II. Einzeluntersuchungen in räumlicher und zeitlicher Folge.Nur der Untersuchungen von größerer Tragweite ist an dieser Stelle zu gedenken; eine
künftige Zusammenschau allseitiger deutscher Siedlungsgeschichte wird um der räumlich möglichst
geschlossenen Betrachtung willen auch solchen Beiträgen Aufmerksamkeit schenken, welche über orts- und
landesgeschichtliche Bedeutung kaum hinausragen, wohl aber den Nachweis der Verbreitung allgemeiner
S.316 Erscheinungen im einzelnen durchführbar machen. Leider ist festzustellen, daß den Bemühungen um Gleichmäßigkeit in der Bezeichnung der Siedlungstypen <1935, S. 330 f.> noch keineswegs hinreichend Beachtung geschenkt wird. Bemerkt sei, daß einige Arbeiten aus äußerem Anlaß leider noch nicht Berücksichtigung finden konnten.Den östlichen Niederlanden ist ein
für den Vergleich mit dem deutschen Nordwesten wichtiger Aufsatz H. J. Keunings gewidmet, der die
Eschsiedlungen kennzeichnet <
1824>, mit Hervorhebung landschaftlicher Unterschiede in Drente,
Oberijssel und Gelderland. Nach Schilderung der Wirtschaftsweise, die eine gemischte Betriebsform zeigt, bespricht K.
verschiedene Arten der Ansiedlung und der Eschanlage. Es gibt Esche mit Blockgewannen, gewannartige Esche mit
Streubesitz der Erben, allerdings sind diese nicht auf einmal zustandegekommen; andere, die »Streifenesche«,
zeigen Konzentration des Erbenbesitzes in der Nähe des Hofes, bei verbesserter Agrartechnik (Pflügen). Die
erste Ansiedlung geschah in kleinen Gruppen oder Familien mit Kranzsiedlung um den Esch, auch in Schwarmsiedlung oder in
Einzelhöfen. Schon im 8. Jh. war eine Organisation in Dorfgemeinden vollzogen; seit der karolingischen Zeit geschah
Gründung von Salhöfen (curtes), von hier aus die Anlage kleinerer Höfe ringsum in bäuerlichem Besitz
gegen Zinspflicht; bisweilen konnte ein solcher Hof in Nähe eines Eschdorfs begründet werden. Endlich gedenkt
K. der jüngeren Entwicklung (Zuwanderung von Köttern, Anlegung von Kämpen, Auszug der Bauern aus dem Dorf
u. a.) bis ins 19. Jh. Gg. Niemeier erörtert Fragen der Flur- und Siedlungsformenforschung im
Westmünsterland <
1807>. Die Flurtypen beschreibt er ähnlich wie K.: Es gibt Esche mit
langstreifigen, gleichgerichteten Besitzparzellen der Erben; Gewannfluren kommen als jüngere Flurform vor. Eine
andere Flurart zeigt annähernd quadratische Blöcke (Kurzgewanne); dazu gibt es die Anlage in früher meist
eingefriedigten Kämpen, darunter solche mit geradliniger Ausdehnung (Streifenkampflur). Älteste
eschmäßige Teile der Flur bei Dörfern konnten erweitert werden, so daß sich der Unterschied
zwischen Esch und Gewannflur verwischt. Esch als Flurform und als Flurname decken sich nicht. N. bespricht sodann das
Besitzrecht und die Bodentypen der Eschfluren, auch die Art des Anbaus. Zur Altersbestimmung der Esche nutzt er die
Ergebnisse der Bodenfundforschung; er verfolgt sie mindestens bis in die frühgeschichtliche Zeit, zum Teil aber
viel weiter zurück: die Streifenflur ist nordisch-germanischen Ursprungs. Als ländliche Siedelformen scheidet
N. kleine lockere Haufendörfer (Weiler), Schwarmsiedlungen, im Kranz um den Esch oder in Streifen oder Reihen
(»Esch-Reihensiedlung«), endlich Einzelhöfe. Für die Art der Beobachtung prägt er das Wort:
»Gewannaugen sehen anders als Eschaugen.« Der Siedlungsgeschichte des oberen Sauerlandes hat Alb.
