d) Staufer.

Die kleine Schrift von Diederichs über Staufer und Welfen < 848> bringt keine neuen Gesichtspunkte; richtig ist die Feststellung, daß


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der Feindschaft der beiden Geschlechter ein weltanschaulich-politischer Gegensatz nicht zugrunde lag. Zur Geschichte Heinrichs des Löwen liegen dieses Mal eine Anzahl wertvoller Einzelaufsätze vor. Jordan < 853> skizziert Heinrichs kolonisatorische Tätigkeit in den Slawenländern, wobei er besonders die Ergebnisse einer größeren Untersuchung über die herzoglichen Privilegien für die Bistümer Oldenburg-Lübeck, Ratzeburg und Schwerin verwertet, auf die im nächsten Bericht zurückzukommen sein wird. Demgemäß vermag er in aufschlußreicher Weise zu zeigen, wie sich der Herzog bei der Eingliederung des eroberten Gebietes in sein sächsisches Herzogtum, nachdem der Versuch einer von Ministerialen getragenen beamtenmäßigen Organisation gescheitert war, in weitgehendem Maße der kirchlichen Verwaltung bediente, die daher nicht neben der Markenverfassung stehen durfte, sondern in diese eingegliedert wurde. Die Bischöfe, auf deren Erhebung Heinrich kraft des Investiturrechtes einen entscheidenden Einfluß ausüben konnte, waren zu Heer- und Hoffahrt verpflichtet, der Immunitätsbesitz war beschränkt und erstreckte sich nicht auf die Städte, die hohe Vogtei lag überall in den Händen der von Heinrich eingesetzten Grafen. Endlich wurde die Grundbesitzausstattung der Bistümer ebenso wie die der neugegründeten Klöster Doberan und Dargun der Siedlungs- und Rodungstätigkeit dienstbar gemacht und die gesamten bei der Erschließung des Landes tätigen Kräfte in der Pfarrorganisation zusammengefaßt. Löning < 850> wendet sich in einer vor allem gegen R. Hildebrand gerichteten Auseinandersetzung gegen die Vorstellung einer von Heinrich bewußt betriebenen Wirtschaftspolitik, da das herzogliche Interesse an den Handelsstraßen sich auf die Anlage möglichst zahlreicher und einträglicher Zollstellen beschränkt und die Münzpolitik keine anderen als rein fiskalische Zwecke verfolgt habe. Doch gibt er selber zu, daß eine bewußte landesherrliche Förderung der Märkte mit dieser fiskalischen Auffassung sehr wohl vereinbar sei, und vollends die von Heinrich mit den Gotländern, Nowgorod und Schweden getroffenen Abmachungen dürften doch zweifellos als Maßnahmen wirtschaftspolitischer Natur zu kennzeichnen sein. Mit umfassender Verwertung des Quellenmaterials und der gesamten -- vor allem deutschen -- Literatur zeichnet Joranson < 851> ein anschauliches Bild von der Pilgerfahrt des Löwen ins Heilige Land, dem auch die gründlichen Kenntnisse des Verfassers in der ma.- lichen Topographie Kleinasiens zugute gekommen sind. Die öfter erörterte Frage, ob Heinrich bei dieser Reise politische Nebenabsichten verfolgt und sie zur Anknüpfung hochverräterischer Beziehungen mit dem griechischen Kaiser benutzt habe, verneint er mit guten Gründen. Endlich hat Poole < 852> aus englischen Quellen, insbesondere den Aufzeichnungen des Exchequer, eine Reihe von Daten gesammelt, die unsere Kenntnis von Heinrichs und seiner Familie Itinerar während ihrer englischen Jahre wesentlich bereichern.

