V. Rumänisches Banat.

Die wirtschaftsgeschichtlichen Voraussetzungen der deutschen Impopulation im Banat, vor allem in frühtheresianischer Zeit, behandelt J. Kallbrunner < 116>. Er zeigt, daß die Intrigen der Ochsenhändlerkompanie, der Nutznießer der expansiven Weidewirtschaft, die der großen spättheresianischen Impopulation so große Schwierigkeiten machten und schließlich an ihrem vorzeitigen Ende mitschuldig waren (vgl. meine Ausführungen, Handwörterbuch, Bd. 1, S. 224 ff., und Einstellung der theresianischen Impopulation, S. 183 ff.), auch schon bei den in der Ausführung nicht sehr weit gediehenen Ansiedlungsplänen in der kurzen Friedenszeit zwischen dem österreichischen Erbfolgekrieg und dem Siebenjährigen Krieg die gleiche Wirkung hatten. Schon damals hat die Korruption in den Kreisen der banatischen Verwaltungsbeamten und das schlechte Funktionieren des bürokratischen Apparates die Pläne einer intensiveren Erschließung des Landes vereitelt. Das Banat behielt bis in die spättheresianische Zeit den Charakter einer dünnbesiedelten konsumarmen Kolonie, die aber durch ihre Bergbau- und Viehzuchterzeugnisse erhebliche Überschüsse abwarf. -- Einzelheiten der spättheresianischen Ansiedlung beleuchtet G. Reiser < 117>. Seine Arbeit über die drei Orte Gottlob, Triebswetter und Ostern wird dadurch besonders wertvoll, daß sie in erster


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Linie die Korrespondenz der Hofkammer mit der banatischen Landesadministration verwertet, deren hier in Betracht kommende Jahrgänge sich im Budapester Landesarchiv befinden. Es handelt sich um den Abschluß der theresianischen Impopulation, die Unterbringung der Reste der großen Einwandererflut von 1770, die erst zwei Jahre später durch den Administrationsrat J. W. von Hildebrandt erfolgte und kurz vor seinem Tode ein vorzeitiges Ende fand. Die Folge war, daß ein Teil der Kolonisten zur galizischen Ansiedlung abwanderte. R. weist nach, daß der Ort Triebswetter nach dem Hauptmann Anton von Triebswetter benannt ist, der seit 1769 bei der banatischen Landesvermessung und der Individualgrundzuteilung tätig war. Wir erhalten ein sehr genaues Bild über den Hausbau, die Schwierigkeiten bei der Ansiedlung, die Schul- und Kirchenverhältnisse. Von den drei Orten war Triebswetter zunächst überwiegend mit französischen Lothringern besiedelt; die Karte der Herkunftsorte, die R. nach der Ansiedlerliste einer Flurkarte von 1774 entwerfen konnte, ergibt ein ziemlich geschlossenes Gebiet zwischen Metz, Nancy und Saarburg, das nur in seinem nordöstlichen Drittel zum deutschen Sprachgebiet gehört. Für die Benutzung der Auswandererlisten von Wilhelm und Kallbrunner (s. oben S. 668) ist wichtig, zu wissen, daß nach Stichproben ein recht großer Teil der 1774 vorhandenen Siedler in diesen Listen nicht nachzuweisen ist. -- In einer Arbeit über Mercydorf < 118> werden irrtümliche Anschauungen über die Bevölkerungsverhältnisse dieser lange Zeit hindurch völkisch gemischten Ansiedlung widerlegt. Zu den Italienern der ersten Ansiedlungsperiode kamen in theresianischer Zeit französische und deutsche Lothringer und andere Deutsche. 1774 gab es neben 115 deutschen Namen nur noch 40 französische, 7 italienische und 4 tschechische. In josephinischer Zeit kamen weitere deutsche Familien in freigewordene Siedlerstellen. Das Franzosentum, zunächst noch dadurch gestützt, daß der Lehrer französischer Herkunft war, wird spätestens zu Beginn des 19. Jh.'s eingedeutscht. Sein Anteil ist in der älteren Literatur überschätzt worden, weil fälschlich diejenigen Franzosen mitgezählt wurden, die hier 1770 vorübergehend einquartiert und dann in anderen Franzosendörfern angesiedelt wurden. -- Eine Schulgeschichte des Banates, die auf reichem Archivmaterial aus Wien, Budapest und Temeswar aufgebaut ist, verdanken wir dem banatischen Forscher Hans Wolf < 119>. Er zeigt, daß das Schulwesen der deutschen Kolonisten schon vor der theresianischen Schulreform in den siebziger Jahren verhältnismäßig gut war. Deswegen hatte sich die Reform vor allem dem Schulwesen der Serben und Rumänen zuzuwenden, die dem Schulunterricht, der in der Muttersprache der Schulkinder abgehalten wurde, einen wesentlichen Teil ihrer kulturellen Entwicklung verdanken. Die aus Nützlichkeitsgründen 1782 von Joseph II. verfügte Einführung der deutschen Sprache im Volksschulunterricht kam nicht zur Durchführung. Der Unterricht in der Muttersprache blieb im Banat erhalten. Nach der Einführung der ungarischen Komitatsverfassung und dem Scheitern des josephinischen Regimes machten sich immer stärker magyarische Einflüsse geltend, die sich vor allem auch gegen das deutsche Schulwesen richteten. -- Eine Übersicht über den Gang der Entwicklung der Nationalitätsverhältnisse im Banat gibt F. Basch < 120> vor allem von dem Gesichtspunkt der verschieden früh und verschieden stark entwickelten völkischen Bewußtheit der einzelnen Nationalitäten. Dem starken, in ihrer Geschichte bedingten politischen Bewußtsein der Serben steht

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das Heimatgefühl der Schwaben gegenüber, die durch die großen Blutopfer, die Schwierigkeiten und Rückschläge bei der Erarbeitung ihres Siedlungsbodens besonders stark im Lande verwurzelt sind. Das gilt aber nur für das Bauerntum, das 1849 in der Petition von Bogarosch immerhin auch zu einer politischen Willensäußerung gelangt ist, während das Stadtbürgertum viel widerstandsloser der Überfremdung anheimfiel. -- Lehrreich für die politische Entwicklung der Nachkriegszeit, die völkische Selbstbesinnung, aber auch für die unerfreulichen Auseinandersetzungen innerhalb des Schwabentums, das einen guten Boden für persönliche Gegensätze abgibt, ist die Sammlung von Reden, Aufsätzen und Broschüren des schwäbischen Politikers K. Muth < 121> aus den Jahren 1921--1935, die vor allem Muths Haltung gegenüber gegnerischen Angriffen rechtfertigen soll. -- Zwei medizinische Dissertationen der Universität München verfolgen den beklagenswerten Geburtenrückgang der Banater Schwaben: E. Jaeger < 122> stellt in einer Übersicht über 50 deutsche Gemeinden des rumänischen Banates fest, daß die Geburtenziffer von 1880--1933 von 54,8 auf 19,2, die Sterbeziffer von 44,7 auf 17,9, also der Geburtenüberschuß von 10,1 auf 1,3 zurückgegangen ist. Diese Zahl ergibt bereinigt eine Bevölkerungsabnahme von 10 auf 1000. -- Die gleiche Entwicklung verfolgt F. Koch < 123> an dem Einzelbeispiel von Lowrin, dessen rascher Bevölkerungsabstieg sogar eine Abnahme von 11 auf 1000 ergibt. Die Abtreibung ist hier schon seit 1856 nachweisbar.


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