Hömberg eine eingehende Untersuchung gewidmet <
1808>; sie gründet sich auf sorgsamste Durcharbeitung eines reichen
Quellenstoffs und zeigt deutlich den Wert der Vertiefung in derartige eingeschränkt landesgeschichtliche Probleme.
Bei der dem Verfasser eigenen grundsätzlich historischen Einstellung wird die rückwärtsschreitende
Forschungsmethode befolgt: vorerst wird nach einer Schilderung der Landschaft das Siedlungswesen und Wirtschaftsleben in
neueren, quellenmäßig klar faßbaren Zeiten, 1535--1935, behandelt; von dieser festen Grundlage aus wird
die Betrachtung auf die Siedlungsprobleme des Spätmittelalters gelenkt. Einen breiten
S.317 Raum nehmen Bevölkerungsstatistik und die mit treffendem Urteil behandelte Wirtschaftsgeschichte jener Gegenden ein. Überhaupt handhabt H. gern die Methoden zahlenmäßiger Berechnung und Erfassung der Größenverhältnisse. Dies zeigt sich auch in dem Abschnitt über die Siedlungsformen (Größe, Grundrißgestaltung, Flurform); als Hauptgegensätze werden dabei Langstreifenfluren (in ihrem Gebiet die Eschgenossenschaften) und Blockfluren (ursprünglich mit freier Einzelbewirtschaftung) sowie daraus hervorgehende Kurzstreifenfluren unterschieden, jedoch mit dem Hinweis auf die in Wirklichkeit bestehenden Übergänge und Mischformen. Bei der Erklärung geht H. besonders auf die ländlichen Sozialzustände, die Bewirtschaftungsmethoden und das Erbrecht ein; einige aufs genaueste bearbeitete Einzelbeispiele nebst Flurkarten erläutern dies näher. Lehrreich sind die Ausführungen über den Großgrundbesitz, das Bauerntum, die Arten der Höfe, auch die Markgemeinschaft, über Forstwirtschaft, Bergbau und Eisenindustrie, die Städte, Marktorte und »Freiheiten« nebst den Landstraßen, endlich über das Problem der Wüstungen, mit manchen bemerkenswerten Besonderheiten der Geschichte des Sauerlands. Die beigegebenen recht klaren Karten der Siedlungen und der Volksdichte in den Jahren 1536, 1818 und 1905 seien als ein neuartiger Versuch erwähnt. Der bäuerlichen Siedlung des Ravensberger Landes an den nördlichen Weserbergen gilt eine tüchtige Arbeit H. Riepenhausens < 1806>; sie ist unter kulturgeographischem Gesichtspunkt abgefaßt, erstrebt jedoch Erklärung aus dem Geschichtlichen, um so mehr, weil sich die bäuerlichen Zustände in dieser Landschaft überraschend gut erhalten haben. Bei dem Rückblick auf die »urgeschichtliche« Zeit wird festgestellt, daß es schon während der neolithischen Zeit eine volle Kulturlandschaft gab (Rodung im Eichenmischwald); seit der Bronzezeit sind Funde meist auf dem späteren Esch oder nahebei ermittelt. Bei der Behandlung der altsächsischen Siedlung geht R. ausführlich auf die Eschfluren und ihre topographischen Verhältnisse ein, dazu auf das »Eschdorf«, die Lagerung seiner Gehöfte (meist nur 5--7), Besitzverhältnisse und Rechtslage der Bauern, weiterhin auf die Marken, die Verbreitung von Wald und Freiland. Aufschlußreich sind die Bemerkungen über die Höfe (auch die Sattelhöfe). Im Mittelalter und in der frühen Neuzeit entstanden Erbkotten- und Markkottensiedlung. Eine Schilderung des Landschaftsbildes um 1770, vor den großen Gemeinheitsteilungen, wofür die beigegebene Karte Wald, Heide und Offenland