I. Allgemeines.

Kürschner < 2305> betrachtet die Landeshoheit der deutschen Länder seit 1648 unter dem Gesichtspunkt, daß die Souveränität nicht nur ein rechtlicher, sondern auch ein politischer Begriff ist. Volle Souveränität erkennt er nur dem Reiche Bismarcks und dem Reiche Adolf Hitlers zu. Es widerspricht aber der geschichtlichen Wirklichkeit, wenn er dem Staat Friedrichs des Großen, sowie Österreich und Preußen im 19. Jh. nur deshalb die volle politische Souveränität aberkennt, weil sie nicht über ein einheitliches Staatsvolk verfügten. --Zenthöfer < 2302> verfolgt an Hand der gesetzlichen Bestimmungen und der staatsrechtlichen Lehren den Begriff der Staatsangehörigkeit in Preußen und im Deutschen Reich in seiner geschichtlichen Entwicklung vom Untertan des Absolutismus bis zum Reichsbürger der Gegenwart. -- Die Lehren Robert v. Mohls, Otto Bährs und Rudolf v. Gneists in Umrissen darstellend, legt Asanger < 2306> dar, daß der Begriff des Rechtsstaats politisch begründet ist und sich mit den politischen Gegebenheiten im Laufe des 19. Jh.'s wandelt. -- Die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht, die politischen Reformen Steins, die Ereignisse der Befreiungskriege forderten eine Neugestaltung des Verhältnisses zwischen Bürgertum und Heer, die bisher nebeneinander gestanden hatten. Die Bestrebungen der Liberalen um die Verbürgerlichung des Heeres, den Widerstand des Heeres, insbesondere des Offizierkorps, untersucht Höhn < 2307> auf Grund umfangreicher Quellenstudien. Er beschränkt sich nicht nur auf eine Darstellung der preußischen Verhältnisse, die Vorgänge in den mittel- und süddeutschen Staaten werden ebenfalls berücksichtigt. Die Parlamentsverhandlungen und die zeitgenössische Publizistik, vor allem das fast in Vergessenheit geratene Schrifttum des Offizierkorps werden von ihm ausgewertet. Unsere Kenntnisse über die innenpolitische Entwicklung der deutschen Staaten in der ersten


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Hälfte des 19. Jh.'s werden dadurch beträchtlich erweitert. Im ersten Abschnitt schildert Höhn die Versuche der mittel- und süddeutschen Liberalen, die stehenden Heere in eine Bürgergarde oder Volkswehr umzuwandeln, und als dies scheiterte, den Eid des Heeres auf die Verfassung durchzusetzen. Einen vorübergehenden Erfolg errangen die Liberalen 1848, als ihre Forderungen weitgehend erfüllt wurden. Ein umfangreicher und inhaltlich der bedeutsamste Abschnitt ist dem Widerstand des Heeres gegen das Aufkommen der liberalen Bestrebungen gewidmet. Zunächst sich aus praktischen, militärischen Überlegungen widersetzend, kam dem Offizierkorps erst spät zum Bewußtsein, daß es sich um politisch-ideologische Fragen handelte, daß es sich über seine eigene Aufgabe und Stellung im Staat klarwerden mußte, wenn es bestehen wollte. Aus diesem Gesichtspunkt ist für Höhn das Bildungsstreben des Offizierkorps nicht eine Annäherung an das Bürgertum, sondern ein Mittel in der politischen Auseinandersetzung. Höhn zeigt, wie das Heer allmählich seiner Eigenart und Besonderheit als Organ der Erziehung und Ordnung bewußt wurde, so daß es 1848 politisch nicht unvorbereitet war und seine besondere Stellung im Staat wahren konnte. Die bürgerliche Ordnung erkannte es zwar an, innerlich blieb sie ihm aber fremd. Seine eigene Stellung wahrend, wurde das Heer unpolitisch. Bemerkenswert ist H.'s Auffassung über die kurhessischen Verfassungsstreitigkeiten, die von der üblichen Beurteilung abweicht. Neu und eigenartig ist seine Auffassung von der Reformzeit, als einer dritten Stufe des Absolutismus, in der die Idee des Vaterlandes zur Unterstützung des absoluten Staates bewußt eingesetzt wird. H.'s Untersuchung gibt, wie alle seine Schriften, durch ihre Fragestellung und Betrachtungsweise mancherlei Anregungen und eröffnet neue Gesichtspunkte und Erkenntnisse für die Stellung des Heeres in der zweiten Hälfte des 19. Jh.'s. In einer systematischen und geschichtlichen Übersicht, die Frucht langjähriger Arbeit, zeigt Triepel < 2240> die mannigfachen geschichtlichen Formen der Hegemonie oder Führung als einer gesellschaftlichen Einrichtung, die über den Bereich zwischenstaatlicher Bildungen hinausgeht. Ausgehend vom führenden Menschen, dem Führer und seinem Verhältnis zu seiner Gefolgschaft erstreckt sich seine Untersuchung auf die führende Gruppe und den führenden Staat, sowie seine Beziehungen zu dem mit ihm in enger Verbindung stehenden Staaten. T. gibt eine Fülle von Anregungen, sein Buch enthält zahlreiche feine Beobachtungen, geschichtliches Verständnis und juristischer Scharfsinn sind in ihm vereinigt.


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