VII. Weltkrieg und Nachkriegszeit.

F. Grüttner < 2434> behandelt die Ausbildung einer geregelten Fleischversorgung von der frühgeschichtlichen Naturalwirtschaft bis zur modernen Planwirtschaft. Er spricht von den Ansätzen zu planmäßiger Versorgungspolitik, in der älteren Grundherrschaft, wie im Gewerbezwang der Zünfte, aber sie haben sich in engen Grenzen gehalten. Nur die Fischversorgung hat sich großzügiger entwickelt. Erst die merkantilistischen Bestrebungen des 17. und 18. Jh.'s haben hier weiter geführt. Wenn die Gewerbefreiheit im 19. Jh. zunächst die vorhandenen Bindungen z. T. geschwächt oder beseitigt hat, so wurde durch die Industrialisierung der Fleischproduktion doch zugleich die Möglichkeit zu großräumiger Planwirtschaft geboten und parallel damit ging der Ausbau der hygienischen Einrichtungen. Hatte sich das Fehlen planmäßiger Vorratswirtschaft schon früher auf militärischem Gebiete im Kriege bemerkbar gemacht, so forderte der Mangel der Weltkriegszeit durchdringende Abhilfe. Die Fleischversorgung, anfänglich am wenigsten gefährdet, sank rasch infolge des Mangels an Futtermitteln und mußte der improvisierten


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Planwirtschaft des Kriegsrohstoffamtes unterstellt werden. Mangelhafte statistische Erfahrungen, Fehlgriffe, die übermäßigen Schweineschlachtungen usw. haben ihren Aufbau stark erschwert. Auf Grund dieser negativen Erfahrungen ist die planmäßige Sicherung der Volksernährung aufgebaut, die jetzt auch die Fleischversorgung erfaßt und sich eng mit der Erzeugungsschlacht und mit den Erfordernissen der Wehrwirtschaft verbunden hat. -- F. Lorz < 2480> zeigt vor allem, wie ungenügend die Vorbereitungen für die Ernährungswirtschaft im Weltkrieg war. Der Weltkrieg brachte Fragen, die niemand in ihrer vollen Bedeutung gesehen hatte, und die plötzlich ohne entsprechende Vorbereitungen und statistische Unterlagen gelöst werden sollten; ähnlich stand es auch in den anderen kriegführenden Staaten. Die auf umfangreichem Zahlenmaterial aufgebaute Arbeit schildert, wie sich die Erkenntnisse unter dem Zwang der Verhältnisse durchgerungen haben und mit welchem Erfolg nach dem Krieg, besonders seit der Machtergreifung, eine ungeahnte Leistungssteigerung der Ernährungswirtschaft erzielt wurde. -- B. Poll < 2481> gibt eine Übersicht über die Rohstoffwirtschaft und deren Erfolge im Weltkriege, wobei er besonders auf das Kupfer hinweist; die Ernährungswirtschaft wird nicht behandelt. -- Gatz <1937, 1390> untersucht an der Hand eines lückenhaften statistischen Materials die Produktion und den Verbraucherkreis der deutschen Kraftindustrie im Weltkrieg. Der Ausnützungsgrad der einzelnen Energieträger war nicht gleichmäßig, zum Teil durch Verkehrsstockungen gehemmt, wie der Kohlentransport. Die deutsche Rohstoff- und Nahrungsmitteleinfuhr wurde bis in die zweite Kriegshälfte, z. T. durch den Ausfuhrüberschuß der Energieerzeugung, besonders der Steinkohlenausfuhr, gedeckt.

