c. Der Dreißigjährige Krieg.

Wandruszka von Wanstetten < 958> zeigt, daß der Begriff »Vaterland« in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges meist nicht im territorialen, sondern im allgemein deutschen Sinne gemeint war, und führt viele Beispiele dafür an. Besonders seit den dreißiger Jahren wird das allgemeine Beste ganz Deutschlands immer stärker betont. Der Streit ging nur darum, ob dieses Reich eine »aristokratische« oder eine »monarchische« Verfassung haben solle, ob der Kaiser oder der Reichstag Träger der Souveränität sei. Erst durch den Westfälischen Frieden wird der Sieg der Territorien entschieden und der nationale Einheitsgedanke wenigstens auf politischem Gebiete zurückgedrängt. -- Ein sehr interessantes, fesselnd geschriebenes Buch schenkt uns Maja Depner < 959>. In seinem Mittelpunkt steht die Persönlichkeit Gabriel Bethlens (Bethlen Gabors), in dessen oft als unzuverlässig und wankelmütig aufgefaßte Politik sie gestützt auf ungarische Forschungen eine gewisse Einheit zu bringen vermag, indem sie die Bildung eines von Habsburg unabhängigen, autonomen Nationalstaates als ihr Ziel betrachtet. Diese schließt sich an an die Bestrebungen Stefan Bocskays, der auch schon ein eigenstaatliches Leben Siebenbürgens zu begründen suchte im Interesse der Freiheit Ungarns, ohne aber so weitgehende Folgerungen daraus zu ziehen wie Bethlen. Die geniale, allerdings in ihren Zielsetzungen oft die Grenzen des Möglichen überschreitende Persönlichkeit Bethlens wird auch sonst gewürdigt. Natürlich fällt dabei auch manches Licht auf die habsburgische Politik der Zeit, besonders auf die Gründe, weshalb auch ihre Gründung eines Donaustaates schließlich scheitern mußte, und auf wichtige Vorgänge des Dreißigjährigen Krieges. Nach dem Tode Bethlens trat Siebenbürgen einige Jahre vom Schauplatz zurück, dann wurde es von dem energischen, aber doch vorsichtigen Georg Rákóczy wieder in die aktive Politik eingeführt, jetzt aber nicht mehr von den hohen Gesichtspunkten Bethlens aus, sondern mit weit beschränkteren Zielen und als Glied der französischen Einkreisungspolitik gegen den Kaiser. Während die Verfasserin in einem ersten


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Hauptteil ihre Auffassung nach der Folge der Begebenheiten entwickelt, erörtert sie im zweiten den Anteil, den die ständische, die religiöse und die nationale Frage bei dem Widerstand Ungarns gegen den Aufbau des habsburgischen Donaustaates gehabt haben. Sie hat dabei auch Gelegenheit, auf die Rolle einzugehn, die die Deutschen Ungarns sowohl wie die Siebenbürgens in diesen Verwickelungen gespielt haben, und die Schicksale, die ihnen dabei zufielen, vernichtend für die Ungarns, ohne wesentlichen Nachteil für die Siebenbürgens. --

In die erste Periode des Krieges führen uns sonst nur zwei kleinere Arbeiten. I. Hübel < 960> veröffentlicht ein alphabetisches Verzeichnis der im Jahre 1620 in Nieder- und Oberösterreich kompromittierten Protestanten und bringt die Lebensdaten der einzelnen, so weit sie sich haben feststellen lassen. Zugrunde liegt ein Verzeichnis, das sich im Hofkammerarchiv in Wien befindet. Das jetzt vorliegende Heft enthält die Namen von A--O, im ganzen 60 Personen. -- Genaue Mitteilungen über den Zug der Mansfelder durch die Mark im Jahre 1626 und den wahrscheinlich durch Unvorsichtigkeit der Reiter verschuldeten Brand vom 26. April, durch den die Stadt Nauen vernichtet wurde, macht nach Akten des Geheimen Rats O. Liebchen < 961> und bringt besonders die Zeugenaussagen über den Brand wörtlich zum Ausdruck.