zeigt, macht den Beschluß, mit einem Ausblick ins 19. Jh. Von geographischer Seite ist auch die Untersuchung angeregt, die W. Schünke dem Lande Großhadeln zwischen Weser- und Elbmündung gewidmet hat < 1789>; im besondern gilt es die Verschiedenheiten der Siedlung auf der Geest und in der Marsch herauszuarbeiten. Von Eschsiedlungen spricht Sch. nicht; er scheidet auf der Geest Haufendörfer und »Reihensiedlungen« mit Gewannen auf besten und zweitbesten Böden, ferner Weiler mit Blockgemengflur auf minder günstigem Boden, auch Blockfluren, wo der Besitz in Kämpen lag. Eigenartig ist die friesische Flureinteilung in lange schmale Lose (Spallen), die zu »Thenen« zusammengefaßt werden. In der Marsch entstanden, bei ansteigender Flut, Siedlungen auf der Großwurt im Kreis, Wurtgruppensiedlung und Einzelwurten; Flurform vor der Kolonisation war hier die Blockflur. Die Kolonisation hat sodann (12., bis ins 13. Jh.) die »Hufenlandschaft« in den Marschen geschaffen, unter Ansetzung der Kolonisten, die nicht ausschließlich niederländischen Ursprungs waren, sondernS.318 auch von der Geest herüberkamen, längs der Dorfstraße »strichweise« mit den regelmäßigen Hufen (etwas größer als bei Bremen). Sch. unternimmt es auch, den Anteil der Stämme an der Besiedlung, Sachsen und Friesen, zu ermitteln, nach den Ortsnamen, auch nach dem Recht beim Erbgang und gewissen Grundlasten: altsächsisches (engrisches) Recht (nur Erbrecht der Schwertseite; Wehrpfennig als Kriegssteuer) gegen Hollerrecht (Erbe aller Kinder; Königszins auf der Hufe). Im MA. werden in den meisten Dörfern der Geest adlige Sitze festgestellt; von ihnen aus sind die »Büttelsiedlungen« begründet worden. In aufschlußreichen Darlegungen wird die weitere Entwicklung bis zur Gegenwart gekennzeichnet: Verfall der Geest unter dem Druck der Herrschaft und eines ungünstigen Agrarrechts auf die Meier, dann wieder neue Blüte, die Agrarreformen des 18./19. Jh.'s, endlich die wirtschaftlich-sozialen Auswirkungen auf die Siedlung in der jüngsten Vergangenheit. In ein stammesverwandtes Land führt ein Aufsatz H. Jankuhns hinüber < 1791>, der die Besiedlung Schleswig-Holsteins von den Anfängen des Ackerbaus (Jungsteinzeit), vornehmlich im 1. nchr. Jahrtausend überblickmäßig behandelt, in Verbreitungsbildern, die nach den Bodenfunden gewonnen sind (mit Kartenskizzen). Dabei ergeben sich Kulturgruppen, deren Verbreitungsgebiete im Wandel der Zeiten, wenn auch mit Schwankungen, wiederzukehren pflegen (im 3./4. Jh. ist anglisches Gebiet umgrenzbar; im 8./10. Jh.: nordelbingische Sachsen, Nordfriesen, in Ostholstein Beziehungen zu Slawen, Nordgermanen). Hervorgehoben seien die Angaben über die ältere sächsische Siedlung (Beispiel: Hodorf sw. Itzehoe, um 400, mit Ezinge in Holland vergleichbar). Das Auftreten der Wurten im Gegensatz zu den »Flachsiedlungen« ist ähnlich wie in Hadeln. Auch auf die Flurformen weist J. hin: die »sächsische Gewannflur« ist bei der Neubesiedlung der Marschen berücksichtigt worden; die typische Marschhufenflur geht auf friesische Einflüsse zurück.Im mittleren Deutschland kommen allmählich
die siedlungskundlichen Untersuchungen lebhafter in Gang. Ein Siedlungsbild des Grabfelds ist von M.
