c) Salier.

Das oben bereits gewürdigte Buch von Erdmann < 808> muß auch an dieser Stelle noch einmal genannt werden, nicht nur im Hinblick auf die zahlreichen neuen Ergebnisse, die die Einzelinterpretation der darin behandelten Briefe für die politische Geschichte der Frühzeit Heinrichs IV. abwirft, sondern vor allem auch deshalb, weil der Verfasser seinen quellenkundlichen Untersuchungen zum Abschluß noch ein darstellendes Kapitel angefügt hat. Unsere bisherige Kenntnis der Dinge mannigfach erweiternd und vertiefend, schildert er darin die ersten Versuche Gregors VII., die Grundsätze der Reform in der deutschen Kirche einzuführen, den langwierigen Streit um die Person des simonistischen Bischofs Hermann von Bamberg und den eigentümlichen Zustand eines stillschweigenden Ausgleichs, der sich gegen Ende 1075 zwischen dem Papst und Heinrich IV. herausbildete; demnach sei es nicht die kirchliche Lage in Deutschland, sondern allein die Frage des königlichen Einflusses auf die Besetzung der italienischen Bistümer gewesen, die um die Jahreswende den plötzlichen Ausbruch des Investiturstreites herbeiführte. Eine weitere Studie des gleichen Verfassers < 841> liefert einen wertvollen Beitrag


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zur Charakteristik Gregors, indem sie nachweist, daß von einer -- vielfach behaupteten -- Hinneigung zu der Abendmahlslehre Berengars von Tours bei ihm in Wirklichkeit nicht die Rede sein könne, da die Zeugnisse, auf die sich diese Annahme stützte, durchweg nichts anderes seien als Fälschungen berengarischer Herkunft. Wenn Gregor als Legat und ebenso in den ersten Jahren seines Pontifikats die Angelegenheit mit einer gewissen Vorsicht behandelte, so lediglich deshalb, weil er eine übermäßige Verschärfung der Beziehungen zur französischen Kirche im Interesse seiner Gesamtpolitik vermeiden wollte. -- Die führende Rolle Urbans II. beim ersten Kreuzzug erklärt sich nach Fliche < 845> weniger aus den in Erdmanns bekanntem Buch geschilderten Wandlungen der kirchlichen Anschauungen über den Krieg als vielmehr aus den praktischen Gegebenheiten der damaligen Lage. Da der Interessenbereich des Kaisertums sich seit dem Ausgang der Ottonenzeit nicht mehr auf den mittelmeerischen Raum erstreckte, sei das Papsttum gezwungen gewesen, der Bedrohung durch den Islam seine eigne Aufmerksamkeit zuzuwenden, und die Unterstützung, die es den christlichen Kämpfern in Sizilien und Spanien habe angedeihen lassen, sei -- was man freilich nicht uneingeschränkt gelten lassen wird -- bereits als Vorstufe der späteren Kreuzzugspolitik zu betrachten. -- Pivec < 843> charakterisiert den Romzug Heinrichs V. von 1110/11 als die erste politische Aktion des Ma., die von einer planmäßig organisierten, selbst entfernte Gebiete wie England in ihren Wirkungsbereich miteinbeziehenden Publizistik begleitet wurde, und rückt dieses »Beisammensein von Tat und Propaganda« in eine Parallele zu den Methoden des politischen Kampfes unter Friedrich II., Philipp dem Schönen und Ludwig dem Bayern. Die Beziehungen, die sich auf dem zweiten Romzug des gleichen Herrschers zwischen ihm und den heranwachsenden Kommunen Italiens entwickelten, illustriert eine Untersuchung, die Simeoni und Silviani < 844> seinem Privileg für Bologna von 1116 (St. 3140) gewidmet haben. Indem die Stadt in Übereinstimmung mit den Anschauungen der eben damals aufkommenden Glossatorenschule sich vom Kaiser als der höchsten Quelle des Rechts ihre Rechtsgewohnheiten bestätigen ließ, gewann sie eine gesicherte Grundlage für ihre kommunalen Autonomiebestrebungen, von der aus wenige Jahre später auch eigene Verwaltungsorgane ins Leben gerufen werden konnten. -- Neue Aufschlüsse über die Geschichte des mathildischen Gutes gewinnt Güterbock < 840> aus einem inhaltreichen, von ihm zum erstenmal in vollem Umfang veröffentlichten Zeugenverhör über Grafschaftsrechte in Piacenza von etwa 1180 sowie aus dem früher irrtümlich Heinrich VI. zugeschriebenen Diplom Heinrichs V. für die gleiche Stadt (St. 4856), das er ebenfalls in einem berichtigten Abdruck vorlegt. Danach war die Grafschaft Piacenza aller Wahrscheinlichkeit nach ganz oder zum Teil als Reichslehen in der Hand der Mathilde und wurde später, um 1130, von einem ihrer Vasallen an die Kommune verkauft. Hingewiesen sei auch auf die abschließende Bemerkung des Verfassers, daß die weitgehende Verwischung des Unterschiedes zwischen Allodien und Reichslehen, wie sie sich innerhalb des Gesamtbesitzes der Gräfin vollzog, die eigentliche Erklärung liefere für die später von Lothar und seinen Nachfolgern erhobenen Ansprüche. Das Buch von Nencioni über Mathilde < 839> war mir nicht zugänglich.


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