitgehend berücksichtigt sind. -- Eine Darstellung der Volkszugehörigkeit in der letzten österreichischen Zeit auf Grund der Volkszählung von 1910 geben M. Schmidt und W. Neumann < 78> in einer sehr übersichtlichen Verbindung von Karte und Kartogramm, die dem deutschen Bevölkerungsteil besser gerecht wird als die älteren Volkstumskarten. Die Zahl der Deutschen war mit 74_000 doppelt so groß wie heute und mehr als dreimal so groß wie die jugoslawische Statistik heute als deutsche anerkennt. -- Die Arbeit von G. Werner < 79> über die Verhältnisse im deutsch-slowenischen Mischgebiet


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der Untersteiermark, die in erster Linie dem Gegenwartsbilde dient, berücksichtigt auch die historische Entwicklung, wobei auch neues Material zur Geschichte des Deutschtums im MA. beigesteuert und besonders auf die Entwicklung der Sprachverhältnisse im 19. Jh. näher eingegangen wird. Für den gegenwärtigen Bestand des Deutschtums kommt W. auf Grund einer privaten Zählung auf eine Zahl von 33_600 gegenüber nur 22_000 der staatlichen Zählung von 1930. -- Die geographische Diss. von D. Kraft < 80> über den nordwestlichen Teil des gleichen Gebietes kommt durch die Analyse der heutigen Verhältnisse zu Schlußfolgerungen, die auch für den Historiker von Wert sind, so vor allem in der wirtschafts- und kulturgeschichtlichen Auswirkung der westöstlich gerichteten Hauptverkehrslinie. Auch hier wird historisches Quellenmaterial verwertet und z. T. im Anhang publiziert. -- Daß das deutsche Element in den Städten und Märkten der Steiermark nicht -- wie von gegnerischer Seite vielfach behauptet worden ist -- erst der österreichischen Politik des 19. Jh.'s seinen Ursprung verdankt, sondern schon vorher, zum guten Teil seit dem MA., vorhanden war, zeigt H. Pirchegger < 81> an Hand von leider etwas sporadischen Belegen aus dem 17. und 18. Jh., die leicht vermehrt werden könnten. -- Mit dem westlich benachbarten Abschnitt des deutsch-slowenischen Mischgebietes an der kärntisch-krainischen Grenze zwischen Klagenfurt und Laibach befaßt sich G. Glauert < 83> unter weitgehender Heranziehung auch der slowenischen Literatur. Das Karawankengebirge, im Altertum so gut wie unbesiedelt, wurde durch die um 600 einsetzende Slawensiedlung nur in seinen Randzonen erfaßt, während die deutsche Grundherrschaftskolonisation seit dem Ende des 10. Jh.'s weiter gegen das Hochgebirge vorrückt, das aber im Innern erst von der großen Rodungskolonisation des 12. und 13. Jh.'s in der Form von Einzelhofsiedlungen erschlossen wird. In der Spätzeit der Kolonisation bis zum Ende des 13. Jh.'s entstehen noch Schwaighöfe und Neugereute. Als Flurform steht neben der gewöhnlich unregelmäßigen Einödflur besonders in den höchsten Lagen die Streifen-Einödflur, die auf planmäßige Ansiedlung schließen läßt. Die völkische Zusammensetzung der Siedler wird aus den Hof- und Personennamen erschlossen, wobei G. mit Recht der -- übrigens auch von magyarischer Seite wiederholt übertrieben geltend gemachten -- Skepsis gegenüber den spätma.'lichen Namen entgegentritt. Es ergibt sich hierbei eine alte völkische Gemengelage, wobei die Deutschen, besonders im Einödstreifengebiet, ursprünglich vielfach überwogen. Den deutschen Anteil der Siedler auf der kärntischen Seite berechnet G. auf 50 %, auf der krainischen Seite auf über 20 % und im Hochgebirge auf 33 %.Der Slowenisierungsprozeß beginnt schon um 1300.

Zur Geschichte der deutschen Siedlungen innerhalb der von Kroaten bewohnten Gebiete sind die Untersuchungen von E. Lendl < 91> von Bedeutung, der sich seit seiner Dissertation (Das Deutschtum in der Ilovasenke, 1931) auch weiterhin mit der Frage der Herkunft der deutschen Bevölkerung der slawonischen Sekundärsiedlungen und den für diese Ansiedlungen maßgebenden Vorgängen beschäftigt hat. Es handelt sich hier in der Hauptsache um mittellosen Kolonistennachwuchs aus der Schwäbischen Türkei. -- Neben dieser selbständig erwachsenen jungen Sekundärsiedlung gibt es in Slawonien auch alte staatliche Gründungen, für deren Entstehung H. Kühn < 92> einen Beitrag liefert: Die Besiedlung der Kameralherrschaft Kutjevo, schon in theresianischer


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Zeit geplant, aber durch Gegenintrigen verhindert, geschah unter Joseph II. im Zusammenhang mit seiner neuen Durchsiedlung der Batschka. -- Die jüngste Deutschtumsgruppe dieser Zone, die deutschen Ansiedlungen in Bosnien, behandelt H. Maier < 95>. Sie verdanken ihren Ursprung z. T. der letzten staatlichen Ansiedlung der habsburgischen Monarchie, die bald nach der Okkupation begann und sich bis zum Weltkrieg fortsetzte, wenn auch zeitlich und räumlich mit großen Abständen und ohne große Fürsorge für die angesiedelten Kolonisten. Es waren Musterkolonien zur Erschließung des Landes, die ihren Siedlungsboden weitgehend durch Rodungen selbst gewinnen mußten. Die Siedler wurden zum großen Teil vom ungarländischen und russischen Deutschtum gestellt, aber auch Reichsdeutsche aus den rheinischen und niedersächsischen Gebieten befanden sich darunter, besonders in den Siedlungen, die, wie das schon 1879 von reichsdeutschen Katholiken geschaffene Windthorst, auf privates Gründertum zurückgehen.

