§ 10. Münzkunde

(A. Suhle)

Im Jahre 1938 starb am 14.2. Prof. Dr. W. Schwinkowski, Leiter des Dresdner Münzkabinetts; dieser begann seine Laufbahn mit einer vorzüglichen Arbeit über »Das Geldwesen in Preußen unter Herzog Albrecht (1525--1569)« in der Zeitschr. f. Num. Bd. XXVII und hat dann sich ausschließlich mit dem sächsischen Münzwesen beschäftigt, über das er eine Anzahl grundlegender Abhandlungen hinterlassen hat; leider ist von seiner sächsischen Münzgeschichte im MA. nur der Tafelband »die meißnischen Brakteaten« erschienen (Fkf. a. M. 1931), zu dem der Textband im Manuskript noch von Schw. fertiggestellt werden konnte (Nachruf in den Bl. f. Mfr. 1938, S. 201, u. Dtsch. Mzbl. 1938, S. 45 mit Schriftenverzeichnis).

Nach langen Verhandlungen ist es endlich gelungen, in der Zeitschriftenfrage in der Numismatik eine Einigung zu erzielen, und so konnte im verflossenen Jahre der erste Band der neuen Zeitschrift mit dem Titel »Deutsches Jahrbuch für Numismatik« erscheinen; sie ist die Fortsetzung der drei bisherigen großen Jahreszeitschriften, der Zeitschrift für Numismatik, hrsg. vom Berliner Münzkabinett, der Wiener Numismatischen Zeitschrift und der Mitteilungen der bayrischen numismatischen Gesellschaft, und wird von Bernhart, Dworschak, Gebhart, Liegle und mir herausgegeben. Auf die im 1. Band enthaltenen Aufsätze gehe ich im Zusammenhang noch näher ein < 445>.

Als wichtigste Publikation in Buchform liegt die Bearbeitung der Münzen von Osnabrück von Karl Kennepohl vor < 463>. Dieser hat auf Grund zahlreicher neuer Münzfunde und einer langjährigen Durchforschung von öffentlichen und privaten Sammlungen eine nach heutigen Grundsätzen gearbeitete neue Darstellung der Osnabrücker Münzen gegeben, die nun an Stelle der alten von Hermann Grote vor über 50 Jahren geschriebenen tritt. Das Buch zerfällt in vier Teile: 1. Allgemeiner Teil; 2. die Münzen der Bischöfe und des Domkapitels; 3. die Münzen der Stadt Osnabrück; 4. die Münzen des Kollegiatstiftes und der Stadt Wiedenbrück. Im ersten Kapitel des allgemeinen Teils behandelt K. das Münzrecht der Osnabrücker Bischöfe. Hier verficht er noch einmal die Echtheit der Münzrechtsverleihungsurkunde von König Arnulf vom 13. Oktober 889 (Böhmer-Mühlbacher Nr. 1829); doch ist an der Fälschung nach den Untersuchungen von M. Tangl (Archiv f. Urk.forschg. 2, 186 ff., 218 ff. und Leben des Bischofs Benno II. von Osnabrück in den Geschichtsschr. 91 S. 30 Anm.), die K. entgangen zu sein scheinen, nicht zu zweifeln; der Urheber der Fälschung ist der Bischof Benno II. (1068--1088) selbst gewesen. Im folgenden