Fuhrmann <1937, 1391> berichtet auf Grund von statistischem Material über den Stand der Landarbeiterfrage bis zum Kriegsbeginn. Da ein Überblick über den Arbeitsmarkt sowie eine planmäßige Vorbereitung für den Kriegsfall und eine Reichsregelung fehlte, ergab sich zunächst ein Überangebot an freiwilligen Kräften. Seit 1915 trat ein Abgang an Arbeitskräften infolge des steigenden Bedarfes der Kriegsindustrie auf, der 1916 den Höhepunkt erreichte und nicht mehr erheblich unterschritten wurde. Die Organisation der Arbeitsnachweise wurde während des Krieges allmählich weiter ausgebaut, ohne daß das Neben- und z. T. Durcheinander der verschiedenen öffentlichen und privaten Vermittlungsstellen ganz beseitigt worden wäre. Fuhrmann betont, daß der unfertige Zustand der Kriegswirtschaft hinsichtlich der Organisation der Arbeit gegen die Kriegsschuldlüge spricht. Der Dualismus von Militär- und Zivilbehörden wirkte hemmend, die mangelhafte Aufklärung über Zwangswirtschaft, Wert und Verwendung der Kräfte hat die behördlichen Bemühungen oft geschädigt.

H. Schiller <1937, 2208> stellt die finanzpolitische Stellung der deutschen Reichsregierungen von 1918--33 und die einzelnen Versuche zur Preisregierung im Zusammenhange mit den jeweiligen politischen Maßnahmen kurz dar; ein Überblick über die Preispolitik von 1933--35 und eine nochmalige pragmatische Zusammenfassung der verschiedenen Regierungsgrundsätze bilden den Schluß der Arbeit. -- H. Nezihi <1937, 2209> kennzeichnet mit einigen historischen Ausblicken den überwiegend agrarischen Aufbau der türkischen Wirtschaft, in dem Klein- und Mittelbesitz vorherrscht. Er spricht dann von der Verstaatlichung des Kohlen- und sonstigen Bergbaues, von der durch englischen Einfluß fast ruinierten und nun wieder aufgebauten Textilindustrie sowie von der


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Verkehrspolitik der Regierung. Er bespricht endlich den Handel in Deutschland, besonders die Handelsverträge seit 1924 und gibt statistische Nachweise über die Entwicklung des deutsch-türkischen Handels, dessen Ausbau planmäßig fortzusetzen wäre. -- W. Zeumers Teildruck einer größeren Arbeit über die Entschädigung der Kriegsschäden <1937, 2211> ist eine ausführliche aktenmäßig begründete Untersuchung der preußischen Entschädigungspolitik in ihrer schwankenden Durchführung mit ihren vielen Härten als Grundlage der Entschädigungsgesetze von 1871 und 1919. Es werden dann die Fragen des Lastenausgleiches, der Finanzierung durch Liquidation, der Wertpapier- und Steuerverpflichtungen sowie die Anwendung des Wiederaufbaugedankens als regulatives Moment der Entschädigungspolitik behandelt.

H. Liffers < 2482> bespricht in einer auf gutem Einblick in die Volkswirtschaft beruhenden Arbeit an Hand des zum Teil unzureichenden statistischen Materials die Entwicklung des Kreditverkehrs zwischen Deutschland und seinem zweitgrößten Gläubiger, den Niederlanden. Zahlreiche Verbände der öffentlichen Hand, namentlich die Städte, und noch mehr Private, Religionsgemeinschaften, haben nach der Stabilisierung das im Davesplan gegebene Vorbild benutzt und Anleihen in den Niederlanden aufgenommen. Doch ist Verfasser für den Umfang meist auf Schätzungen und private Informationen angewiesen. Dagegen vermag er interessante Mitteilungen über den Anleiheverkehr der Religionsgemeinschaften, die ihre Verbindungen zu niederländischen Kreisen vielfach finanziell ausgewertet haben, zu erbringen. Das im Anhang beigebrachte Verzeichnis beschränkt sich allerdings auf katholische Anstalten, unter denen naturgemäß das Rheinland stark vertreten ist. Die Aufnahme von Krediten ging seit 1927 allmählich zurück, um für öffentliche Unternehmungen seit der großen Krise ganz aufzuhören. Von den Versuchen zu einer allmählichen Liquidierung der Auslandsschulden sind namentlich die staatlichen Eingriffe durch Schaffung der Sperrguthaben sowie die privaten Stillhalteabkommen und die Bemühungen um Zinskonversion behandelt. -- A. Nebe < 2483> untersucht die deutsch-englischen Handelsbeziehungen während der Wirksamkeit des Handelsvertrages von 1924, also bis 1932. Wenn die deutsche Wirtschaftspolitik gehofft haben mochte, nach der Beseitigung der einstigen Einfuhrbegünstigung für die Länder der Entente, die wieder gewonnene handelspolitische Selbständigkeit durch ein Vertragssystem im Sinne der Meistbegünstigung wieder aufzubauen und so die Stellung im Kreise der Großmächte zu verankern, so hat eine fortlaufende Kette von Verstößen der englischen Handelspolitik durch Teilschutzzölle, zahlreichen schikanösen Bestimmungen und die verstärkte propagandistische Bewegung diese Hoffnungen bald als Illusionen erwiesen. Es bedurfte schon großer Anstrengungen, um die diskriminierenden Reparationsabgaben wenigstens aus dem Warenverkehr selbst zu beseitigen. Während die deutschen Regierungen die dauernden Verstöße und Umgehungen des Vertrages von Fall zu Fall hinnahmen, ist die englische Zollpolitik allmählich ausgebaut worden. Seit 1930 ist sie mit der endgültigen Beseitigung des Freihandels das wichtigste Werkzeug zur binnenwirtschaftlichen Festigung des Empire. Handelsverträge und Wirtschaftsabkommen sind eminent staatspolitisch bedingt, politische Rücksichten haben die deutschen Regierungen veranlaßt, jahrelang an einem ungünstigen Vertrag festzuhalten und mit Ausgleichszöllen und anderen Waffen gegen ein Dumping immer wieder zurückzuhalten. Erst die Kohlenzölle


