II. Flurnamen.

Eine Aufzählung der Neuerscheinungen der Jahre 1934--1937 auf dem Gebiete der Flurnamenforschung des gesamten deutschen Sprachgebietes, zum Teil mit kurzen Inhaltsangaben, bietet Beschorner < 534>.

Über einzelne Gemeinden liegen einige ausführliche Arbeiten vor, so in Baden über Wiesloch von Raupp < 565> und über Neckarelz von Vischer < 564>, beide auf guter Ortskenntnis beruhend, wie ja die Ortsgeschichte sehr durch solche Darstellungen befruchtet wird. Die Deutungen können an reiche urkundliche Belege anknüpfen und die mundartliche Aussprache berücksichtigen. Eine Nachlese im urkundlichen Material führte Wirth < 563> zur Auffindung neuer Namen, zur Beseitigung von Ungenauigkeiten und Lesefehlern, wobei in der Einleitung die Entstehung von Familiennamen aus Flurnamen beleuchtet wird und weitere Beiträge zur älteren Geschichte von Freiburg im Breisgau beigesteuert werden. Kraemer < 552> bespricht die Flurnamen der alten homburgischen Gemeinde Drabenderhöhe im Lichte sprach- und volkskundlicher Forschungen und schließt mit einem alphabetischen Verzeichnis der Flurnamen, Seele < 553> die des Dorfes Jössen im Kreise Minden. M. Heumann verfolgt in der Erzgebirgszeitung 1937, S. 164 ff., die Flurnamen der Bergstadt Graupen im Erzgebirge durch mehrere Jh. Es sind durchaus Deutsche, die


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Erschließung und Besiedlung des Graupener Tales und der einst blühende Zinnbergbau waren also eine ausschließlich deutsche Leistung. Die phantasiereiche Darstellung der Flur- und Ortsnamen im Schweinfurter Umland durch Spath < 572> zeigt volle Unkenntnis der Lautgesetze und Sprachmöglichkeiten. J. Micko < 583> gibt eine Übersicht der in den Flurnamen des Kreises Bischofteinitz auftauchenden Grund- und Bestimmungswörter, nach Natur- und Kulturnamen geordnet, außerdem über die Flurnamen tschechischen Ursprungs, nach Orten verzeichnet. Die Flurnamen der heutigen Ortsgemeinde Laurensberg an der Reichsgrenze bei Aachen hat mit vielen urkundlichen Belegen und auch mit mundartlicher Aussprache J. Cloot gesammelt < 557>, zugleich mit guten Deutungen. A. Meyer hat eine statistische Übersicht über die Bedeutung der Namen nach ihren Grundwörtern beigegeben, wobei er die Abhängigkeit der Flurnamengebung von der Landschaft und ihrer Eigenart betont. Andere Namen bedürfen zu ihrer überzeugenden Deutung noch weitergehender Forschung. Von den Dörfern Suppingen, Seißen und Berghülen behandelt K. Maier < 571> Siedlungsgeschichte, Lage und die Formen der Flurnamen. Ein bisher fast unbeachtet gebliebenes Gebiet, die von den Fischern gegebenen Namen von Meeresbuchten, Untiefen, Fischplätzen, Vorgebirgen der Insel Rügen, die oft nur einzelnen Familien geläufig sind, werden von M. Hänsel < 542>, nach zusammengehörigen Gruppen geordnet, mit feinem sprachlichem Verständnis besprochen. Fangart und Fanggeräte, das Meer, das Land, der Mensch in den Namen des Wassers sind die Hauptkapitel. Auf die zusammenfassende Darstellung folgt ein Namensverzeichnis, wonach jeder Name leicht auf der beigegebenen Seekarte aufgefunden werden kann, und eine alphabetische Liste. Die slawischen Namen sind nur in geringem Umfange erklärt, für einige hat der verstorbene Slawist Lorentz Erklärungen beigesteuert. Doch ist ihre Zahl im Ganzen nicht bedeutend, bei den Wasserflurnamen verschiebt sich das Verhältnis noch mehr zugunsten der deutschen. Von 1101 Namen sind 93 v. H. deutsch, 6 v. H. slawisch, zu 1028 deutschen Grundwörtern gehören 16,5 v. H. slawische Bestimmungswörter, von denen die meisten Ortsnamen sind, so daß auch diese Bezeichnungen als deutsch betrachtet werden können. Die Wenden haben also das Wasser nur wenig benannt. Die deutschen Flurnamen treten seit dem 13. und 14. Jh. auf. Im übrigen zeigt sich ein ständiges Vergehen und Werden, die Namenbildung ist noch heute im Fluß.