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Kapitel wird das Einflußgebiet des Osnabrücker Geldes gezeigt, das vom Anfang des 13. bis zum Anfang des 15. Jh.'s ziemlich groß war, wie sich das aus dem Vorkommen Osnabrücker Pfennige in Urkunden ergibt. Es wird dann noch die Rechnungsweise des Osnabrücker Geldes behandelt. Die Münzprägung in O. beginnt in der Zeit der Ottonen mit Nachahmungen Kölner Pfennige, die zuerst entstellte Umschriften derselben und später den Stadtnamen tragen. Die ersten Pfennige mit Namen eines Bischofs sind von Arnold (1173--1190) geschlagen worden, also erst in der Stauferzeit. Es ist dann bezeichnend, daß in Osnabrück ebenso wie in Münster an der alten Währung aus karolingischer Zeit bis an den Anfang des 15. Jh.'s festgehalten wird; die letzten ma.-lichen Pfennige rühren von Bischof Dietrich von Horn (1376--1402) her. Während man im Westen bereits schon seit längerer Zeit Goldgulden und Groschen prägte, geschah das in Osnabrück erst in der zweiten Hälfte des 15. Jh.'s, vorher behalf man sich mit fremden Groschenmünzen, u. a. Prager Groschen, die durch Gegenstempelung umlaufsfähig gemacht wurden; auch Witten der Hansestädte wurden vielfach verwandt. In der Neuzeit spielte Osnabrück in münzgeschichtlicher Hinsicht keine selbständige Rolle mehr; es war zu klein, um sich gegenüber den Münzen der großen Nachbarn durchzusetzen; auch unterhielten die Bischöfe, die gewöhnlich in ihrer Hand noch andere Bistümer vereinigten, auf über ein Jh. gar keine Stiftsmünze, erst 1656 wurde in dem kleinen Flecken Melle eine solche errichtet, die einige Jahrzehnte bestand. Später, von 1701 bis 1725, wurde noch einmal in Osnabrück selbst geprägt; der Bischof Friedrich von York aus dem Hause Braunschweig-Lüneburg hat dann noch 1766 in Hannover Osnabrücker Münzen schlagen lassen. Da somit in der Hauptstadt des Landes selbst kaum Münzen geschlagen wurden, kam es, daß diese sich selbst half, und zwar durch Ausgabe von Kupfermünzen seit 1566/67; das war kein Geld in reichsgesetzlichem Sinne, sondern nur eine Art Notgeld, das zu seiner Ausprägung keiner landesherrlichen Erlaubnis bedurfte. Kupfergeld ist in Deutschland erst um die Mitte des 18. Jh.'s offiziell als Scheidemünze ausgegeben worden. Die Stadt Osnabrück hat dieses Geld in 12-, 9-, 8-, 6-, 4-, 3-, 2-, 1½-, 1-, ½-Pfennigstücken, daneben auch in 10- und 5-Pfennigen, bis 1805 geschlagen, worüber K. eine Tabelle auf S. 321 f. gibt. Diesem Beispiel hat sich dann auch die Stadt Wiedenbrück im Stift angeschlossen, die sich hierzu aber die landesherrlische Genehmigung 1596 holen mußte. Im Ganzen sind es 580 Nummern, die K. gewissenhaft und sorgfältig beschreibt. Seine münzgeschichtlichen Bemerkungen am Beginn der einzelnen Abschnitte oder im Text sind klar und anschaulich geschrieben, wobei man überall die deutliche Empfindung hat, daß wirklich alles, was sich überhaupt zu den besprochenen Prägungen sagen läßt, herangeholt worden ist. Es ist somit eine Osnabrücker Münzgeschichte entstanden, die sobald nicht überholt werden wird. Zugleich ist es bei der Liebe, mit der es von K. geschrieben ist, ein vorzügliches Buch zur Vertiefung in die Geschichte seiner Osnabrücker Heimat.

Außer diesem Werk ist ein Teilband der pfälzischen Münzen des Hauses Wittelsbach erschienen, der von Alfred Noß, dem bekannten rheinischen Münzforscher, bearbeitet ist < 480>; es sind die Münzen der drei Seitenlinien von Pfalz-Zweibrücken, nämlich Pfalz-Veldenz, Pfalz-Neuburg und Pfalz-Sulzbach. Pfalz-Veldenz, gegründet 1543, übte die Münzgerechtigkeit in der Grafschaft Veldenz an der Mosel und in der Grafschaft Lützelstein im Elsaß aus.