Horbelt <
1814> entworfen und geschichtlich näher begründet worden. Als
älteste Dörfer erscheinen die jetzt haufenmäßigen mit Gewannen; doch gibt es Gewannfluren auch
jüngeren Ursprungs, bis ins 16. Jh. hinein. Blockfluren bei Weilern und Einödfluren treten auf, im hohen MA.
Waldhufen, die vielfach zerschlagen sind; besonders hervorgehoben werden die schmalen »Riemenfluren« (?
zerteilte Waldhufen). Einer Schilderung des Aussehens der bäuerlichen und Herrschaftsdörfer, der Märkte
und Städte folgt ein Überblick über die Besiedlungsvorgänge nach Funden, Nachrichten, Orts- und
Flurnamen, Flurformen u. a., besonders der hermundurisch-fränkischen Zeit (Landnahme sippenweise) und der Rodungen
(seit 10./11. Jh.), allerdings ohne auf das gerade hier wichtige Problem der Herrschaftssiedlung und des Freibauerntums
näher einzugehen, sodann Besprechung der Periode der Wüstungen (1350 bis 1596) und weiter der jüngsten
Veränderungen, dazu Tabellenanhang und Kartenskizzen (Waldverbreitung). Eine recht tüchtige Leistung ist die
Arbeit Ad. Deists über die Siedlungen der Bergbaulandschaften an der hessischthüringischen
Grenze <
1805>. Eine Folge von Siedlungsbildern wird hier mit Auswertung aller
Quellen und Forschungsmöglichkeiten dargeboten: für die Zeiten der Vorgeschichte, das frühe MA., das
Hochma. mit seinem Landesausbau, für die Entsiedlung mit Eingehen auf die verschiedenen Formen und
S.319 Anlässe des Wüstwerdens (ein Seitenblick fällt auf die Waldpolitik der Landgrafen); das Siedlungsbild am Ende der kurhessischen Zeit macht den Beschluß. Geschickt wird dabei die innere landschaftliche Gliederung herausgearbeitet; schon früh trat der Gegensatz von Zechstein- und Buntsandsteingebiet hervor. Die Umgestaltung der Dorfgrundrisse in der Neuzeit wird aufgezeigt, die Flurzersplitterung als Folge der Erbteilung (vom 15.--18. Jh.) nachgewiesen, wobei der Einfluß der Wirtschaftsstruktur auf die Siedlung (Wein- und Hopfenbau, Bergbau, Gewerbe u. a.) zur Sprache kommt. Eigenartig waren die Wechselwirkungen zwischen den kleinen Städten und den Landorten im Wandel der wirtschaftlichen Verhältnisse. Zuletzt wird der Gegenwart mit ihren gestaltenden Kräften gedacht und auf den Wandel der Größe der Siedlungen, ihres Grundrisses und Aufrisses hingewiesen. Für die Geschichte von Siedlung und Verkehr im thüringisch-fränkischen Grenzbereich verdient die Einzelstudie G. Ungers über die Stadt Gräfenthal und das umliegende Herrschaftsgebiet Beachtung < 1803> (mainfränkische Zuwanderung im Süden, Aufkommen von Eisenerzbergbau, Saigerhütten und Industrie).Aus dem deutschen Südwesten liegt eine willkommene Gabe
vor, K. Wellers Besiedlungsgeschichte Württembergs <
1812>. Das Lebenswerk eines Forschers ist darin beschlossen, der sich seit
jungen Jahren aufs gründlichste mit dem Siedlungswesen seines Heimatlandes befaßt und dabei eigene Wege
beschritten hat. Eine Zusammenfassung des Errungenen wird jetzt geboten; W. denkt daran, daß es ein rechtes
Volksbuch werden möchte. Zu allen einschlägigen Fragen nimmt er Stellung; er bespricht die Landnahme der
Alamannen, die Anlage, Namengebung und Verfassung ihrer Urdörfer in den verschiedenen Landesteilen, die Kultur der
Reihengräber, den Landesausbau, seine äußeren Formen und seine Bedeutung für die ständische
Gliederung von der Karolinger- bis zur Stauferzeit, die Errichtung der Burgen, die Gründung von Märkten und
Städten. Die Auffassung ist aus langjähriger Erfahrung erwachsen; die wesentlichen, früher gewonnenen
