IV. Mittelalterliche Handelsgeschichte.

A. Hackman < 2438> behandelt klar und überzeugend einige archäologische Funde, die in Pukkila in Isokyrö am Bottnischen Meerbusen gemacht worden sind. Es handelt sich um Grabfunde aus dem 6. Jh. und aus dem 8. Jh., aus denen sich Handelsbeziehungen besonders nach Skandinavien ergaben, doch zeigen einige Stücke Verwandtschaft mit rheinischen, südwestdeutschen, südrussischen und ungarischen (awarischen) Funden auf. -- Ausgehend von den Funden auf Birka, aber das in Betracht kommende Fundmaterial Skandinaviens außerdem heranziehend, untersucht H. Arbman <1937, 2172> die Herkunft der Waren, aber auch die der Stilelemente und künstlerischen Motive. Er weist damit, vorzüglich an Hand der Gläserfunde und der Keramik, für das 9. Jh. die großen Handelswege nach, mit denen Schweden in Verbindung stand; wichtig ist vor allem der Handel aus dem Rheingebiet (Mühlsteine aus Eifeltuff) nach Schweden, vor allem über den im 9. Jh. bedeutenden Umschlageplatz Dorstede. Die methodisch gut aufgebaute Arbeit liefert für die Kenntnis des 9. Jh.'s und die Ausdehnung des Karolingischen Handels wertvolle Ergebnisse.

P. Lambrechts <1937, 2171> sucht nachzuweisen, daß die Annahme von H. Pirenne, wonach die Einheit der Antike im Mittelmeergebiet erst durch den Einbruch des Islam zerstört worden sei, ebenso irrig sei, wie die von M. Baynes, wonach sie schon infolge der wandalischen Seeherrschaft zugrunde gegangen sei. In Wirklichkeit sei schon der Handel im spätrömischen Reich sehr stark zurückgegangen, habe aber dann in der Merowingerzeit einen kräftigen Aufschwung genommen. Die Träger dieses Handels seien in Gallien die Syrer und die Juden, nicht aber nationale Kaufleute gewesen. Der Verfasser setzt sich mit der vorhandenen Literatur, die z. T. zu anderen Ergebnissen gelangt, nicht genügend auseinander. -- O. Brogan <1937, 2168> gibt eine Übersicht über den Handel zwischen dem römischen Kaiserreich und dem freien Germanien in der Zeit von Augustus bis ungefähr 400, wobei er sich im allgemeinen auf die Literatur, aber auch auf die Veröffentlichungen der Funde stützt. Eine Reihe von Kartenskizzen illustrieren seine Ausführungen. -- H. St. L. B. Moß <1937, 2170> betont in einem kritischen Referat über den Stand der Frage nach dem Übergang von der Spätantike zum Frühmittelalter die Notwendigkeit einer stärkeren lokalen Differenzierung der wirtschaftlichen Erscheinungen, wobei allerdings die nach den Arbeiten von Dopsch und Pirenne erschienene Literatur nur ungenügend berücksichtigt ist, so daß seinen Einwendungen nur bedingte Bedeutung zukommt. -- H. Laurent < 2436> hält die in Form. imp. Nr. 37 erwähnten Kaufleute für Pfalzkaufleute, die verpflichtet waren, den Hof zu beliefern, so wie die Abteien ihrerseits ebensolche Kaufleute hatten, wobei L. im ganzen die Theorie Pirennes vom Rückgang des freien Handels in der frühen Karolingerzeit übernimmt, die er durch das Vorkommen solcher Pfalzkaufleute gestützt sieht.