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Die Münzprägung beginnt 1570 bzw. 1573 in Veldenz und Pfalzburg, später in Weinburg. Eine umfangreiche Kipperprägung von 24-, 12- und 3-Kreuzern fand später in Rothau im Steinthal im Elsaß statt. Die gesamte Münztätigkeit hört 1674 auf; es sind im Ganzen mit Varianten 262 Nummern, die Noß hat beschreiben können. Die Neuburger Linie beginnt 1569; doch kommt man zur Errichtung von Münzstätten erst zur Kipperzeit; über die Münztätigkeit in dieser bringt Noß auf Grund von Archivalien eine Menge neuer und interessanter Nachrichten. Nach dieser Zeit wird dann die Prägung vor allem durch massenhaften Schlag von ½-Batzenstücken fortgesetzt, zuletzt durch Ausgabe von ⅔-Stücken oder Gulden 1674/1675 nach Zinnaischem Fuß in der sogenannten »kleinen Kipperzeit« beendet. Es sind im Ganzen 154 Nummern von dieser Linie. Den kleinsten Platz in dem Buche von N. nimmt die 1615 gestiftete Sulzbacher Linie ein, von der 1682 nur Dukaten und ¼-Dukaten geschlagen sind. Auf 15 vorzüglichen Tafeln sind die beschriebenen Stücke abgebildet. Daß die Beschreibung mit größter Sorgfalt geschehen ist, bedarf bei dem Rufe des Professor Noß als Verfasser von münzkundlichen Werken keiner besonderen Erwähnung.

Ein drittes Buch ist einer bestimmten Epoche und einer bestimmten Münzart gewidmet; es ist das von mir verfaßte Buch »Münzbilder der Hohenstaufenzeit« < 451>. In ihm sind 40 der schönsten Brakteaten oder Hohlpfennige, auf denen sich die Glanzzeit dieser Zeit des deutschen MA. widerspiegelt, vergrößert wiedergegeben, um auch dem Nichtnumismatiker, vor allem den Freunden ma.-licher Kunst und Geschichte diese prachtvollen Stücke zu zeigen. In einer ausführlichen Einleitung werden die Brakteaten in den historischen Zusammenhang hineingestellt, dann ihre Entstehung und Verbreitung geschildert und eine kunsthistorische Würdigung versucht; den Abbildungen sind bis ins Detail gehende Beschreibungen beigegeben, denen jedesmal ein Text historischen und numismatischen Inhalts folgt, in dem alles Wesentliche zum Verständnis des betreffenden Stückes gesagt ist. Ich hoffe, mit dieser Veröffentlichung, die ein Vorläufer zu einem größeren Werke, nämlich einem Handbuch über die deutschen Münzen der Hohenstaufenzeit, ist, einen wichtigen Beitrag zur Geschichte dieser Zeit gegeben zu haben.

Unter den Abhandlungen zur Münzkunde ist zunächst eine sehr wichtige zu nennen, die in den Zusammenhang hineingehört, daß nämlich die Numismatik jetzt in verstärktem Maße bemüht ist, die Beziehungen zu anderen Wissenschaftszweigen auszubauen. Prof. Jesse hat, wohl angeregt durch das Buch von Niemer, Das Geld, Ein Beitrag zur Volkskunde, einen Vortrag in Gotha auf der Tagung der Geschichts- und Altertumsvereine 1937 gehalten, über das Thema »Münze und Volk« < 446>. Er will in ihm zeigen, welchen Niederschlag die Münze in der Meinung und im Leben und Glauben des Volkes gefunden hat und welche Rückwirkungen wiederum vom Volk auf die Gestaltung der Münze und des Münzwesens ausgegangen sind. Es ist zweifellos, daß durch die Bearbeitung dieses Themas die Münzkunde von einer Seite eine Vertiefung und Bereicherung erfährt, von der man es zunächst gar nicht erwartet hätte.

Zur Münzgeschichte der germanischen Staaten der Völkerwanderungszeit ist wieder eine Abhandlung des Dipl. ing. W. Reinhart < 449> erschienen, der diesmal den Versuch unternommen hat, eine Münzreihe des tolosanischen


