I. Nach außen hin zeigt die deutsche Prähistorie eine beachtenswerte Entwicklung ihres Schrifttums. Zu den im vorjährigen Bericht genannten neuen Zeitschriften und Veröffentlichungsreihen von regionaler Art haben sich weitere gesellt, und im Jahre 1939 sind abermals noch einige hinzugekommen. Bezeichnenderweise will eine dieser Neugründungen ausschließlich der Erforschung des Quartärs < 636> dienen. Sie hat in einer 1924 von J. Bayer ins Leben gerufenen Zeitschrift einen Vorläufer, der jedoch, obwohl 1928 auf eine breitere Grundlage gestellt <vgl. 1928, 425>, nach sechs Jahren schon wieder einging. Aber trotz jener Fehlgründung erscheint der Boden für ein solches Unternehmen durchaus tragfähig. Die Archäologie des Diluviums ist das älteste Sondergebiet innerhalb der Prähistorie; ungleich mehr als die anderen Abschnitte des frühgeschichtlichen Lebens setzt sie die Verbindung mit den geologischen Beobachtungen voraus, und so konnte sie sogar wiederholt als eine naturwissenschaftliche Disziplin beansprucht werden. Handelt es sich bei diesem letzteren Ansinnen um eine unglückliche Überspitzung, so steht doch die innere Selbständigkeit dieses Bereiches der Archäologie ebenso außer Frage wie für die Geologie die Notwendigkeit, das Quartär auch als ein Sondergebiet anzusehen. Demgemäß will die neue Zeitschrift beiden Bereichen dienen. Wie im Geleitwort gesagt wird, »kommen Geologen und Vorgeschichtsforscher, Paläontologen und Paläobotaniker, Anthropologen und Geographen in den Wechselbeziehungen ihrer Wissenschaftszweige zu Wort«.

Dieser äußeren Ausgestaltung entspricht nun freilich nicht die innere. Das Nachrichtenblatt < 624> dient in erster Linie der praktischen Denkmalpflege und darüber hinaus nur der regionalen Formenkunde, ist somit der Ausdruck einer sehr gefährlichen mechanistischen Einstellung, welcher mit der Betonung des Ausgrabungswesens fortgesetzt neue Nahrung zugeführt wird. Aber auch die anderen Zeitschriften, von denen zudem eine, die Prähistorische Zeitschrift, hinsichtlich ihres Umfanges und der Pünktlichkeit des Erscheinens sehr nachgelassen hat, bevorzugen die unmittelbar an den Stoff anschließenden Fragen und dringen nur ausnahmsweise einmal zu dem prähistorischen Menschen selbst vor. Es ist in dieser Hinsicht ungemein bezeichnend, daß der einzige in dieser letzteren Richtung liegende Beitrag zum 28./29. Jahrgange der Prähistorischen Zeitschrift von einem Vertreter der alten


S.206

Geschichte stammt; U. Kahrstedt behandelt hier unter dem Titel »Eine historische Betrachtung zu einem prähistorischen Problem« die innere und von innen heraus erfolgende Erneuerung des Keltenvolkes in der frühen Latènezeit. Die Prähistorie arbeite vorwiegend mit Völkerbewegungen, »ähnlich wie die junge antike Geschichtsschreibung, die Unterschiede zwischen ihrer Gegenwart und etwa der Zeit des Epos gern mit Wanderungen erklärte. Die Dorier, Leleger, Pelasger wanderten so emsig wie die Glockenbecherleute und die Latène-B-Bauern. Dem Historiker war dabei stets etwas unbehaglich: in genauer bekannten Zeiten kommen auch Völkerwanderungen vor, aber doch als Ausnahme, unendlich viel häufiger wandelt sich das Gesicht eines Volkes durch soziale Verlagerungen und Revolutionen. Es befriedigte nicht, daß die Dinge, die in historischer Zeit normal sind, vorher nie vorgekommen sein sollten, daß dafür das, was später die Ausnahme war, vor dem Einsetzen der schriftlichen Überlieferung fast als Regel angesehen werden mußte«. Und so sucht denn K. nachzuweisen, daß sich hinter den typologischen Erscheinungen ein »innerer Befreiungsprozeß« verbirgt, ein Vorgang von so großer Bedeutung, daß mit seiner sittlichen Haltung die keltischen Eroberungszüge der unmittelbaren Folgezeit durchgeführt werden konnten.