Deutungen hält W. fest. Das Buch wird auch in Zukunft eine verläßliche Grundlage und einen Ausgangspunkt
für weitere Forschungen bieten, auch wenn mit neuen Methoden weitergestrebt wird. Dankenswert ist die Beigabe der
großen Topographischen Karte 1 : 200_000. In Österreich führt Ad. Klaar seine
ausgezeichneten Studien »siedlungsgeschichtlich-technischer« Art mit Eifer und Erfolg weiter und baut sie
landschaftsweise aus. In übersichtlicher Darstellung schildert er die in Österreich auftretenden Siedelformen
mit dem Blick des Architekten und Geländekenners wie als geschulter Volkskundler <1937, S. 348 f.> und ordnet
sie historisch ein <
1815>; er weist im dortigen Donauraum <
1816> die alten Siedelhorste nach, zeigt den Landesausbau und die
Entstehung der Markortsanlagen und Städte, wobei ein bisher kaum beobachteter Zusammenhang ländlicher und
städtischer Formgebung aufgedeckt wird. Auch die Formen des Hausbaus werden in die Siedeltypenaufnahme geschickt
einbezogen. Auf ausführlich gehaltene Untersuchungen über die Höfe im Wipptal (A. Egger
und L. Steinberger <
1818>) sowie eine Hochsiedlung bei Vinaders (H. Holzmann
<
1819>) kann hier einstweilen nur hingewiesen werden. Die Siedlungskunde
wendet auch den Erscheinungen der jüngsten Vergangenheit ihre Aufmerksamkeit zu. So verdient eine Arbeit F.
Knotzingers über den Rückgang des Gebirgsbauerntums in Niederösterreich <
1821>, insbesondere im Schwarzatal, in den Kalkalpen südlich Wien,
Beachtung als ein
S.320 eigenartiger Beitrag zur »Wüstungsforschung« einer gegenwartsnahen Zeit. Mit Recht erklärt Kn. den Vorgang aus einer Mannigfaltigkeit der Ursachen; er achtet ebenso auf die natürlichen, wie die historischen und wirtschaftlichen Momente (Großgrundbesitz, Niedergang des ländlichen Kleingewerbes, Landerwerb der Stadt Wien). So ergibt sich daraus allgemein Wichtiges zur Erkenntnis der Lebensbedingungen des Bauerntums; auch auf den Einfluß der Denkweise des Bauern in der Gebirgslage wird ganz richtig hingedeutet.Den Sudetenländern ist eine lehrreiche Arbeit K. von Maydells gewidmet < 1744>, wobei an den historisch-politischen Begriff, die böhmisch-mährischen Länder, gedacht ist; er behandelt die Quellen zur geographischen Siedlungskunde und Siedlungsgeschichte und erweist sich als ein kundiger besonnener Führer zur Kenntnis und Beurteilung der vorliegenden Forschungen über die verschiedenerlei Probleme des in Betracht gezogenen Raumes. Besonders dankenswert sind die Mitteilungen über das Verfahren und den Stand seiner eigenen noch nicht veröffentlichten Arbeit über die Siedelformen und ihre Verbreitung in Böhmen, Mähren und Schlesien sowie die Auseinandersetzung mit dem tschechischen Geographen Pohl; auch über die umstrittene »Rundlingsfrage« finden sich dabei Bemerkungen. Eine ungewöhnlich aufschlußreiche Einzeluntersuchung besiedlungsgeschichtlicher Art bietet W. Latzke für das Oppaland < 1823>; er arbeitet die Verbreitungsgebiete der wichtigsten Siedlungsformen heraus und erklärt sie geographisch wie historisch. Bei der Zuwanderung scheidet er zwei Bewegungen, die eine über Mähren, die andere jüngere von Norden her; bei jener wird ostsaalisch-fränkisches Ausgangsland angenommen (Beziehungen zum thüringischen Herrscherhause). Lehrreich sind die siedlungs- und rechtsgeschichtlichen Ausführungen über die Städte Troppau, Leobschütz, Freudenthal und seine Fernwirkungen (Bergbau!), auch Jägerndorf. Sehr rüstig schreitet die siedlungsgeschichtliche Arbeit in Schlesien voran. H.