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Reiches der Westgoten zusammenzustellen. Das ist sehr schwer, da es keine korrekten Münzen der Westgoten aus dieser Zeit gibt, sondern nur Nachprägungen der römischen Kaiser von Honorius (393--423) an bis zu Anastasius (491--518). Die Identifizierung derselben beruht demnach nur auf Fundorten, Aufbewahrungsorten und stilistischen Momenten, Gesichtspunkte, die alle etwas problematisch sind, nur auf wenigen Stücken befindet sich ein T oder ein N im Felde, wodurch diese als in Tolosa oder Narbonne geprägt mit Sicherheit zu bestimmen sind. -- Der Franzose Le Gentilhomme hat einen interessanten Aufsatz geschrieben über den Umlauf der Sceattas im merovingischen Gallien < 450>. Diese Sceattas sind Silbermünzen, die in England und in Friesland seit der zweiten Hälfte des 7. Jh.'s geschlagen wurden; sie wurden vermutlich durch friesische Kaufleute in Frankreich hauptsächlich in der Bretagne, in Aquitanien und in der Provence verbreitet. Zum merovingischen Münzwesen auf später deutschem Boden liefert Fr. Wielandt einen wichtigen Beitrag < 450 a>. In einem Grabfund bei Lörrach befand sich eine kleine Goldmünze, als deren Münzstätte er mit Recht Bodmann am Bodensee, wo sich später eine karolingische Pfalz befand, ermittelt; es gelingt ihm, auch noch zwei weitere Trienten nachzuweisen, die nur hier geprägt sein können; im Zusammenhang hiermit weist er überzeugend nach, daß sich auch in Zürich Mitte des 7. Jh.'s eine merovingische Münzstätte befunden hat, was bisher teilweise bestritten wurde.

Es ist eine bekannte Tatsache, daß die deutschen Münzen der Ottonen- und Salierzeit zum größten Teil jenseits von Elbe und Oder bis weit nach dem Osten und Norden gefunden werden. So auch die Pfennige der herzoglichen Münzstätte in Regensburg, die in dieser Zeit in großer Menge geprägt worden sind. Hans Gebhart weist in einem Aufsatz < 455> in dem neuen Jahrbuch für Numismatik nach, daß diese durch Böhmen hindurch, von Regensburg über Pilsen nach Prag, dann weiter über Glatz, Zobten oder Nimptsch und Domslau nach Breslau gegangen sind und von dort weiter nach dem Norden, hauptsächlich in den Raum zwischen Oder und Weichsel. G. gibt auch ein Verzeichnis der Funde mit Regensburger Pfennigen, das für die Mark Brandenburg nicht ganz vollständig ist. Im Zusammenhang hiermit stellt er einmal alles zusammen, was über diese Münzfunde, die sogenannten Hacksilberfunde, auf Grund der neuesten Forschungen bekannt ist.

Heimatfunde sind im 10. und 11. Jh. sehr selten; um so wichtiger ist die Veröffentlichung eines solchen durch Wielandt, in dem sich Würzburger und Bamberger Denare befanden, die bei Külsheim (Baden) zutage gekommen sind (Deutsche Mzbl. 1938 S. 58 ff.). Dabei ist interssant, daß dieser Ort den Bischöfen von Würzburg gehörte, die um 1000 hier eine Burg und eine Martinskirche erbauten. Bei den Münzen handelt es sich um 30 Denare Brunos von Würzburg (1034--1075) und 4 Bamberger Denare, den ältesten, die nach der Gründung des Bistums mit dem Heiligen Georg geprägt sind, einer von ihnen offenbar mit der Umschrift »Babenburg«. -- Bernward von Hildesheim (993--1022) hat in seinem Bistum als erster Bischof Pfennige mit seinem Namen geschlagen, und zwar nicht nur in Hildesheim selbst, sondern auch in Mundburg, einer Burg, die Bernward am Zusammenfluß der Oker und Aller zum Schutz gegen die Wikinger erbaute. Dieser Münzstätte widmete O. Meier in außerordentlich breiter Darstellung eine Abhandlung < 462>. Da es außer


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den Mundburger Pfennigen Bernwards auch solche von Bernhard I. von Sachsen (973--1011) und Heinrich von Stade (976--1016) gibt, ist das Problem, wie es möglich ist, daß drei verschiedene Fürsten in derselben Münzstätte ganz ähnliche Pfennige mit ihrem Namen ausgaben. Leider ist es m. E. O. Meier trotz großer Bemühungen nicht gelungen, eine wirklich befriedigende Erklärung dieses Problems zu geben.

