IV. Buchmalerei.

Kömstedt < 385> gibt eine Formanalyse der Hauptwerke abendländischer Buchmalerei von den irischen bis zu den kölnischen Miniaturen der Ottonenzeit. Die Ergebnisse dieser Betrachtungsweise sind schwer greifbar. Nordenfalk < 386> teilt bei Anzeige des Werkes von Köhler, Die Schule von Tours, I, 2, einige wertvolle Ergebnisse eigener Forschung mit. So weist er eine weitere turonische Bilderbibel nach, die nach N. dem Kloster St. Maximin in Trier gehört haben und die als unmittelbarer Vorläufer der Viviansbibel kurz vor 846 entstanden sein muß. N. sieht diese Hypothese durch Auffindung einiger Bruchstücke einer solchen turonischen Bibel bestätigt, die er zusammen mit mehreren Seiten aus der 1934 von Bischoff bekanntgemachten turonischen Bibel, München Clm 12_741, abbildet. Die weiteren Ausführungen Nordenfalks beschäftigen sich mit der von Köhler für Tours erschlossenen spätrömischen Bibelvorlage saec. V und mit den Kanontafeln der turonischen Bibeln. --Haeberlein < 387> behandelt in seiner Marburger


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Diss. das Evangeliar Ms. theol. 59 der Landesbibliothek Kassel, das sich lt. hs. Eintragung bis 1773 im Kloster Hardehausen (Kreis Warburg) befand. Die Hs. war 1928 in Marburg ausgestellt und wurde durch den Katalog dieser Ausstellung bekannt, der 1932 unter dem Titel »Religiöse Kunst aus Hessen und Nassau« erschien. H. gab hier bereits eine Beschreibung und Abbildungen (Textbd. Nr. 138, Tafelbd. I, 152--167). H. vermutet, daß die Hs. zwischen 1155 und 1165 (nach dem Katalog zwischen 1150 und 1170) in Helmarshausen für das Kloster Lippoldsberg hergestellt sei. Man würde gern bei dieser Gelegenheit über die Bibliotheksgeschichte von Lippoldsberg und Hardehausen mehr hören als das vom Verf. S. 70 bis zur Unverständlichkeit verderbte Zitat aus der Lippoldsberger Chronik MGH SS XX 556, das durch Becker Nr. 88 und Gottlieb Nr. 851 richtig bekannt war. Die Angaben über den Inhalt der Hs. sind nicht zureichend und voll von ärgerlichen Fehlern bei Wiedergabe lateinischen Textes. Die Hexameter auf den vom hl. Georg gehaltenen Spruchbändern des Widmungsbildes liest der Verf. z. B. so: »Suum quia patronus vester coelio colonus vos pietate dei iugam vergat at requiei« (S. 19; ähnlich auch in dem o. e. Ausstellungskatalog), statt richtig: »Sum quia patronus vester caelique colonus vos pietate dei iungam vere requiei« (vgl. Taf. 161 des Katalogs). Die kunstgeschichtlichen Ausführungen des Verf. in deutscher Sprache sind ebenso schwer verständlich wie seine Zitate in lateinischer. --Reinecke < 388> untersucht drei Lüneburger Hss. aus der Zeit um 1400: ein Missale Romanum, das dem Lüneburger Kaufmann Gherard Wevelkoven gehörte, ferner zwei Pergamenthss. des Sachsenspiegel und Schwabenspiegel. Die Miniaturen dieser drei Hss. schreibt R. (mit zwei Ausnahmen) unter entschiedener Ablehnung aller entgegenstehenden Meinungen einem Lüneburger Meister zu, der mit dem Maler der Goldenen Tafel identisch sei. Da der Abhandlung keine Abbildungen beigegeben sind, ist eine Stellungnahme nicht möglich. --Jerchel < 389> nimmt eine Gruppierung böhmischer Buchmalereien aus den Jahrzehnten um 1400 vor. Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen die Miniaturen des für den Prager Erzbischof Zbinko von Hasenburg geschriebenen, 1409 vollendeten Missale (Wien NB, Cod. 1844) und die Wiener und Antwerpener Wenzelsbibeln. Der Einfluß dieser böhmischen Schule auf die Mettener Buchmalerei um 1415 wird charakterisiert. -- Die Arbeit von Wit < 390> ist eine kritische Auseinandersetzung mit dem 1923--26 erschienenen Werk von Byvanck und Hoogewerff über die nordniederländische Hss.-Illustration, dem Wit einige unbeachtete oder schlecht bekannte Hss. hinzufügen kann. Wit entwickelt über Ursprung, zeitliche Ordnung und Herstellungsart der Utrechter illuminierten Hss. aus der Zeit von etwa 1400--1470 neue Ansichten. Der Vf. macht es glaubhaft, daß diese Hss. nicht von den Mönchen der Karthause Nieuw Licht bei Utrecht, sondern von Utrechter Laienmalern herrühren. Wie man sich diese Anfertigung durch eine Gruppe von Illuminatoren vorzustellen habe, wird in Kap. IV durch Untersuchung zweier Werkgemeinschaften (1. des Kreises um den Meister von Zweder von Kuilenburg, 2. ausführlicher und überzeugender der Werkstatt der Haag-Brüssel-Bibeln) geklärt. Von allgemeinem Interesse ist die Schlußfolgerung, daß die Hss. der letztgenannten Werkstatt von einem an der eigentlichen Arbeit unbeteiligten Unternehmer geliefert wurden, der das Schreiben und Ausmalen jeweils an zahlreiche Personen vergab, also eine Verlegertätigkeit ausübte. Wenn diese Auffassung Wits zutrifft, haben wir in

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Utrecht zu Anfang der 30er Jahre eine ähnliche Erscheinung festzustellen, wie die von Kautzsch an der gleichzeitigen Hagenauer Werkstatt Diebolt Loubers zuerst beobachtete und auch sonst inzwischen für das 15. Jh. nachgewiesene fast fabrikmäßige Herstellung von Hss. Aus einer Besprechung von Boinet (Bibliofilia 40, 1938, S. 350--355) ersehe ich, daß Byvanck ebenfalls 1937, aber wohl noch ohne Kenntnis der Diss. von Wit, die nordniederländische Buchmalerei erneut behandelt hat (La miniature dans les Pays-Bas septentrionaux. Paris, Ed. d'art et d'histoire). Das Werk war mir noch nicht zugänglich, aber aus der Rezension Boinets entnehme ich, daß B. auch hier die von Wit bekämpfte Ansicht von der besonderen Bedeutung der Karthause Nieuw Licht für die Utrechter Buchmalerei vertritt.


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