Schlenger, Das Siedlungsbild Schlesiens <
1794>, gibt in knappster Fassung einen Gesamtüberblick von der
frühgermanischen Besiedlung bis zur Landesplanung der Gegenwart, zugleich mit einer Einführung in die
siedlungskundliche Arbeitsweise, zumal für Heimatforscher. Eine Sammlung von Beispielen schlesischer Dorfformen ist
unter Leitung von H. Knothe herausgegeben worden <
1797>. Die Wiedergabe der 90 Kartenausschnitte aus den
Meßtischblättern ist vorzüglich; indes ob es zweckmäßig war, die Bezeichnung nach den
Vorschlägen verschiedener Wissenschaftler den Heimatforschern gleichsam zur Auswahl zu stellen, ist sehr
zweifelhaft. Es wäre ratsamer gewesen, daß sich die vier Mitarbeiter jeweils über einen einhelligen
Vorschlag, gegebenenfalls mit Beifügung eines Nebenmoments, das bei der Typenbestimmung nicht voll zum Ausdruck
kommt (z. B. Reihen- oder Straßendorf am Bachrand), vorher einigten. Eine außerordentlich umfang- und
inhaltreiche Schrift ist Fr. Schillings Werk über die Frühzeit des Deutschtums in Schlesien
und im Lande Lebus <
1796>. Eine langjährige mühevolle Vorarbeit ist darin
niedergelegt, die mit großer Hingabe und sichtlichem Eifer geleistet wurde; offenkundig ist viel Scharfsinn dabei
betätigt worden. Sch. ist ein guter geographischer Beobachter, dies ist seine Stärke. Nicht überwunden
ist die Schwierigkeit, die darin liegt, daß das neue schlesische Urkundenbuch noch nicht erschienen ist. Mit Recht
hat Sch. gegen L. Schulte Stellung genommen, dessen überspitzende Verdächtigung von Urkunden in die
schlesische Siedlungsgeschichte Unsicherheit hineingetragen
S.321 hat; aber die neue Grundlage gesicherter Beurteilung urkundlicher Überlieferung hat Sch. trotz kritischer Benutzung der Texte noch nicht schaffen können. Im Zusammenhange dieses Berichtes sei nur Siedlungsgeschichtliches hervorgehoben. Mit gutem Grund setzt Sch. die Anfänge deutscher Zuwanderung nach Schlesien noch in das 12. Jh., nicht nur wegen der Klostergründungen, auch im Blick auf den Bergbau (Münzreform unter Boleslaw I.). Die Besiedlungsvorgänge des 13. Jh.'s werden jeweils für Kleinlandschaften behandelt (um Städte, Klöster oder nach Flußgebieten), mit sehr beachtlichen Überlegungen und Eingehen in die Ortsgeschichte; auch Kunstgeschichte und Namenkunde finden Berücksichtigung, bisweilen auch Flurstudien (Frankfurt a. d. O.). Eine übersichtliche, rein historische Zusammenfassung hat Sch. am Schluß nicht unternommen; wohl mit Absicht nicht: es scheint dafür trotz allem Geleisteten noch zu früh zu sein. Der sachliche Gehalt der Darlegungen Sch.s sichert ihnen auch für künftige Auseinandersetzung über die Probleme schlesischer Siedlungsgeschichte ernste Berücksichtigung. In steigendem Maße wendet sich die Erforschung der deutschen Ostsiedlung auch den Zeiten nach der Hochkolonisation zu. So bietet W. Kuhn, der als trefflicher Kenner dieser Vorgänge bekannt ist, eine überschauende Darstellung neuzeitlicher Siedlungsbewegungen im gesamtschlesischen Raum mit ihren Ausstrahlungen besonders nach Polen hinein < 1793>. Vom Spät-MA., der Wüstungszeit, ausgehend, schildert er die Bergbau- und Hammersiedlungen zu Beginn der NZ., die