H. Ammann <1937, 2173> bespricht die Entwicklung des Handels zwischen Deutschland und Italien vom Untergang des Römerreiches bis zum 12. Jh., wobei er neben der handelsgeschichtlichen Literatur besonders die Münzgeschichte, die neu herausgegebenen Honorantiae civitatis Papiae und die Verkehrsgeschichte der Schweizer Alpenpässe heranzieht und zu dem Ergebnis kommt,


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daß der Handel nie abgerissen, sondern in einem ständigen Ausbau begriffen war. -- E. H. Vogel < 2446> skizziert die Entwicklung des Giroverkehrs im MA. besonders in Italien und Deutschland bis ins 17. Jh. Nach der Feststellung, daß es im Altertum einen Giroverkehr gegeben habe, der in den Stürmen der Völkerwanderung zugrunde gegangen sei, berichtet V., daß er seit dem 12. Jh. zuerst in Italien wieder eingeführt und dann nach Deutschland und England übertragen worden sei. Die eigentliche Ausbildung des Buchgeldes sei im 17. Jh. besonders in England erfolgt. -- A. Sapori < 2441 a> gibt einen lehrreichen Überblick über den ma.'lichen Welthandel, wobei er den italienischen Handel seit den Kreuzzügen in den Mittelpunkt rückt; in einem kritischen Literaturbericht spricht er von der Technik des Handels, seinem Umfang, dem Handelskapital, der Umlaufsgeschwindigkeit, der Aufbringung des Kapitals, der Organisation der großen Unternehmungen, der Durchführung der Handelsgeschäfte und von hervorragenden Kaufmännern. G. Barbieri < 2447> gibt eine treffliche Schilderung von den wirtschaftlichen Zuständen im Herzogtum Mailand und der Entwicklung unter den Visconti und Sforza, die eine klare, wirtschaftsfördernde Politik, eine vorweggenommene merkantilistische Politik mit großem Erfolg durchgeführt haben, die freilich z. B. bei der Rohstoffwirtschaft noch nicht bis ans Ende durchgedacht war. -- E. Schmieder <1937, 2183> untersucht an der Hand von städtischen Rechtsquellen aus dem Raum zwischen Ofen-Prag, Basel, Straßburg und Frankfurt, aber auch aus einigen norddeutschen Städten, jedoch mit Ausnahme von Köln, die Einrichtung der Unterkäufer als Handelsvermittler, für die besonders charakteristisch das Verbot eigenen Handels und die Überwachung durch die Städte ist.

S. Mews < 2444> skizziert eine Geschichte der gotländischen Handelsbeziehungen bis ins 12. Jh., bei der das Schwergewicht der ganzen Arbeit in der Behandlung der Wikingerzeit liegt. Der frühgeschichtliche Fundreichtum bestätigt die hervorragende Stellung der Insel Gotland im skandinavischen Raum. Seitdem die ersten Spuren von Wikingerunternehmen auf Gotland faßbar sind, ist die Insel in wachsendem Maße gerade in den Verkehr mit Südeuropa eingeschaltet worden. Der Verf. gelangt durch die Kombination der allerdings Gotland selbst wenig berührenden schriftlichen Quellen mit den Bodenfunden und den Ergebnissen der Ortsnamenforschung zu teilweise ansprechenden Vermutungen über die Stellung Gotlands in dem Kreis der Wikinger Handelsplätze von Schweden bis zum Schwarzen Meer. -- C. v. Stern < 2445> versucht eine Deutung der im Handelsvertragsentwurf von 1268 genannten Orte Veritin, Ritsagen und Drelleborg, das er am Volchow stromabwärts von Novgorod sucht. -- H. Kownatzki <1937, 2187> bespricht den Wert der Sundzoll-Listen für die Westlandfahrt eines Ostseehafens und kommt zu dem statistisch belegten Ergebnis, daß die Sundzolltabellen und ihre rein statistische Bearbeitung als Quellengrundlagen nicht genügen. -- C. Nordmann <1937, 2182> greift im Anschluß an seine ältere Arbeit <1933/34, 2577> ein interessantes Kapitel heraus, in dem er den steigenden Einfluß der oberdeutschen und oberitalienischen Kaufleute und ihres Kapitals auf den alten Lübeckischen Wirtschaftsraum darstellt. Der Aufbau einer auf dem Kapital begründeten Machtstellung im Ostseeraum tritt besonders im 15. und 16. Jh. hervor. -- Auf Grund umfangreicher Briefbücher des Handelshauses von der Molen, die im Stadtarchiv Antwerpen liegen, behandelt F. Edler < 2451> den Handel dieser Firma nach Italien in den Jahren