Aus der Hohenstaufenzeit veröffentlicht Fräulein Dr. Hagen vom Bonner Landesmuseum einen interessanten Brakteatenfund, der in Weeze (Kreis Geldern) gemacht worden ist < 478>. Er enthielt 1037 Stück, von denen die Hauptmasse aus Magdeburger Moritzpfennigen aus der zweiten Hälfte des 12. Jh.'s, 15 Stück von Otto I. von Brandenburg und 39 Stück von Bernhard von Anhalt bestand. Es ist das eine auffallende Sache, da Brakteaten im Rheinland nicht geprägt wurden und m. W. bisher auch nicht gefunden worden sind. -- Ich selbst konnte 1938 einen für die Münzgeschichte Pommerns wichtigen Fund von über 4000 Hohlpfennigen aus der zweiten Hälfte des 13. Jh.'s veröffentlichen < 457>, die noch zum allergrößten Teil völlig unbekannt waren. Besonders zahlreich sind in ihm die Pfennige aus Wolgast, das dem Fundort Karrin zunächst liegt. Diese Stadt wird dadurch für diese Zeit zu einer bedeutenden Münzstätte, was allerdings bei dem in ihr befindlichen Peenezoll nicht verwunderlich zu sein braucht. Die übrigen Münzen stammen aus Stralsund, Demmin, Loitz (?), Gützkow, Gollnow (?) und unbekannten Münzstätten, aber sicher fast alle aus Vorpommern. Bemerkenswert sind in dem Funde die zahlreichen Unterprägungen, die die bereits bekannte Tatsache, daß die Münzmeister der Hohlpfennige vielfach schon beprägte Stücke als Schrötlinge benutzten, besonders gut bezeugt.

Im Anschluß an das Buch von W. Haevernick, Die Münzen von Köln, Band I, sind zwei Aufsätze entstanden. In dem einen wertet B. Hilliger, der bekannte Forscher auf dem Gebiet der ma.-lichen Metrologie, die Angaben H.s über Gewicht und Feingehalt der Pfennige aus und sucht zugleich einen Sinn in die oft einander widersprechenden Urkundenstellen über den Fuß der Kölner Pfennige hineinzubekommen < 477>. Dann hat sich V. Tourneur in einem Aufsatz in der Revue belge de Numismatique 1937 89. Jahr, Brüssel 1938, S. 17--24, auseinandergesetzt mit der von Haevernick in seinem Buche ausgesprochenen Ansicht über Bonner Sterlinge, die den Namen Johanns von Brabant (1268--1294) tragen. H. möchte nämlich annehmen, daß diese Stücke von dem Erzbischof selbst in Nachahmung der Brabanter Sterlinge geschlagen sind. T. weist m. E. mit Recht auf die Unhaltbarkeit dieser Ansicht hin und verficht die alte Annahme, daß sie von dem Herzog Johann nach der Schlacht von Worringen (1288), in der der Erzbischof gefangen genommen wurde, in Bonn geprägt worden sind.

In einer Festschrift hat der Verein der Münzforscher und Münzfreunde Westfalens einige Aufsätze veröffentlicht, die sich größtenteils auf die Münzkunde Westfalens im Mittelalter beziehen < 476>. In einem Aufsatz von J. Spiegel ist das Material über die Prägungen aus der Stadt Schwerte in der Grafschaft Mark zusammengestellt, das durch einen großen, leider verstreuten Fund sehr bereichert worden ist. Diese Münzstätte bestand nur 30 Jahre, doch sind ihre Erzeugnisse insofern interessant, als sie einen Niederschlag der verwickelten Besitzverhältnisse von Schwerte um die Wende des 14. Jh.'s


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geben. Weiter wäre in dieser Festschrift die Arbeit von Weweler hervorzuheben, der aus seiner Sammlung eine große Anzahl Lippischer Sterlinge veröffentlicht, von denen besonders zahlreich (42 Stück) die Bernhards III. von Lippe sind, der in skrupelloser Weise die englischen Sterlinge nachgeschlagen hat.