Eine Aufzählung der Flurnamen in den deutschen Siedlungen Galiziens, zum Teil nach Grundmatrikeln, zum Teil aus einer Sammlung der jetzigen Flurnamen durch Hertha Stauffer, steuert L. Schneider < 586> bei. Sehr wertvoll ist die Sammlung Cappellettis < 587> aus den Dreizehn Gemeinden in den Bergen nördlich Verona, einst einem Schauplatz deutschen Lebens, dessen altertümliche deutsche Mundart bis auf Gljetzen (ital. Giazza) erloschen ist. In den Flurnamen lebt noch viel deutsches Sprachgut, auch dort, wo das Italienische völlig zur Herrschaft gekommen ist. Cappelletti, der selbst aus der Landschaft stammt, hat diese Namen gesammelt, auf Kartenskizzen vereinigt und in der schriftsprachlichen wie mundartlichen Gestalt aufgezeichnet, auch vorzüglich erklärt. Die geschichtliche Auswertung ist dadurch ermöglicht, ebenso kann nun ein Vergleich über den deutschen und italienischen Anteil an der Namengebung der einzelnen Gemeinden gewagt werden.

In der Saarpfalz betreut Christmann die Flurnamensammlung. Er stellt


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einige Aufsätze zusammen, die aus seinem Einblick in das Material erwachsen sind < 559>. Als Flurnamen sind einige Bezeichnungen zurückgeblieben, die einmal in weiterer Landschaft allgemein bekannt waren und die teils aus dem Romanischen entlehnt sind (wie Kimmel, Macher, Kettrich, Humes, Kres, Kalmit), teils deutschen Ursprunges und veraltet sind (wie Sitters). Auf Kärtchen wird die Rückzugslage dieser Flurnamen deutlich. Aber auch sonst haben mundartliche Wortverdrängungen in der Flurnamengebung ihre Spuren hinterlassen. Dort, wo heute allein »Gaul« gilt, lebt in Flurnamen noch »Roß« und »Pferd« fort. Wie wichtig die Heranziehung der geschichtlichen Belege ist, zeigt eine Zusammenstellung beim Speyerer »Altpörtel« und dem Wormser »Pörtel-Amt«, aus der hervorgeht, daß entgegen weitverbreiteter Annahme nicht eine deutsche Verkleinerung des romanischen porta, »Tor«, sondern eine Weiterentwicklung von bürgetor, »Stadttor«, vorliegt. Schließlich gewinnen die Ausgrabungen in der Ostecke der »Heidenmauer« in Baden-Dürkheim dadurch besondere Beleuchtung, daß aus einer Urkunde von 1414 die Bestätigung dafür gewonnen wird, daß hier ein »Kriemhildenstuhl« lag, der im Volke als Krumholzerstuhl fortlebt, in dessen Nähe ein Brünhildenstuhl wenigstens sehr wahrscheinlich gemacht wird. Die der Ringmauer gegenüberliegende Limburg wird dann nicht als »Linden-«, sondern als »Lindwurmburg« zu erklären sein. Diese Namengebung geht gewiß in die Zeit vor der klassischen Umformung der Nibelungensage im Nibelungenliede zurück. Die Verbindung von Sprachforschung und Ausschöpfung der geschichtlichen Belege zusammen mit der Kenntnis der Mundart hat hier hervorragende Ergebnisse ermöglicht.

In Pommern gibt es eine Anzahl von Flurnamen, die die Beschäftigung des Volkes mit den Juden zeigen. Am häufigsten kommen vor Judenkirchhof, dann folgen Judenberg, -weg oder -steig, schließlich -tempel. Ihre Zahl wird, wie Holsten < 540> ausführt, um so größer, je weiter wir nach Osten kommen. 45 Namen westlich der Oder stehen 163 östlich davon gegenüber. Die meisten Namen sind jung, was sich daraus erklärt, daß es erst seit dem 19. Jh. den Juden möglich war, sich auf dem Lande niederzulassen und Grundbesitz zu erwerben. Vorher betrieben sie Hausierhandel, für den sie Schleichwege bevorzugten (die Judensteige). Dem Volke war das jüdische Wesen unheimlich, was sich in der Benennung mancher Flurstücke zeigt, auch wenn sie mit Juden nie etwas zu tun hatten.


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