IV. Landeskunde, Siedlungsgeschichte.

Einen sachkundigen Überblick über den Stand der Forschung über die Geschichte der Kulturlandschaft im alten Polen gibt Dr. E. O. Kossmann < 11>. Er weist nach, daß weder mit rein historischen noch geographischen Verfahrungsweisen auszukommen ist, und macht Vorschläge, wie man auf dem Gebiet weiterkommen kann. -- Eine polnische Arbeit von J. Masłowski über die dörfliche Siedlung zu deutschem Recht in den Wojewodschaften Sieradz, Lentschütz, Kujawien und dem Doberner Lande bis 1370 < 1828> geht uns insofern an, als in einem Teil auch die volksmäßigen Verhältnisse untersucht werden. Verf. hat nur wenige deutsche Schulzen gefunden, angeblich aber gar keinen deutschen Bauern. Neben polnischen Namen treffen wir jedoch schon viele kirchliche, über deren Volkszugehörigkeit wir nur sagen können, daß die Mode dieser Namen erst durch Deutsche nach dem Osten gekommen ist. Die Frage bedarf noch einer Nachprüfung von deutscher Seite. -- Die Anfänge der merkwürdigen deutschstämmigen, aber sprachlich verpolten »Holländer«-Siedlergruppe von Neudorf und Neubruch am Bug klärt W. Kuhn < 12> auf Grund des von ihm entdeckten Berichtes darüber in einem Sammelwerk von 1777 auf. Danach ist Neubruch erst 1617 nicht von Pommern, sondern Holländern gegründet worden. Einige der alten 14 Kolonistennamen sind noch heute vorhanden. Die sprachliche Verpolung scheint im 18. Jh. vor sich gegangen zu sein. -- Über den westlichen Netzegau, den Südteil des alten Deutsch-Croner Kreises, hat der junge Berliner Forscher Dr. W. Schulz für die zweite deutsche Ostsiedlung eine wichtige Arbeit in zwei Bänden < 1783> herausgebracht, die auf umfangreichen Quellenstudien beruht. Dabei bringt der kürzere erste Band die Darstellung und der längere zweite die Quellenstellen, zum Teil auch Kirchbuchauszüge. Die fortschreitende Verdeutschung des zunächst ganz schwach besiedelten Gebietes durch deutsch-pommersche Roder, die das Gesicht der Kulturlandschaft völlig verändern, wird für die Zeit von 1550--1772 daraus deutlich. Die Berechnungen betreffs des Deutschtums sind bisweilen etwas zu vorsichtig, und über die vorausgehende mittelalterliche Besiedlung läßt sich noch einiges aussagen, vgl. ZP. 34, S. 252 ff. Wegen der vielen Quellenangaben ist das Werk auch für die Sippenforschung wichtig. -- Das gleiche gilt für einen Aufsatz von W. Maas: 700 Jahre Posener Bauernnamen aus dem 18. Jh. < 13>, der mehr bringt als der Titel besagt; es werden nämlich darin auch verschiedene, die dörfliche Siedlung betreffende Fragen behandelt. -- Der gleiche Verf. bringt nach dem seinerzeit in ZP. 10 veröffentlichten Verzeichnis der Posener Hauländereien nunmehr ein neues < 1784>, auf über 800 Namen erweitertes mit Quellenangabe, ohne damit wohl schon alle erfaßt zu haben. Er behandelt auch ihre Verbreitung, Entstehung und das Ende der Hauländersiedlung. Ein Nachtrag nennt noch die im unteren neumärkischen Netze-Warthebruch befindlichen Hauländereien. -- Den Plan eines Oberförsters Buhrow, Kolonisten aus dem um 1790 noch zu Polen gehörenden Teil des Posener Landes anzuwerben und in die schon preußischen Ämter Postolitz und Lebehnke zu bringen, stellt A. Koerth < 14> dar. Wenn er auch nicht zustande kam, so ist der Bericht darüber doch wegen der zahlreichen