W. Haevernick, der augenblickliche Verwalter des Gothaer Münzkabinetts, hat in Gotha 1937 einen schönen Vortrag gehalten, in dem er Ergebnisse der Münzkunde in den Dienst der Verkehrsgeschichte stellt < 473>. Angeregt durch das Buch »Kulturräume und Kulturströmungen im mittelalterlichen Osten« <1936, 233> behandelt er »Raum und Beziehungen des mittelalterlichen Thüringens im Lichte numismatischen Materials«. Es sind besonders die Meißner Groschen, an deren Nachahmung und Gegenstempelung an anderen Orten er zeigt, daß Thüringen-Meißen, Hessen und Ostfalen in dieser Zeit ein einheitliches Verkehrsgebiet bilden. Hier sind die Beziehungen völlig eindeutig, doch scheint es mir, daß man mit Schlußfolgerungen aus numismatischen Denkmälern sehr vorsichtig sein muß, da ja für deren Vorhandensein nicht ausschließlich wirtschaftliche Dinge maßgebend sind.

In den Bautzener Geschichtsheften 1938, S. 36ff. ist ein Aufsatz von P. Bruger über Goldschmiede und Goldschmiedearbeiten im alten Bautzen, den ich in der Literaturübersicht über die Münzkunde erwähnen möchte; in ihm sind nämlich die engen Beziehungen zwischen Münzer und Goldschmied im MA. an Beispielen erläutert, zugleich werden auch die Münzmeister der Bautzener Münzstätte und ihre Erzeugnisse besprochen. -- In Bortfeld, wenige Kilometer nordwärts Braunschweig, ist ein Groschenfund gemacht worden, der ein vortreffliches Bild des Geldumlaufs in der unmittelbaren Nähe der Stadt Braunschweig um 1500 gibt. Es waren in ihm nach der Beschreibung von W. Jesse < 464> die ersten größeren Silbermünzen dieser Stadt, nämlich der sogenannte mittlere Autorgroschen von 1499 u. 1500, kleine Groschen von 1499 bis 1500 und Christophorusgroschen von 1502, dazu als Kleingeld Löwenhohlpfennige und Hälblinge, dann Meißner Groschen mit Gegenstempel von Braunschweig, dann zahlreiche Matthiasgroschen von Goslar, Körtlinge von Hildesheim, Göttingen und Einbeck, schließlich Schillinge der Städte des Wendischen Münzvereins. -- Eine alte Streitfrage ist es, von wem die Halberstädter Gepräge mit Wahlspruch oder Namen und Titel sowie Wappen des Administrators, des Kardinals Albrecht, geprägt sind, da der Bischof in Halberstadt an sich 1363 zugunsten des Domkapitels und der Stadt auf das Münzrecht Verzicht geleistet hatte. Tornau weist, leider nicht ausführlich genug, nach, daß die Münzen »anfangs im Auftrage und für Rechnung Albrechts vom Domkapitel und Rat in ihrer Münzstätte geprägt worden sind und daß erst später, als der Kardinal vielleicht aus seiner ständigen Geldverlegenheit selbst davon absah, diese beiden Körperschaften offenbar im Einverständnis mit Albrecht die Ausmünzung der in Rede stehenden Münzsorten für eigene Rechnung fortgesetzt haben« < 471>. -- In der Harzzeitschrift ist von C. Volk auf Grund der vorhandenen Literatur die Münzstätte St. Andreasberg und ihre Erzeugnisse behandelt worden < 475>. Diese wurde von den Herzögen von Braunschweig 1593 eingerichtet, um das am Ort gefundene Silber zu vermünzen. Doch ging sie bereits 1629 wieder ein; sämtliche in Andreasberg geschlagenen Münzen zeigen den heiligen Andreas im Bilde, der dann später auf in anderen Braunschweiger Münzstätten geschlagenen Stücken weiter vorkommt.