Aus der schwedischen Periode des Krieges ist vor allem das Erscheinen des vierten Bandes des schwedischen Generalstabswerkes < 962> hervorzuheben. Die Vorzüge, die wir an dem dritten Bande rühmen konnten <1936, S. 241 f.>, zeichnen auch den jetzigen aus: gleichmäßige Berücksichtigung von Politik und Kriegführung und zwar sowohl auf schwedischer wie auf kaiserlicher Seite, erschöpfende Benutzung des gedruckten und des handschriftlichen Materials, glänzende Ausstattung und leicht verständliche Darstellung. Den Inhalt des Bandes bilden die Operationen in Mecklenburg an der Grenze der Jahre 1630 und 1631, die Einnahme Frankfurts a. d. O. durch die Schweden, der Leipziger Protestantenkonvent, die Einnahme Magdeburgs durch Tilly, Gustav Adolfs Lager bei Werben und schließlich die Schlacht bei Breitenfeld. Die Fülle des Materials bringt uns viele neue Kenntnisse. Speziell über die sächsische Armee bei Breitenfeld hätte sich aus dem allerdings erst 1937 erschienenen, von den Verfassern noch nicht benutzten Werke von Rudert <1937, 932, S. 268> vielleicht noch manche Einzelheit entnehmen lassen. Die Beilagen des Bandes bringen noch viel militärisches Detail. Vor allem aber sind dem Werke noch zwei vollständige Beilagenbände beigegeben. Der erste ist dem Seekrieg für die Jahre 1611--1632 gewidmet und beruht auf außerordentlich gründlichen Studien der seehistorischen Abteilung des schwedischen Marinestabes. Er enthält weiter einen Überblick über die Kriegsverfassung und Heeresorganisation im deutschen Reiche zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges, der zwar nichts Neues bringt, aber das Wesentliche hübsch zusammenfaßt, endlich eine außerordentlich interessante Abhandlung über das schwedische Nachrichtenwesen während des Feldzuges in Deutschland, aus der deutlich hervorgeht, wie gründlich auch dieses unter persönlichem Anteil des Königs organisiert war und daß die Überlegenheit offenbar auch auf diesem Gebiete auf schwedischer Seite war. Der zweite Beilagenband (Stockholm 1938, XVI und 544 S.) enthält eine mit vielen Abbildungen geschmückte Arbeit von Th. Jakobson über Bewaffnung und Bekleidung sowohl der Schweden wie ihrer Gegner. Hier war vor allem die größere Einheitlichkeit auf schwedischer Seite; selbst Wallensteins Organisationstalent konnte


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nicht dagegen aufkommen. Das große Werk wird künftig allen eingehenderen Forschungen zugrunde liegen müssen. -- Wer sich kürzer über das Leben des großen Königs unterrichten will, wird gern zu dem Buche Ahnlunds < 963> greifen, und es ist sehr erfreulich, daß es jetzt auch den deutschen Lesern durch eine Übersetzung zugänglich gemacht ist. Sie liest sich sehr gut. Bezüglich des Inhalts und der Eigentümlichkeiten des Werkes kann auf die Besprechung der schwedischen Ausgabe verwiesen werden <1932, S. 203>. Hinzugefügt sei, daß im 6. Kapitel: »Die evangelische Sache« im Gegensatz zu Droysens Auffassung alle die Äußerungen des Königs zusammengestellt werden (S. 366 ff.), die zeigen, in wie hohem Grade sich die Gefährdung der evangelischen Sache bei ihm mit der Sicherheit Schwedens und seinen sonstigen politischen Zielen verknüpfte. -- Eine einzelne Seite aus dem Wirken Gustav Adolfs hatte Norman < 964> zum Gegenstande seines auf dem internationalen Kongreß für Geschichtswissenschaft in Zürich gehaltenen Vortrags gemacht: sein Wirken als Feldherr. Zuerst mußte der König als Organisator der Armee tätig sein, wobei er sich an niederländische Vorbilder anschloß, sie aber verbesserte. 1628 war diese Aufgabe gelöst. Jetzt war die auf der großen Beweglichkeit aller drei Waffengattungen beruhende neue schwedische Taktik möglich. Als Feldherr war der König aber bis zur Schlacht bei Breitenfeld zu einer vorsichtigen methodischen Kriegführung nach der Art der Zeit genötigt, erst von Breitenfeld an konnte er seine eigene Strategie, die den entscheidenden Sieg auf dem Schlachtfelde suchte, entfalten. -- Norman rechtfertigt auch den persönlichen Einsatz Gustav Adolfs in der Schlacht mit dem großen Einfluß, den er dadurch auf die Soldaten gewann. Der Schlacht, in der der König den Tod fand, ist Seidlers < 968> Untersuchung gewidmet. Anknüpfend an Srbik <1926, 1044, S. 301>, der auf die Benutzung der Relation des Generalwachtmeisters von Desfours über den Tod Gustav Adolfs durch Khevenhiller hingewiesen hatte, untersucht er die Quellen Khevenhillers über die Schlacht bei Lützen und die Art ihrer Benützung und kommt zu dem Ergebnis, daß der Geschichtsschreiber die wertvollsten Quellen benutzt und sie im ganzen auch gewissenhaft verarbeitet hat, wenn ihm auch einzelne Irrtümer unterlaufen. Besonders wertvoll ist sein Bericht über den Tod des Königs.

