d) Lutherliteratur.

Der Versuch A. Deutelmosers, vom Gottesbegriff Luthers aus seine Christlichkeit in Zweifel zu ziehen, hat zu sehr scharfen Auseinandersetzungen geführt, wobei man zwei Formen unterscheiden kann. Die eine stellt Th. Knolles Schrift Luthers Glaube (Schriftenreihe der L.-Gesellschaft 10, 1938) dar. Hier ist das ganze Material D.s kritisch geprüft, wird die Abhängigkeit von F. Hielscher gezeigt und die Methode der neuen Deutung aufgehellt. Daneben werden die Anschauungen von der Prädestination und dem verborgenen Gott im Sinne Luthers festgelegt und seine Auffassung von der Welt, ihren Menschen und ihrer Geschichte als den Larven, der Mummerei und dem Spiel Gottes vor der Fehldeutung D.s sichergestellt, ganz abgesehen von der oft nicht korrekten Wiedergabe der Lutherzitate durch D. (vgl. Vogelsang < 2752>). Anders dagegen verfährt J. Oberhof < 2759>. Er weist D.s Buch zunächst den Platz innerhalb der modernen Lutherforschung an -- dabei ist richtig auf das Zurücktreten Christi im Lutherbild Holls hingewiesen -- und setzt sich mit D.s Begriff vom Christentum auseinander, für dessen Bestimmung O. sich stark von E. Seebergs Lutherdeutung und Christusauffassung leiten


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läßt. Aber so fein hier das Problem aufgezeigt und in den Stand der Lutherforschung und in den Aufgabenkreis der protestantischen Theologie eingeordnet ist, so wenig können die knappen Ausführungen der eigenen Deutung genügen. -- Das Lutherbuch von Klein < 2756> ist eine sehr gewandt geschriebene L.-Biographie, die sich keineswegs mit der Darstellung der äußeren Ereignisse begnügt. -- Die Arbeit von H. W. Vielau < 2762> gibt das ganze Material über die Stellung L.s zur Türkenfrage unter den drei Gesichtspunkten: Glaube, Sitte und Leben, Kriege. Man findet in einer solchen zusammenfassenden Arbeit viel Bekanntes wieder, z. B. L.s Urteil über den Koran, die Eheauffassung im Islam; manches aber wird anders gedeutet. So sieht V. in der Stellung zum Türkenkrieg eine Entwicklung, die von einer Art akademischen Betrachtung zur politischen führt, die ihrerseits von der apokalyptischen Glaubensstimmung her begründet wird. -- Ganz moderne Probleme behandeln die Arbeiten zur Nationalkirche und Pflege des deutschen Volkstums. A. Adam < 2760> untersucht Ideen und Maßnahmen L.s auf nationalkirchliche Tendenzen. Dabei steht naturgemäß die Schrift an den Adel im Mittelpunkt, in der L. die Reform der Kirche von der Nation her wenigstens in der Form des Notrechtes betont. Selbstverständlich handelt es sich nicht um das Dogma selbst. Das landesherrliche Kirchenregiment wurde dann der geschichtlich begründete Ersatz der nationalkirchlichen Vorschläge. Diese Arbeit Adams ist ein erweiterter Neudruck aus seinem Buche Nationalkirche und Volkskirche im deutschen Protestantismus < 2748>. Zum ersten Male wird hier von Luther an bis zum 11. Juli 1933 die nationalkirchliche Frage für den deutschen Protestantismus aufgerollt. Man könnte zur Ergänzung für das 19. Jh. die einschlägigen Abschnitte aus den an anderer Stelle behandelten Werken über Moritz August von Bethmann-Hollweg < 1150> und Heinrich von Mühler < 1224> heranziehen, die beide an den Bestrebungen zum organisatorischen Zusammenschluß des deutschen Protestantismus führend beteiligt waren. Gerade dadurch, daß A. die Geschichte der volkskirchlichen Idee gesondert darstellt, empfängt man einen starken Eindruck, wie der Protestantismus durch die innere Lage der deutschen Nation bewegt worden ist, durch das Streben nach nationaler Einheit oder sozialer Einigung. Aber es muß jeden nachdenklich machen, daß in diesem Werk weniger von kirchenregimentlichen Maßnahmen als vielmehr von kirchlichen Organisationen, protestantischen Laien und Theologen die Rede ist. Stärker als es A. tut, schlägt H. Eger in »L. und der nationalkirchliche Gedanke« (Wartburg, 37. Jg.) die Brücke zum Mittelalter und Humanismus, um so L.s eigene Ideen klar abheben zu können. E. betont stärker als A. die Bedeutung des Nationalkonzils für Luther. Beide stimmen darin überein, daß L.s Bejahung der deutschen Theologie nichts anderes als die Anerkennung der evangelischen Wahrheit ist. -- Dazu kommen die Arbeiten zur Geschichte der religiösen Volkskunde. L. hat die Volksfrömmigkeit seiner Zeit mit ihrer massiven Verdinglichung des Heiligen bekämpft. Nun aber zeigt O. Clemen < 2757>, wie das alte Brauchtum trotzdem weiterlebte, freilich, rein menschlich gewertet, ohne den Charakter des Vermittelnden zu Gott hin. Immerhin, reiches Material läßt sich nicht beibringen. Dagegen ist viel ergiebiger die Behandlung der Einstellung L.s zum Aberglauben, da sich das Erbe des Elternhauses stets geltend machte, und der Naturverbundenheit, in der sich die neue protestantische Stellung zur Welt auswirkte. Auch auf diesem Gebiete ist zum ersten Male eine Gesamtdarstellung gegeben, und zwar mit auffallend

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gutem Erfolg. Neben die kleine L.-Studie von Cl. tritt das umfassende Werk von A. Jobst < 2142>. Es ist bezeichnend für die Sachkenntnis des Verfassers, daß in gewisser Hinsicht die Methode der Darstellung mit dem Ablauf der Geschichte wechselt. In den ersten Kapiteln über Reformation, Orthodoxie, Aufklärung, Idealismus handelt es sich vor allem um die grundsätzliche Einstellung zum religiösen Brauchtum. Dagegen wird für das letzte Jahrhundert mehr die Beteiligung protestantischer Theologen und Forscher an der volkskundlichen Arbeit geschildert. Man möchte hier fast von bibliographischer Genauigkeit sprechen. Interessant ist der Nachweis, wieviel die Aufklärung zerstört hat. Dagegen hätte der Kampf des Halleschen Pietismus gegen die christlichen Bräuche wohl noch eingehender dargestellt werden können.


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