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1538--44, wobei sie auch über den Transport, der meist den Landweg benutzte, Nachrichten bringt. -- F. Prims < 2454> behandelt auf Grund der Hanserezesse und einiger Quellen aus dem Antwerpener Stadtarchiv die Verlegung des flandrischen Hansekontors von Brügge nach Antwerpen mit dem Ergebnis, daß der meist in das späte 15. Jh. gelegte Vorgang sich über fast drei Generationen, von 1468--1553 erstreckt hat. Eng verbunden ist der Übergang mit dem allmählichen Sinken Brügges gegenüber Antwerpen, für das der Hansestapel keine Lebensnotwendigkeit mehr war. Gleichzeitig tritt der Niedergang der Hanse in den Verhandlungen mit England, das die wendischen Kaufleute warten läßt und ihnen Bedingungen stellt, in dem Verhalte Antwerpens, das in den Auseinandersetzungen mit Dänemark mehrfach gegen die Hanse Partei nimmt, in der dauernden Uneinigkeit im Bunde selbst, wo die holländischen Staaten und Danzig öfters ihren eigenen Weg gehen, in der Konkurrenz des kölnischen Drittels gegen die wendischen Städte, in der allgemein verbreiteten Angst vor der Hegemonie Lübecks, die alle von dort unternommenen Ansätze lähmt, in Erscheinung. Als 1553 endlich die Verhandlungen zum Ziel führten, war die wirtschaftliche Bedeutung für Antwerpen nicht mehr besonders hoch anzuschlagen. -- G. Mickwitz < 2455> gibt auf Grund umfangreichen, großenteils archivalischen Quellenmaterials aus dem 16. Jh. eine vortreffliche Darstellung des Revaler Handels. M. spricht von hervorragenden Kaufleuten, von den umgesetzten Gütern, von der Organisation des Handels, des Transportes, der Kapitalbeschaffung, der Buchführung, von Unkosten und Gewinn, und gibt uns dadurch ein wertvolles, allgemein gültiges Bild vom Handel einer Ostseestadt. -- Das von E. Schulte < 2456> zum Abdruck gebrachte und mit vielen Anmerkungen versehene Kontorbuch des Jakob Stöve bringt viele Angaben über die Hansischen Maße, Gewichte, Münzen, Waren und Straßenverbindungen um die Mitte des 16. Jh.'s. -- F. Renken < 2457> berichtet sehr interessant über den Flandernhandel des Deutsch-Ordens, besonders der Königsberger Großschäfferei, die Bernstein, ungarisches Kupfer, Wachs und Pelzwerk nach dem Westen und Tuch von dort nach dem Osten brachte, während die Marienburger Großschäfferei Getreidehandel trieb. Dadurch, besonders auch durch die Umfahrt durch den Sund ist der Gegensatz zwischen dem Orden und der Hanse sehr verschärft worden.

B. Reißig < 2460> untersucht die Handelsbedeutung einiger Plätze an der wichtigen Fernverkehrsstraße Frankfurt-Erfurt-Leipzig-Breslau, die im Raume der Wettinischen Territorien als »Hohe Landstraße« wohl die bedeutendste West- Ostverbindung geworden ist. Die nördlich davon durch die Goldene Aue über Halle, Glogau ziehende »Niederstraße«, deren Bedeutung bis zum Ausgang des Hochmittelalters kaum geringer zu sein schien, ist durch die planmäßige Verkehrspolitik der Sächsischen Territorien allmählich zurückgedrängt worden, ebenso tritt Halle gegen die aufsteigenden Städte an der »Hohen Straße« zurück; Leipzig übernimmt seit der Hussitenzeit den vorher teilweise über Böhmen geführten Durchgangsverkehr der oberdeutschen Städte, an denen es schon früher durch die Frankenstraße von Naumburg her eingeschlossen war. Auch Erfurt, Naumburg, Meißen treten seit dem 15. Jh. zusehends hinter Leipzig zurück, das schließlich seit dem 16. Jh. auch Frankfurt, den ältesten und wichtigsten Ausgangspunkt der südlichen West--Ostverbindunen, in seiner Stellung als Handelszentrum ablöst. Sachsen, Polen, Schlesien liefern Rohstoffe und Vieh


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und beziehen dafür Textilien, Wein, Gewürze, Metallwaren u. a. »Zentnerwüre«.


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