Auch die Wallensteinliteratur ist wieder um einige Nummern vermehrt worden. Die Biographie von F. Watson < 965> ist dadurch etwas schwer zu genießen, daß der Verf. jede Inhaltsangabe, ja fast jede Gliederung seiner Darstellung unterlassen hat, auch stört zuweilen eine gewisse Weitschweifigkeit. Aus dem Vorwort und der Quellenübersicht kann man entnehmen, daß der Verf. gründliche selbständige Studien gemacht hat, auch bei der Lektüre des Werkes gewinnt man diesen Eindruck. Die Darstellung ist fesselnd, eine starke Sympathie für den Herzog unverkennbar. So ist W. denn auch geneigt, ihm ideale Motive, vor allem das Streben nach Frieden für Deutschland, den er evtl. dem Kaiser aufzwingen wollte, zuzuschreiben. Dabei werden die Darlegungen Pekařs wohl etwas zu wenig berücksichtigt, wenn der Verf. ihn auch zitiert. -- Dessen Werk hat zu den Untersuchungen von Schieche und Goetz den Anstoß gegeben. E. Schieche < 966> geht in der Gestalt eines Nachrufs auf Pekař auf den Stand der Wallensteinforschung ein. Er erkennt die Verdienste Pekařs an, glaubt aber, daß dieser in manchen Punkten, z. B. in dem Einfluß, den er den böhmischen Emigranten und Arnim zuschreibt, zu weit gehe. Er weist außerdem darauf hin, daß Bergl und Srbik in mancher Beziehung an ihren früheren


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Anschauungen festhalten, z. B. in der Beurteilung des Berichtes Raschins, des Chaos perduellionis und vor allem in der Frage nach den letzten Zielen Wallensteins. So bleibt Srbik (MÖIG. 41, 1937, S. 497--503) doch noch bei der Meinung, daß Wallensteins Ziel der Friede im Reich und in Böhmen gewesen sei, ebenso bei der harten Verurteilung der dem General feindlichen Partei bei Hofe. Hier liegen noch nicht endgültig erledigte Probleme vor. Auch sonst macht Schieche auf einige noch zu lösende Aufgaben der Wallensteinforschung aufmerksam. --Goetz < 967> verhält sich im wesentlichen zustimmend Pekař gegenüber und erörtert im Anschluß an ihn besonders das Verhältnis zwischen Wallenstein und Maximilian von Bayern. Ausgehend von der Verschiedenheit ihrer Persönlichkeiten folgt er in großen Zügen der Entwickelung ihres Verhältnisses. Er meint, daß dem Hasse gegen Maximilian bei den Handlungen Wallensteins eine noch größere Bedeutung zuzuschreiben sei, als Pekař getan habe.

In dem Aufsatze von A. Leman < 969> handelt es sich besonders um die Bemühungen der französischen Regierung, den heiligen Stuhl für eine Kandidatur Maximilians von Bayern zu gewinnen. Sie hatten gar keinen Erfolg, weil Urban VIII. im Interesse des Reiches und der eben in Köln beginnenden Friedensverhandlungen die schleunige Wahl Ferdinands III. für notwendig hielt. Auch Maximilian selbst hatte übrigens keine Neigung, nach dem Throne zu streben. -- Auf den eben erwähnten Kölner Kongreß führt uns der Bericht des Sekretärs Ondedei, den H. Kühn-Steinhausen < 971> im italienischen Text und deutscher Übersetzung aus der Sammlung Chigi der vatikanischen Bibliothek abdruckt. Der Bericht legt in sehr anschaulicher Weise dar, weshalb der Kongreß nicht von der Stelle kam, weil nämlich niemand etwas herausgeben wollte und besonders die Franzosen die Verhandlungen nur zu verschleppen suchten. Ondedei riet daher, die Tagung nicht weiter fortzusetzen.


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