vordringende Industriesiedlung im Gebirge (seit 1550), die Wiederbesiedlung wüstgewordenen Bodens in den Ebenen und Beckenlandschaften, darunter sog. Holländereien, die Neusiedlung in den Städten, die Kolonisationen des aufgeklärten Absolutismus, endlich den Siedlungswandel des 19. Jh.'s bis zur Wende seit 1933. Eine recht lehrreiche Einzelstudie bietet H. Frohloff)) Der Verfasser ist im Feldzug gegen Polen am 13. September 1939 bei Wloclawek gefallen (Anm. der Schriftleitung). für den oberschlesischen Kreis Neustadt < 1798>; es spiegelt sich darin deutlich die allgemeine Entwicklung, deren Kenntnis mit bemerkenswerten Einzelzügen bereichert wird: für die Periode slawischer Besiedlung wie für die Zeiten der volksdeutschen Zuwanderung und Niederlassung, besonders auch für die Entstehung der neuzeitlichen Gutsherrschaft, ihre wirtschaftlichen und sozialen Folgen und die Festlegung der Sprachgrenze (Kartenbeilagen).Im Bereich der deutschen Ostseeländer ist als hervorragende Leistung die Schrift Karl Kasiskes
über das deutsche Siedelwerk in Pommerellen zu nennen <
1782>; sie umfaßt die Zeiten von den Anfängen deutscher
Zuwanderung bis zum Ausgang der Ordensherrschaft und stellt die Wirkungen heraus, welche die Niederlassung der Deutschen
und besonders die Siedlungsmaßnahmen des Ordens im wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Aufbau
Ostpommerns gehabt haben. K. bewährt dabei die Vorzüge, die seine frühere Arbeit zur ostpreußischen
Ordensgeschichte auszeichneten: gründliche und gewissenhafte Quellenbenützung, historisch-geographische
Beobachtungsgabe und die Fähigkeit zu anziehender Darstellung, trotz des oft spröden Stoffs. Ein lebendiges
Bild der deutschen Volksgruppen entsteht; ihre Rechtsstellung, besonders die der Dienstgüter, wird gekennzeichnet,
der Umfang des deutschen Grundbesitzes, die Bodenpolitik des Ordens, die Fortschritte der
S.322 Landeskultur (in einer Schilderung nach Komtureien), die politischen Auswirkungen im Lande und über seine Grenzen hinaus werden in ausgiebiger Beweisführung aufgezeigt. Als Zielsetzung beim Siedelwerk ergibt sich die Absicht, das westliche und östliche Teilgebiet des Ordensstaates auf gleiche Höhe zu bringen und so schärfer zusammenzufassen. Am Schluß wird der Nachordenszeit und des in ihr eintretenden Rückschlages gedacht. -- Zu dem im Vorjahr erschienenen großen Werke der beiden Mortensen über die Besiedlung NO-Preußens <1937, S. 353> liegen verschiedene Besprechungen vor < 1778>. Aus der Geschichte der neuzeitlichen deutschen Ostsiedlung hat Werner Schulz einen Ausschnitt herausgegriffen, die Besiedlungsvorgänge im westlichen Netzegau < 1783>, für die Zeit von der Mitte des 16. Jh.s bis zur Erwerbung für Preußen 1774. Die Besiedlung vollzog sich in Wellen: zunächst Wiederbegründung untergegangener Dörfer (1557), Anlegung von Eisenhämmern und Vorwerken, Versuche mit polnischen Bauern, danach deutsche Dorfgründungen (Schulzendorf und Holländerdorf), Errichtung von Mühlen, Wiederaufleben der Siedlung nach den Schwedenkriegen, Auswirkung der Protestantenverfolgungen in Schlesien, Einwanderung in den ersten Jahrzehnten der preußischen