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Wieder hat die Erforschung der Kipperzeit im Dreißigjährigen Kriege Fortschritte gemacht. G. Krug hat in einer Abhandlung das Münzwesen der Stadt Leipzig in dieser Zeit behandelt < 467>, wobei er eine Reihe interessanter Urkunden abdruckt. Um den Mangel an Kleingeld zu beheben, der sich durch das Steigen der Preise infolge der Kippermünzen entwickelt hatte, beantragt und erhielt der Rat der Stadt die Bewilligung des sächsischen Kurfürsten zur Errichtung einer Pachtmünze (17. April 1621), in der Groschen, Dreier, 2- und 1-Pfennigstücke geprägt werden sollten. Diese Münze war unter Verwaltung des Rates 4½ Monate tätig. Dann wurde sie in eine kurfürstliche umgewandelt, an deren Münzbetrieb sich die Stadt mit einer großen Summe beteiligte. Anfang 1623 hörte sie auf zu existieren, doch sind in der zweiten Periode im ganzen 570_891 Gulden und 3 Groschen Kippermünzen aus ihr hervorgegangen. -- Mehlhose bringt auf Grund von Urkunden den Nachweis der Existenz der sachsen-altenburgischen Kippermünzstätte Windischleuba, die im dortigen Schloß der Herren von Gabelentz auf Grund eines Pachtvertrages errichtet wurde < 468>. --Krug hat sich dann auch noch mit dem Ende der schwarzburgischen Kippermünzstätten Sondershausen, Klingen und Keula beschäftigt, deren Schließung das Verdienst des sächsischen Kurfürsten ist, der dieselbe sehr energisch verlangte < 472>. -- Im letzten Viertel des 17. Jh.'s brach noch einmal eine Periode der Heckenmünzen über Deutschland herein, die man als »die kleine Kipperzeit« bezeichnet. Sie dauert etwa von 1675--1695 und steht im Zusammenhang mit den damals ununterbrochenen Kriegen in Europa, und zwar der drei Raubkriege Ludwigs XIV. 1667--1668, 1672--1678, 1688--1697 und der ersten beiden Türkenkriege 1661--1664 und 1682--1699, die alle zu ihrer Durchführung sehr viel Geld verbrauchten und damit zur Verschlechterung des Geldes beitrugen. Diese Lage wurde von einer Menge kleinerer Fürsten ausgenützt, die massenhaft vor allem die neuen Gulden von Brandenburg, Sachsen und Braunschweig unterwertig nachschlugen. Es sind beinahe 100 Münzstätten in Deutschland, in denen das geschah. »Der Vater der Hekkenmünzen« war der Graf Gustav von Sayn-Wittgenstein, der mit Hilfe von Johann Leonhard Arensburg in Ellrich, Clettenberg, Berleburg, Schwarzenau, Schloß Wittgenstein, Homburg i. W., Stettin, Stade und in anderen Orten Gulden unter eigenem Gepräge, in Stettin und Stade auch unter schwedischpommerschem Gepräge schlagen ließ. Alle diese Heckenmünzen hat Freiherr von Schrötter in einer vorzüglichen Monographie < 453> zusammengestellt und, soweit das Material schon gedruckt ist, eingehend behandelt. Seit 1688 gingen der Kaiser und die großen Fürsten gegen diese Münzen vor, so daß um 1690--1695 dem Übel ein Ende gemacht wurde.

Friedr. Wielandt hat bereits vor diesem Aufsatz einen einzigen dieser Münzmeister, die die schlechten Münzen prägten, namhaft gemacht < 481>, nämlich Johann Georg Gilly, der wahrscheinlich in verwandtschaftlichen Beziehungen zu dem bekannten kurbrandenburgischen Münzdirektor des Großen Kurfürsten steht. Dieser Gilly wurde als Münzmeister in Emmendingen bei Einrichtung einer Münzstätte daselbst 1680 angestellt und war vorher Münzmeister der Grafen von Sulz in Tiengen. Bei den Ausführungen Wielandts ist es mir nur nicht klar, warum er in ihm zugleich auch den Stempelschneider der Stücke, die in den von ihm verwalteten Münzstätten geschlagen sind, sehen will und von ihm als dem »Meister« Sulzer, Montforter und Badener


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Münzen spricht; normal haben diese beiden Ämter auf jeden Fall nichts miteinander zu tun.