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von 1932 haben ein Einlenken der englischen Handelspolitiker erzwungen. Lehrreich ist es dagegen, wie Pfundentwertung und Schutzzölle planmäßig zur Stärkung der englischen Nationalwirtschaft eingesetzt worden sind. -- H. Siebold < 2484> geht nach einem Überblick über den stark entwickelten Handel zwischen dem Industrieland Deutschland und dem Agrarland Spanien seit dem Abkommen von 1891 bis zum Weltkrieg auf die deutsch-spanische Zollpolitik bis zum Vertrag von 1926 ein. Infolge des Aufblühens der spanischen Industrie während des Krieges und des im wesentlichen gleich gebliebenen Absatzbedürfnisses beider Staaten sowie wegen der nach dem Weltkrieg einsetzenden Versuche, einen Ausgleich zwischen der spanischen Schutzzollpolitik und den deutschen Bemühungen um den Wiederaufbau der im Krieg und in der Inflation verlorengegangenen Außenhandelsposition zu erreichen, ergaben sich Spannungen, bis mit dem Vertrag von 1926 eine vorläufige Lösung erreicht wurde. Mehr als Exkurs folgt eine kurze Darstellung der Lage des deutschen Weinbaues, die nach S. weniger von zollpolitischen Maßnahmen als von den Bedingungen der Ernte abhängig ist. -- K. Erbsland < 2485> bespricht die Auswirkung der nationalsozialistischen Wirtschaftspolitik und die im »Neuen Plan« von 1934 gegebenen Möglichkeiten zu ihrem weiteren Ausbau, wobei er unter anderen die Autarkiefragen, die Devisenbewirtschaftung, Einführung von Kompensations-Vermittlungsstellen, Fragen der innerwirtschaftlichen Bedarfsdekkung und die Schaffung eines nach Deutschland orientierten Gesamtwirtschafts- Großraumes im Donau-Ostseegebiet und dessen Verhältnis zu den übrigen Großräumen bespricht. Die dafür im einzelnen gegebenen Vorschläge und Gedanken sind z. T. naturgemäß durch die politische Entwicklung seit 1937 überholt. --Goetz-Girey <1937, 1912> bringt auf Grund von statistischen Daten und umfangreicher Literatur eine inhaltsreiche Geschichte der deutschen Gewerkschaftsbewegung von 1918--33. Über die nationalsozialistische Wirtschaftslehre und Politik gibt er nur für die Zeit nach der Machtergreifung einige Auszüge aus den gesetzlichen Bestimmungen. --Seraphim <1937, 1886> gibt eine wertvolle übersichtliche Charakteristik mit kurzen Inhaltsangaben des Schrifttums über die Agrarverfassung der deutschen Volksgruppen im Baltikum und in Wolhynien seit 1930.


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