Aber die Stimmen dieser Art sind selten, und dabei liegt es doch klar zutage, daß die stärkere Hinwendung zur historischen Fragestellung für die Zukunft der Prähistorie von besonderer Bedeutung ist. Hierüber entscheiden das Ausmaß der Beziehungen zu den Nachbarwissenschaften und der dringend nötige Ausbau des wissenschaftlichen Apparates; fehlen doch noch heute eine laufende Bibliographie und auch die übrigen Hilfsmittel, die besonders im Hinblick auf das Nebeneinander von Grabungs- und Museumspraxis einerseits, historische Durchdringung ihres Stoffes anderseits gut ausgebaut sein sollte. Es gilt, die regionale Betrachtungsweise, die infolge der raschen Entwicklung der Denkmalspflege nur zu sehr im Vordergrunde steht, in allen ihren Teilerscheinungen durch eine weitere Sicht zu überwinden. Ferner müssen die in Mitteleuropa gewonnenen Erkenntnisse ungleich umfangreicher, als es tatsächlich geschieht, in den größeren Rahmen der gesamteuropäischen Entwicklung eingebaut werden, und weiter gilt es, mit den Nachbarwissenschaften stärkere Fühlung zu suchen. Von dieser Plattform aus gesehen macht die derzeitige Zunahme der literarischen Produktion den Eindruck einer Scheinblüte. Man fragt sich, ob die wirtschaftlichen Grundlagen für die teueren Schriftenreihen auf die Dauer wirklich gegeben sind. Auch muß es wohl dahingestellt bleiben, wie lange sich die verschiedenen für weitere Kreise berechneten Zeitschriften zu halten vermögen; sie haben sich zum Teil eine Themastellung gewählt, die mit wenigen Jahrgängen ausgeschöpft werden kann, und ferner erscheint es ja denkbar, daß das Interesse an derjenigen Betrachtungsweise der Frühzeit, die hier gern herausgestellt wird, in einiger Zeit nachläßt. Schon einmal, in den ersten Jahrzehnten des vergangenen Jh.'s, konnte man eine Hochflut von Veröffentlichungen prähistorischen Inhaltes verzeichnen, aber da ihre geistige Voraussetzung nicht fest genug begründet war, so versiegte recht bald auch die wirtschaftliche Grundlage. Wenn heute das Interesse an der Frühzeit schon wieder etwas nachläßt, so nicht nur deshalb, weil die Übersteigerungen der von Laien herrührenden Veröffentlichungen sehr geschadet haben <s. diese Berichte, z. B. 1936, 186>. Nach Form und Inhalt ist die Art, in welcher auch von fachlicher Seite her die Prähistorie


S.207

der Öffentlichkeit dargeboten wird, so wenig glücklich, daß eine Besinnung auf die Voraussetzungen dieses Beginnens ebenso nötig erscheint wie die Abkehr von ihnen. Es ist heute selbstverständlich, daß die Frühzeit als eigenes Kapitel der landesgeschichtlichen Darstellung erscheint; sie begegnet in der Geschichte Schleswig-Holsteins < 310> (hier sogar als selbständiger Band) und auch in derjenigen Schlesiens < 315>, sie bildet ferner ein Kapitel der Ortsgeschichte von Vilchband < 353>. Auch sind wir gewohnt, sie in dem übrigen Schrifttum gleicher Richtung zu finden, und so ist sie sowohl in der neuen Reihe der Schlesischen Jahrbücher < 313> vertreten wie bei Aubin < 240>. Das bleibt aber solange nur ein scheinbarer Erfolg, als nicht die innere Beziehung zwischen Vorzeit und Gegenwart hergestellt ist, als nicht Funde, sondern handelnde Menschen geschildert werden. Mit dem Gesichtspunkt, daß unsere Vorfahren keine Barbaren gewesen seien, daß sie nach Leibesform und Gesittung als autochthon angesprochen werden müßten, kommt man auf die Dauer ebensowenig aus als mit einem auf große Werbetätigkeit gegründeten Augenblickserfolg.