Herrschaft. Sch. stellt jeweils die Verbreitung der Deutschen fest; er kennzeichnet das Siedelrecht, die Ortsverfassung, die wirtschaftlichen Leistungen in Land und Stadt (Tuchweberei). Der Quellenband bringt die Belege in geschickter Aufarbeitung nach den Ortschaften, dazu ein nützliches Verzeichnis der Familiennamen. Drei Karten zeigen die Verbreitung der Siedelplätze nach dem Volkstum, eine die Sitze der Grundherrschaften, dazu Stammtafeln der Schulzengeschlechter -- das Ganze eine sehr förderliche Leistung.In erfreulichem Anwachsen ist die
wissenschaftliche Arbeit begriffen, die der Staatskolonisation des 18. Jh.'s gilt. Mit dem Blick auf das Ganze stellt
Udo Fröse das Kolonisationswerk Friedrichs des Großen dar <
1777>. Die Arbeit, von K. Meyer angeregt und geleitet,
will den Gegenwartsaufgaben dienen; umfangreiches neues Aktenstudium war nicht ausführbar, im wesentlichen
stützt sie sich auf das vorhandene Schrifttum. Mit Recht wird die friderizianische Kolonisation als ein zentral
geplantes und geleitetes Werk betrachtet. In diesem Sinne galt es die Grundlinien der Planung und Hauptzüge der
Durchführung herauszuarbeiten. Dabei wird die Kolonisation in den Gesamtzusammenhang der Politik Friedrichs
hineingestellt. Anwerbung, Herkunft und Leistungsfähigkeit der Siedler, die Landbeschaffung, die
Ansiedlungsbedingungen, der wirtschaftlich-soziale Charakter der ländlichen wie der gewerblichen Gründungen
werden gekennzeichnet, nur knapp die äußere Erscheinung und räumliche Verteilung der Kolonien;
vergleichsweise ausführlich ist die Gegenüberstellung mit dem heutigen Siedlungsvorhaben gehalten, um
Verschiedenheit und Gleichartigkeit der beiderlei Unternehmungen verstehen zu lehren, wobei auf die Neubildung deutschen
Bauerntums, die Ansiedlung von Landarbeitern und Industriearbeitern, auf die rechtlichen Verhältnisse und auch auf
die Siedlungsformen eingegangen wird. Dankenswert ist die Beigabe des neu zusammengestellten Kolonienregisters sowie die
kartographische Übersicht auf Grund der topographischen Karte 1:200_000. Einzelstudien rein historischer Art
bringen O. Gebhard über die Kolonien in Pommern unter familiengeschichtlichem Gesichtspunkt <
1786> und E. Drumm und A. Zink über
die saarpfälzische Kolonisation in Pommern <
1787>, auch dies mit Einzelnachweisen von Kolonisten und ihren
S.323 Familien. Eine Anlage besonderer Art behandelt J. Grabisch: Die reformierte Acker- und Weberkolonie Anhalt in Oberschlesien < 1795>. Die Kolonie entstand auf dem Boden der Herrschaft des Fürsten Pleß (am Ober-Forst). Ein ganzes Dorf mit Bauern deutschen Ursprungs, welche Leineweberei trieben, wurde aus dem Herzogtum Auschkowitz (Galizien) herübergeholt (1770); sehr lebendig wird die Einrichtung der neuen Kolonie bis ins einzelnste, auch mit all den Nöten der Neusiedler, geschildert, zugleich ein Beispiel damaliger Wirtschaftspolitik. Aus Polen und dem Bereich südostdeutscher Kolonisation zur Zeit Maria Theresias und Josefs II., aus Ungarn und Bessarabien liegen einzelne Beiträge in auslanddeutschen Zeitschriften zur Siedlungsgeschichte vor < 1822--1834>. |
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