Bekanntlich waren im MA. und noch weit in der Neuzeit bis in die zweite Hälfte des 17. Jh.'s zum Rechnen sogenannte Rechenpfennige nötig, die ebenso wie die Münzen durch Prägen hergestellt wurden. »Um nun der Gefahr der Falschmünzerei zu entgehen, waren in Deutschland, England, Frankreich, den Niederlanden usw. nur die staatlichen Münzbehörden zur Herstellung und zum Vertrieb von Rechenpfennigen befugt. Es gab nur eine Ausnahme: die alte freie Reichsstadt Nürnberg erlaubte ihren Bürgern, gewerbsmäßig Rechenpfennige herzustellen und zu verkaufen.« Da diese Nürnberger Rechenpfennige vor allem infolge der Billigkeit der Ware von 1480 an die amtlichen Gepräge mehr und mehr verdrängten und infolgedessen überall gebraucht wurden, wurden sie ein wichtiger Ausfuhrartikel der Nürnberger Kaufleute, über dessen wirtschaftliche Bedeutung der Major König, der sich seit langem die Rechenpfennige zum Studium erwählt hat, einen aufschlußreichen Aufsatz veröffentlicht hat < 483>. Später wurden aus diesen Rechenpfennigen Spielpfennige, die in ungeheurer Menge versandt wurden und noch heute häufig im Boden gefunden werden. Eine Anzahl älterer, meist unbeschriebener deutscher Rechenpfennige hat König in den deutschen Münzblättern veröffentlicht; unter ihnen befinden sich eine Reihe sehr interessanter Stücke, auf die hier näher einzugehen mir aber der Raum verbietet < 452>.

Zur Geschichte der Goldwaagen des 16. und 17. Jh.'s hat W. Haevernick einen wertvollen Beitrag < 465> veröffentlicht, in dem er an Hand einiger im Hamburgischen Museum für Geschichte befindlichen Waagen drei Hamburger Goldwaagenmacher bekannt macht; von ihnen sind zwei Glaubensflüchtlinge aus den Niederlanden, die dieses Gewerbe nach Hamburg brachten.

Auf dem Gebiet der Medaillenkunde sind sehr wenig Aufsätze erschienen. In Zusammenhang mit den Unruhen in Mecklenburg unter Karl Leopold (1713 bis 1793), bei denen ein Teil der Ritterschaft aus Opposition außer Landes ging, sind Medaillen entstanden, darunter eine mit einem Bienenkorb, die P. H. Müller in Augsburg verfertigt hat. Zu dieser hat W. Josephi interessante Zettel mit Versen im Geheimen und Hauptarchiv zu Schwerin gefunden < 460>. Aus den Versen geht hervor, daß der Gedanke dieser Medaille aus den Kreisen der sich um den Ratzeburger engeren Ausschuß scharenden Ritterschaft stammt und sich nur mittelbar gegen den Herzog, unmittelbar aber gegen die treugebliebenen Mitglieder des Sternberger Landtages wendet. Die aufschlußgebenden Vorschläge betreffen die Randschrift der Medaille und sind vom Standpunkt der Verteidigung der ritterschaftlichen Rechte abgefaßt. -- Fr. von Bassermann-Jordan, Besitzer einer Spezialsammlung von Weinmünzen und -Medaillen, hat in einer Arbeit die religiösen Medaillen mit Abbildungen, die sich auf den Weinbau beziehen, zusammengestellt < 447>. -- Schließlich wäre noch auf vier kleine Abhandlungen Tornaus hinzuweisen, in denen er sich mit dem nicht sehr beachteten Zeichengeld früherer Zeit beschäftigt. Er veröffentlichte eine Kupfermarke der Vogtei Halberstadt von 1577, die er als Waagemarke deutet, dann Malz- und Mühlenzeichen sowie Brauzeichen der Stadt Halberstadt, wobei er auf Grund von urkundlichen Notizen ihre Bestimmung erklären konnte, weiter Wohlfahrtsmarken (Brotmarken?) derselben


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Stadt, die vor längerer Zeit in einem städtischen Gebäude in 128 Stück gefunden worden sind, und zuletzt »Malzzeichen (Mühlenzeichen?) der Stadt Quedlinburg«, die aber bisher nur aus der Literatur bekannt sind (Deutsche Mzbl. 1938, S. 89, 103, 104, 166). Das Staatliche Münzkabinett hat sich immer besonders für diese wirtschaftlich interessanten Stücke interessiert und besitzt eine große Sammlung von ihnen.


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