Vielleicht hilft die Hervorkehrung der großen geschichtlichen Gesichtspunkte auch über diejenigen Spannungen hinweg, welche als die Folgeerscheinung der früheren Gruppenbildung innerhalb des Fachkreises heute noch gelegentlich in Erscheinung treten. Den Veranstaltungen des Reichsbundes für deutsche Vorgeschichte < 627> haben sich andere zur Seite gestellt. Die Stiftung Deutsches Ahnenerbe trat in Kiel an die Öffentlichkeit, und in Siegen veranstaltete die Römisch-germanische Kommission eine Tagung, auf welcher im wesentlichen die früher im West- und Süddeutschen Verbande für Altertumsforschung zusammengeschlossene Gruppe zusammenkam. Das zehnjährige Bestehen des ersten deutschen Ordinariates für Vorgeschichte bildete die Veranlassung zur Herausgabe einer Festschrift < 228>, welche die in Marburg bei G. v. Merhart ausgebildeten 31 Prähistoriker zusammen mit dem dortigen Dozenten Sprockhoff vereint. Die ungewöhnliche Motivierung dieses Unternehmens läßt dem Gedanken Raum, daß der darin versammelte Kreis sich von dem Unternehmen einen besonderen Erfolg verspricht. Wenn freilich Sprockhoff im Geleitwort herausstellt, welche große, »ungeahnte« Entwicklung die deutsche Vorgeschichtsforschung infolge der politischen Ereignisse in den letzten Jahren erlebt hat, so ist nachdrücklich daran zu erinnern, daß die Wurzeln dieses Werdens bei Kossinna zu suchen sind, dessen akademische Stellung als Ergänzung des Germanisten gedacht war, während die Marburger Professur ihre Entstehung der Initiative des Deutschen Archäologischen Institutes bzw. der Römisch-germanischen Kommission verdankt. Was den Inhalt selbst betrifft, so hat bereits P. Reinecke beanstandet (Wiener Prähistorische Zeitschrift, 26. 1939, S. 83), daß in der Festschrift irgendwelche siedelungskundlichen Beiträge ganz fehlen, »seien sie nun mehr denkmalstatistischer oder aber fundkritischer Art«. Huldigt man der Vorstellung, daß sich in den Themen der Beiträge die Lehrtätigkeit des Gefeierten widerspiegelt, so fällt auch das geringe Interesse an dem nordisch-germanischen Kreise auf. Mehr aber noch verdient es Beachtung, daß die Aufsätze sämtlich rein formenkundlich gerichtet sind und daß die Typologie nur dazu dient, Fragen der Stammes- wie auch der Bevölkerungsgeschichte zu lösen. Nirgendwo wird die Brücke zu den Nachbarwissenschaften, zu Geschichte oder Philologie


S.208

geschlagen, nirgendwo ein Problem der Wirtschaft oder Gesellschaft, des Götterdienstes oder der übrigen Bereiche des geistigen Lebens angeschnitten. Genau so wie in den Dissertationen dieses Kreises fällt es auch hier wieder auf, daß ein Verständnis für die Zeitgebundenheit einer jeden wissenschaftlichen Auffassung nicht zum Ausdruck kommt.

Das Handlexikon < 634> ist jetzt weltanschaulich ausgerichtet. »Die neue Auflage unterstreicht insbesondere die Erkenntnis, daß die vorgeschichtlichen Kulturen als Lebensäußerungen unserer Ahnen, aus denen uns Wesen und Art der germanisch-nordischen Rasse entgegentritt, aufzufassen sind. Wir müssen es daher ablehnen, jene Dinge mit unseren heutigen Augen zu sehen oder sie gar dadurch herabzuwürdigen, daß wir sie mit den Kulturen der primitiven Völker vergleichen lassen. Ebenso muß es abgelehnt werden, die vorzeitlichen Kulturen aus Bindungen der Umwelt her verstehen zu wollen. Es läßt sich hingegen vielfach beweisen, daß die Rasse den Ausschlag für das Wesen und damit für die Höhe oder Tiefe einer Kultur gibt.« Niemanns Fachwörterbuch < 635> ist von bleibendem Wert, wenn auch die von E. Petersen beigesteuerte »Einführung in Werdegang und Aufbau der Vor- und Frühgeschichtsforschung in Polen« eine nunmehr abgeschlossene Entwicklung beleuchtet. Dem Hinweis auf die technischen Ausführungen von Müller-Stoll < 630> sei derjenige auf das Heft »Luftbild und Vorgeschichte« angeschlossen, welches die Lilienthal-Gesellschaft für Luftfahrtforschung als Nr. 16 ihrer Reihe »Luftbild und Luftbildmessung« herausgebracht hat. Vermag die Aufnahme vom Flugzeug aus zweifellos der Feststellung sonst schwer feststellbarer Bodendenkmale zu dienen, so wird sie andererseits doch wohl nicht ein so alltägliches Hilfsmittel werden, daß über ihm die Schulung des Auges und die in denkmalpflegerischer Praxis im Laufe von Jahrzehnten gesammelten Erfahrungen in Vergessenheit geraten.