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Listen von Familien aus verschiedenen Gegenden und der Angabe ihres verfügbaren Vermögens lehrreich. -- E. Klinkowski teilt im Nachgang zu früher schon von anderen veröffentlichten »Reklameblättern« für die Werbung von Ansiedlern wieder zwei grundherrliche Erlasse für Gostin von 1775 und für Samter von 1777 mit < 1785>, die von J. Mycielski in deutscher Sprache erlassen wurden. Es ging ihm besonders um Erhöhung seiner Einkünfte durch »Kauff- und Handelsleute wie auch Professionisten«. -- Als Auszug aus einer großen, später gedruckten Arbeit bringt Dr. D. Reiser einen nützlichen Aufsatz über die deutsche Bauernsiedlung im Kalischer Land < 15>, seiner Heimat, der durch die beigegebenen Karten auch siedlungsgeographisch gut unterbaut ist, vgl. ZP. 34, S. 258. -- Die deutschen ländlichen Siedlungen des Warthegaues von Peisern bis Uniejów stellt geschichtlich und siedlungsgeographisch A. Breyer dar < 1827>, und zwar seit der Frühzeit und unter Beigabe von mehreren Kartenskizzen und Abbildungen. Eine Rolle spielte bei der Besiedlung im MA. das deutsche Kloster Land (Lond), bis zu seiner gewaltsamen Verpolung nach der Reformation. Das jetzt vorhandene Deutschtum stammt aus der letzten altpolnischen Zeit nach 1767, während die südpreußische und spätere Zeit Nachschübe brachte. Der Herkunft nach handelt es sich um Märker und Pommern. Zum Schluß werden die Weiterwanderungen dargestellt und eine Gründungsurkunde gebracht. -- Eine möglichst wenig auf die deutschen Vorarbeiten, vielmehr auf die Quellen zurückgehende Arbeit über die Siedlungstätigkeit Maria Theresias und Josephs II. in Galizien für die Jahre 1772--1790 hat H. Lepucki < 1829> vorgelegt. In manchem kommt er von alteingesessenen Vorurteilen nicht los, z. B. dem Gedanken, Österreich habe verdeutschen wollen, während nur, wie auch die Ansetzung von Angehörigen anderer Volkstümer zeigt, im Geist der Zeit eine »Peuplierung« und Gründung von Mustersiedlungen beabsichtigt war, vgl. ZP. 34, S. 258 ff. -- Die Herkunft der Ansiedler des Pfarrsprengels Hartfeld in Galizien untersucht J. Lanz < 1769>. Sie stammen meist aus verschiedenen Gegenden der Pfalz, wie an einer Kartenskizze gezeigt wird, weniger aus Baden und Württemberg. Die Wanderungen von 1783--1812 werden auch listenmäßig verfolgt. -- Aus umfangreichem Studium A. Breyers über die deutsche Tuchmacherei, deren Frucht als Buch jetzt nach seinem Tode veröffentlicht werden soll, sind zwei Teile schon als Zeitschriftenaufsätze herausgekommen, und zwar die über die zwei Jahrzehnte deutscher Tuchmachereinwanderung nach Mittelpolen 1810 bis 1820 < 1768> und über die ersten drei Jahre der darauffolgenden großen Einwanderung < 1767>. Dem ersten Teil gehen kürzere Angaben über die Zeit seit dem Mittelalter voraus. Da das Buch eine erweiterte Darstellung bringen wird, soll später darauf eingegangen werden. -- Geschichtlichen Quellenwert besitzen die erschütternden Erinnerungen des Kantors A. Krueger an den Leidensweg der deutschen Siedler in Wolhynien infolge der Verschleppung durch die Russen im Weltkrieg 1915, die unter dem Namen »Die Flüchtlinge von Wolhynien« herausgekommen sind, vgl. ZP. 35, S. 315.


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