II. Orthodoxie und Pietismus.

Die Arbeiten zum P. betreffen nur Einzelfragen. Die in den letzten Jahren -- auch von ausländischen Forschern -- geförderten Untersuchungen zur Ausbreitung des P. werden durch zwei Arbeiten für das Gebiet im Osten jenseits der Reichsgrenzen weitergeführt. Kämmel < 2786> erweitert das Bild von der Rußlandmission des Halleschen P., das Salomies für die Zeit Peters des Großen bereits gegeben hat. Das Büchlein Plachtes < 2787> entwirft ein Lebensbild des Herrnhuter Arztes und Märtyrers D. S. Krügelstein, der bei seiner Wirksamkeit im Baltikum von den Russen gefangengenommen wurde. Nach langjähriger härtester Gefangenschaft starb er.


S.384

-- Geistesgeschichtliche Verbindungslinien zieht R. Schneiders Dissertation über Schellings und Hegels Geistesahnen < 2903>. Der Versuch, beide Männer aus der philosophisch-theologischen Tradition Altwürttembergs zu erklären, ist bisher nicht gemacht worden. Schn. übernimmt aus der kirchengeschichtlichen Forschung das Bild von der Eigenart des württembergischen Pietismus, der als Volksbewegung die Zeit der Aufklärung überdauert hat. Das Ineinandergreifen von geschichtstheologischen, mystischen und naturphilosophischen Ideen im württ. Pietismus gibt den Boden für die Philosophie der beiden schwäbischen Philosophen. Was vor allem das berühmte Tübinger Stift, dessen Geschichte M. Leube <1936, 2393> dargestellt hat, für die deutsche Geistesgeschichte bedeutet, das kann man aus E. Müllers schönem Buch Stiftsköpfe, Schwäbische Ahnen deutschen Geistes < 2901>, ersehen. Wohl sind manche bedeutende Männer weggelassen -- vor allem die Naturwissenschaftler fehlen fast ganz --, aber es bleibt keine Lücke in dieser deutschen Geistesgeschichte, die von Nicodemus Frischlin und J. Kepler über J. V. Andreae und die schwäbischen Pietisten zu Schelling und Hegel, den Dichtern wie Hölderlin, Hauff, Mörike, zu D. Fr. Strauß, E. Zeller, Sigwart, Holl u. a. führt. --

In die Geschichte der kirchlichen Unionsbestrebungen führt P. Schreyer mit seiner Arbeit über V. E. Löscher ein < 2788>. Gewiß sind die von ihm dargestellten Vorgänge bekannt. Man kennt die von Leibniz und dem Berliner Hof ausgehenden kirchlichen Unionsbestrebungen und weiß auch, daß anläßlich des Reformationsjubiläums 1717 im Corpus Evangelicorum die Unionsidee aufgegriffen wurde. Zu diesen Vorgängen vermag der Verf. auch in Einzelheiten kaum Neues beizubringen. Vielmehr will er die Ablehnung Löschers, des letzten großen Theologen der altlutherischen Orthodoxie, theologisch erfassen, und so gewinnt der Leser einen tiefen Einblick in die treibenden Kräfte des altlutherischen Glaubens.


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