e) Reformationsgeschichtliche Einzelliteratur.

In die Arbeiten über Melanchthons Verhältnis zu L. führt G. Hoffmann < 2758> sehr gut ein. Zugleich fragt er betreffs der Lehren von dem Abendmahl, der Rechtfertigung und den altkirchlichen Symbolen, ob folgerichtige Durchführung oder Fehlentwicklung lutherischer Ideen vorliegt. Seine Lösung liegt darin, daß Melanchthon das Bündnis zwischen Theologie und Philosophie wollte. Die Abhandlung von J. Kallbrunner < 2764> beleuchtet Melanchthons einzigartige Stellung in der damaligen Zeit. Er ist Ratgeber und Förderer des deutschen Kirchen- und Schulwesens in Südosteuropa -- man sieht, daß durch den Bund zwischen Humanismus und Reformation die deutschen evangelischen Gemeinden dieser Gebiete zum Träger der deutschen Kultur wurden. M. Köhlers Arbeit < 2763> wendet sich für das Sprachgebiet des Islams dem Buchwissen M.s zu, das ihn in diesem Falle nicht zu eigenen Forschungen und eigener Urteilsgebung anregte, sondern M. stellte die im Humanismus verbreiteten Ansichten über den Islam zusammen. Es ist bezeichnend, daß Luther, im Unterschied von M., mit dem Problem der Fremdreligion rang, so oft er auch in die herkömmliche Polemik verfiel, und nach eigener Kenntnis der Hauptquelle, des Korans, verlangte. Zweifellos wirkte, wie K. zeigt, bei M. eine gewisse patriotische Tendenz an der starren Negation mit. Doch auch die patriotische Gesinnung ist bei M., vor dem das Corpus Christianum des Mittelalters nie verschwindet, wesentlich anders als bei L. mit seinem bewußt nationalen Anliegen. -- Die Biographie Heshusens von G. Frotscher < 2768> ist zunächst aus familiengeschichtlichen Erwägungen geschrieben. Doch der Verf. ist auch bestrebt, dieses ganz vom theologisch-kirchlichen Radikalismus beherrschte Leben aus dem Zusammenstoß seiner streng kirchlichen Gesinnung mit den allgemeinen Abwandlungen und Verfälschungen, die Luthers Lehre erfahren hat, zu erklären. So kann man Verständnis für eine Persönlichkeit wecken, ohne daß man über sie zu Gericht sitzt, weil man ihre Ideen ablehnt. -- Aus den territorialgeschichtlichen Untersuchungen seien einige aus der Reformationsgeschichte der Ostmark besonders erwähnt. R. Matt < 2843> kommt auf Grund der Wiener Bürgertestamente, die Bestimmungen über Begräbnis, Stiftungen, Erziehung der Kinder enthalten, zu Ergebnissen, die unsere Kenntnis der Ausbreitung der ev. Bewegung für dieses Gebiet bereichert. Der Protestantismus ist vor allem in die Berufsgruppen der Kaufleute, Leinweber, Schneider, Salzhändler, Hofbeamten eingedrungen. Es zeigt sich wieder einmal, wie wenig nur auf Grund obrigkeitlicher Erlasse die Geschichte einer Bewegung erfaßt werden kann. Außerdem sind die Arbeiten von P. Dedic zu erwähnen, der sich immermehr zu einer


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Führerstellung in der ostmärkischen Kirchengeschichtsforschung aufschwingt < 2844/47>. In seiner Abhandlung über die Vernichtung des ev. Schrifttums in Innerösterreich schätzt er die Zahl der in der Zeit 1599--1660 verbrannten Bibeln, Postillen, Gebetbücher auf 50_000. Vor allem die Einzelnachweise für die Verbreitung der einzelnen Erbauungsbücher sind sehr aufschlußreich. Schließlich sei noch R. Redlichs Arbeit über Staat und Kirche am Niederrhein < 2822> genannt. Gewiß sind die Einzelvorgänge in besonderen Arbeiten meist geklärt, und der Verf. übernimmt diese Ergebnisse. Aber durch die Zusammenfassung, die vergleicht und wägt, entsteht eine Gesamtschau. Dabei tritt die organisatorische Kraft des Kalvinismus hervor, dessen Eindringen in die durch Luthers Einfluß entstandenen Gemeinden wie eine geschichtliche Notwendigkeit wirkt.


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