Umfangreicher ist die Literatur zur Geschichte der dritten und größten Gruppe des jugoslawischen Deutschtums, der Schwaben in der Batschka und im jugoslawischen Teil des Banats. Die Gemeinden der josephinischen Ansiedlungsperiode in der Batschka konnten in den letzten Jahren das Fest ihres 150jährigen Bestehens begehen und gaben dadurch einer Reihe von Heimatbüchern Gelegenheit zum Erscheinen, die -- wenn auch ohne wissenschaftlichen Ehrgeiz -- immerhin verwertbares Material für die Geschichte dieser Deutschtumsgruppe beisteuern. -- Von wissenschaftlicher gehaltenen Beiträgen sind die von H. Réz < 99> zu erwähnen. -- Material zur gesamten Ansiedlungsgeschichte der Batschka, der Baranya und des Banates, das sich über den ganzen Verlauf des 18. Jh.'s erstreckt, veröffentlichen D. J. Popović und Ž. Sečanski < 97>. Es handelt sich hauptsächlich um Konskriptionen aus dem Hofkammerarchiv in Wien, die allerdings teilweise nur auszugsweise wiedergegeben werden. Die Auswahl ist auf das serbische Volkstum ausgerichtet, aber trotzdem auch für die Geschichte der deutschen Volksgruppe nicht ohne Bedeutung, teils durch die Namen der deutschen Bürger, die frühzeitig in vorher überwiegend serbischen Marktorten, wie Baja, in Erscheinung treten, teils durch die Beleuchtung der Umwelt der deutschen Ansiedlungen. P. gibt in seiner Einleitung der Quellenveröffentlichung ein im wesentlichen zutreffendes Bild von den Bevölkerungsverhältnissen des 17. und 18. Jh.'s und unterstreicht die Ausdehnung des serbischen Siedlungsraumes während der ausgehenden Türkenzeit. Zu berücksichtigen ist hierbei allerdings, wie auch von P. anerkannt wird, daß die serbischen Siedlungen infolge der vernichtenden Kriegsfolgen jeweils keine lange Lebensdauer hatten. Von einer Siedlungskontinuität kann also -- von wenigen Ausnahmen abgesehen -- nicht recht die Rede sein. P. bezieht sich lediglich auf meine Darstellung der österreichischen Bevölkerungspolitik unter Maria Theresia, wo die älteren Siedlungsverhältnisse in der Batschka und im Banat nur kurz berührt werden konnten. Meine ausführlichere Darstellung in den Handwörterbuchartikeln Banat und Batschka, die ihm anscheinend unbekannt geblieben sind, hätte ihm von größerem Nutzen sein können.

Von wissenschaftlichen Untersuchungen einzelner deutscher Siedlungen ist die Arbeit von P. Brežnik < 96> über Franztal zu erwähnen, das schon jenseits der Donau auf der sirmischen Seite bei Semlin liegt. Es ist eine im Jahre 1816 im Militärgrenzgebiet durch den Magistrat der Stadt Semlin im Einvernehmen


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mit dem anfangs zögernden Hofkriegsrat gegründete Siedlung, deren Grundstock von Kolonisten aus der südwestbanatischen Sekundärsiedlung Lazarfeld gestellt wurde. Durch Zuwanderungen direkt aus dem Reich oder aus den übrigen donauschwäbischen Siedlungsgebieten und durch natürliche Vermehrung ist die Bevölkerung heute bis auf 5415 Deutsche und 1201 Serbokroaten angestiegen, von denen die letzteren erst 1927 durch eine Eisenbahneransiedlung in den Ort kamen. Der Herkunft nach ist die schwäbische Bevölkerung bunt zusammengesetzt, trotzdem hat sich ein einheitlicher Dialekt durchgesetzt, dessen Herkunft in der rheinfränkischen Mundart der Gegend von Bitsch zu suchen ist. Um hieraus weitere Schlüsse für die Bevölkerungsgeschichte zu gewinnen, wäre es nötig, auch die Mundart von Lazarfeld zu untersuchen und mit der von Franztal zu vergleichen. Die Arbeit Br.s verdient darum besonderes Interesse, weil sie ein erfreuliches Zeichen für die Mitarbeit jugoslawischer Forscher an den Aufgaben der Deutschkunde des Südostens ist und zugleich ein Beleg für die Tätigkeit des Germanistischen Instituts der Belgrader Universität. -- In der gleichen Reihe erschienen Untersuchungen von L. Weifert < 110, 111> über die deutschen Mischmundarten von Weißkirchen und Werschetz, wobei grundsätzliche Fragen der städtischen Mundartbildung berührt werden. Die Stadtmundart ist infolge der stärkeren Einflüsse der Schriftsprache und des Verkehrs weniger stabil als die Dorfmundart. Während sich in dieser überwiegend das Rheinfränkische durchgesetzt hat, wird die Stadtmundart ständig durch bayerisch-österreichische Einwirkungen abgewandelt. Es läßt sich sogar ein Unterschied in der Sprechweise der nebeneinanderlebenden älteren und jüngeren Generation beobachten. -- Eine der jüngsten Sekundärsiedlungen auf dem Gebiet der ehemaligen Militärgrenze, Rudolfsgnad, dessen Kolonisten 1866 durch Übersiedlung aus Etschka, Siegmundsdorf und anderen banatischen Siedlungen zusammenkamen, wird von E. Schummer < 112> untersucht. Die zum Siege gelangte Mundart verweist auf das Saarland und die südöstliche Rheinpfalz.


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