In die Periode des letzten staufisch-welfischen Thronstreites gelangt man mit dem Buch von Walter < 849>, das zur allgemeinen Kanzleigeschichte des Zeitalters einige brauchbare Beiträge liefert; vgl. insbesondere die Ergänzungen zu Reg. Imp. V im Anhang. Dagegen haben die Aufstellungen des Verfassers über die Lebensläufe der einzelnen unter Philipp und Otto in der Kanzlei beschäftigten Persönlichkeiten und über ihren Anteil an den Kanzleigeschäften, zu denen er im wesentlichen auf dem Wege des Schrift- und Diktatvergleichs gelangt ist, sich bereits zum guten Teil als brüchig erwiesen, ganz zu schweigen


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von dem weitergehenden Versuch, von da aus die Brücke zu den allgemeinen historischen Problemen hinüberzuschlagen, den man nur als völlig verunglückt bezeichnen kann. -- Die Dissertation von Seeger über die Reorganisation des Kirchenstaates unter Innozenz III. < 855> arbeitet vor allem den Zusammenhang von dessen Rekuperationspolitik mit den älteren territorialpolitischen Traditionen der Kurie heraus und betont gegenüber Ficker mit Recht, daß Innozenz sich bei seinem Vorgehen nicht nur auf die Kaiserprivilegien für die römische Kirche, sondern auch auf ganz reale Zielsetzungen und Aktionsprogramme des früheren Papsttums stützen konnte.

Die Gestalt Friedrichs II. beschäftigt nach wie vor in lebhafter Weise die italienische Forschung. Beachtung auch in Deutschland verdient das stoffgesättigte, mit vielen wertvollen Nachweisen ausgestattete Buch von de Stefano über das kulturelle Leben am Hofe des Kaisers < 858>. Mit Recht rückt der Verfasser dabei die empiristisch-naturwissenschaftlichen Studien als die eigentlich epochemachende Erscheinung stark in den Vordergrund, schildert aber mit gleicher Sachkunde auch die literarischen Bestrebungen der Juristen und Diktatoren um Petrus von Vinea, die Entstehung der sizilianischen Dichterschule und die Hochschulpolitik Friedrichs; lediglich eine Berücksichtigung der bildenden Künste vermißt man. Im ganzen weniger ergiebig ist das Buch von Pepe < 857>, das in einer etwas skizzenhaft gehaltenen Gesamtschau Werk und Persönlichkeit des Kaisers charakterisieren will.Manches darin ist geistreich, vieles schief gesehn oder geradezu falsch. Pepe betont im Bilde Friedrichs besonders die in die Zukunft weisenden Züge, den Rationalismus und Realismus, die Hinwendung zum Diesseits, die Liebe zu Natur und Kunst, das »heidnische« Streben nach Ruhm, die »laizistische« Konzeption von Staat und Politik, kurz alle jene Elemente, die den Kaiser als Vorläufer der Renaissancetyrannen erscheinen lassen. Dabei entgeht er jedoch nicht immer der Gefahr einseitiger Übersteigerung, so wenn er Friedrichs innere religiöse Einstellung wie auch seine äußere Haltung nicht nur als antichristlich, sondern gradezu als atheistisch bezeichnet. Hier hat de Stefano zweifellos schärfer gesehn, wenn er hervorhebt, daß ein wirklicher Skeptizismus in vollem Widerspruch zu den ideellen Grundlagen gestanden haben würde, auf denen das christliche Kaisertum Friedrichs beruhte. Einer Sonderfrage ist sodann die Untersuchung von Simeone < 858a> über die Belagerung von Faenza (Okt. 1239 bis April 1240) gewidmet. Sie kommt zu dem Ergebnis, daß die Bedeutung des Erfolges, den der Kaiser hier errang, wesentlich herabgemindert werde durch den unerwartet großen damit verbundenen Zeitverlust, der Friedrichs weiteren Feldzugsplan vereitelte. -- Den Beschluß bilden mag ein Hinweis auf das Büchlein von Petry über die Mongolenschlacht auf der Wahlstatt bei Liegnitz < 859>, das ihre Bedeutung vor allem im Rahmen der schlesischen Geschichte veranschaulichen will.


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