Die Geschichte der Prähistorie ist, soweit sie sich im Rahmen derjenigen Grenzen abgespielt hat, welche dem Deutschen Reich bis 1938 gezogen waren, in einem selbständigen Werk < 118> behandelt. Ganz auf die Quellen gegründet, beginnt es mit der Tätigkeit der Humanisten und endet bei der Förderung des Faches im Dritten Reich, die sich vor allem in der fast schlagartig einsetzenden Vermehrung der Lehrstühle zeige. »Dieses in der Gegenwart wichtigste Ereignis für unsere Vorgeschichtsforschung gibt ihr die Gewähr dafür, daß sie einer großen Zukunft entgegengeht.« Leider berücksichtigt das auch als Nachschlagewerk nur schwer benutzbare Buch lediglich die Beschäftigung mit den Bodenaltertümern; man vermißt also die Einbeziehung aller anderen Quellengruppen und Wissenschaften, die, wie z. B. Germanistik und Geschichte des Mittelalters, ebenfalls zur Erkenntnis der Frühzeit beitragen. An Stelle des Interesses an dem Altertum bietet es nur dasjenige an den greifbaren Altertümern. Dazu kommt, daß die hier stattfindende Entwicklung nicht mit den großen geistigen Strömungen verknüpft wird. So erscheint die Disposition, die in der Gründung des Deutschen Reiches ebenso einen Festpunkt sieht wie in Virchows Tod, wenig glücklich. Vor allem aber wirkt sich die Beschränkung auf die genannten politischen Grenzen unvorteilhaft aus. Österreich und die deutsche Schweiz, das Elsaß und die von den Deutschbalten in engster Fühlungnahme mit dem Gesamtdeutschtum auf diesem Gebiet geleistete Arbeit bleiben außerhalb der Darstellung. Kirch-


S.209

ner < 120> zeigt, welche Bedeutung das 18. Jh. der Frühzeit im Rahmen der Geschichtsschreibung zuerkennt. Er gliedert übersichtlich nach Gegenständen und Fragen, Quellen und Wegen, Haltung und Zielen. Am Ausgang seiner Betrachtung steht Möser. »In mancher Hinsicht noch der Aufklärung verhaftet, leitet er dennoch die Bewegung ein, die über Herder schließlich zur Romantik hinführt. Indem er ebenso wie dieser das Besondere betont, den konkreten Einzelzustand, nicht den abstrakt-idealen Typus, bemerkte er vielleicht als erster jene Einmaligkeit der Geschichte, welche es uns nicht gestattet, alle Zeiten und Kulturen nach demselben Maß zu messen. Damit ward es endlich möglich, auch das Germanentum der Frühzeit als eine Volkspersönlichkeit zu sehen, die, höchst individuell geartet, ihren Schwerpunkt in sich selbst trägt, nicht in irgendwelchen Normen, die man von außen daran anlegt.« Franz < 628> will zeigen, »wie auch Weltanschauung, religiöser Glaube und Politik zur Vorgeschichte Beziehung finden. Nicht auf eine Kritik solcher Beziehungen kommt es mir hier an, sondern ich möchte aus einer historischen Überschau dartun, daß die Vorgeschichte keineswegs eine nutzlose, abseits vom Leben stehende Wissenschaft ist; der schlagendste Beweis in dieser Richtung scheint mir eben darin zu liegen, daß sie imstande ist, solche Beziehungen zu haben, gleichgültig, wie sich der Einzelne zu den in Frage kommenden weltanschaulichen, religiösen und politischen Strömungen stellen mag.« Goeßler < 119> behandelt Ludwig Uhlands Eingehen auf die Frühzeit des oberen Neckarlandes, Skutil < 121> den Interessenkreis eines frühen Sammlers und Bollnow < 629> weiteres, nur aus Handschriften bekanntes Material. Dem verstorbenen W. Petzsch gilt ein warmer Nachruf < 155>, und die uns heute wieder näherliegende Gestalt Karl Penkas wird in kleineren Beiträgen beleuchtet < 2001, 2002>. Zwei Festschriften < 230, 234> veranschaulichen das Blickfeld der so Gefeierten.

Beachtung verdienen die Untersuchungen, welche dem Problem der frühen Erzgewinnung im nordisch-germanischen Gebiet gelten. Witter < 632> rollt als Hüttenfachmann und vermittels der Spektralanalyse die Frage auf, ob die Metallvorkommen in Mitteldeutschland durch den frühgeschichtlichen Menschen abgebaut sein können, und bejaht sie. Er hält sich für berechtigt, auszusprechen, »daß Mitteldeutschland eines der ältesten Zentren der Metallurgie des Kupfers und des Zinns gewesen ist.« In einem Anhang zu dieser Arbeit und von anderer Seite in selbständiger Form < 633> wird dieses Ergebnis im Sinne der Vorstellung genutzt, als ob die Kenntnis der Metallgewinnung überhaupt von hier ausgegangen sei. Hülle meint, daß im Verlaufe des 3. Jahrtausends v. Chr. »nordische Steinzeitkulturen in Mitteldeutschland den für die europäische Kultur hochbedeutsamen Schritt zur ältesten Ingebrauchnahme von Metall taten und damit die Grundlage aller späterer Metallgewinnung und -verarbeitung legten«. Ob wirklich »die Erfindung der Bronze am Ende der Steinzeit in Mitteldeutschland sozusagen in der Luft lag«, wie Hülle will, steht aber dahin, und wenn es schon richtig ist, daß man während eines sehr großen Teiles des mitteleuropäischen Neolithikums das Kupfer verwendete, so kann es doch keineswegs als bewiesen gelten, daß dieser Werkstoff in Mitteldeutschland früher bekanntgeworden sei als sonstwo. Unter dem Eindruck der Spektralanalyse wird hier die Bewertung der Gerätform vergessen, die auch noch etwas über den Kampf der frühen Metallquellen um die Absatzgebiete auszusagen hat. Wenn die


S.210

irisch-britische Industrie genau so wie die siebenbürgische und noch andere ihren festen Formenkreis haben, so sucht man doch vergeblich nach einem solchen der mitteldeutschen Lagerstätten. Die Kenntnis des frühgeschichtlichen Münzwesens wird durch einige kleinere Beiträge erweitert. Wielandts Ergebnisse < 450 a> gewinnen im Rahmen des Kontinuitätsproblems an Bedeutung. Forrer < 448> versucht, »die ganz verschiedenen Münzströmungen zu kennzeichnen, die unser Vaterland zur keltischen Zeit in recht verschiedene Zonen zerlegten«. Die älteste ist »die helvetisch-arvernische Zone«, die in das dritte, wenn nicht gar vierte Jh. hinaufreicht und »buchstäblich dem großarvernischen Machtbereiche der genannten Zeit entspricht«. Die bojisch-helvetische Münzströmung wird durch die typischen Schüsselmünzen gekennzeichnet und gibt wohl die Bewegung der Bojer zu erkennen, welche in der Innerschweiz zu eigenen Prägungen gekommen sind. Das salassische Goldgeld veranschaulicht »Prägungen eines unabhängig gebliebenen Gebirgsvolkes« und zeigt räto-etruskische Schriftzeichen. Die massilische Silbergeldströmung fällt in das letzte Jh. v. Chr. und ist »Relikt eines Handelsverkehrs, der von Süden nach Norden zielte, einerseits von Marseille längs der Rhoneroute, andererseits von Oberitalien über die Schweizer Alpen«. Römischen Ursprungs sind die gallischen Silberquinare; und die ebenfalls gallischen Potinmünzen machen den Beschluß. Römische Denare und augusteisches Kupfer bringen das gallische Geld bald zum Aussterben. Insgesamt »illustrieren die Münzen besser als jedes andere Fundstück die Geschicke der tènezeitlichen Bewohner Helvetiens bis zum vollen Verlust ihrer Selbständigkeit«.


Diese Seite ist Bestandteil des Informationsangebots "Jahresberichte für deutsche Geschichte" aus der Zwischenkriegszeit (1925-1938)