VII. Bevölkerungs- und Familiengeschichte.

Es liegen mehrere darstellende Untersuchungen vor, die einen deutlichen Schritt zur Vertiefung der Aufgaben zeigen. E. Wentscher behandelt die Schicksale der Bauern im Zauchedorf Neuendorf bei Brück (Arch. f. Sippf. 15, S. 289 ff., 323 ff., 361 ff.) Erst nach der Mitte des 15. Jh.'s beginnt hier der Gutsherr Bauernland einzuziehen; bis zur friderizianischen Zeit hat er dann fast ein Viertel der Feldmark zu seinem ursprünglichen Besitz hinzugewonnen. Die für die Zauche typische Dürre des hochgelegenen Teiles der Feldmark verringerte die Widerstandsfähigkeit der Bauern. Infolge der Melioration der Brück-Neuendorfer Wiesen unter Friedrich dem Großen aber besserte sich die Lage der Bauern und Kossäten so, daß sie das gesamte früher verlorene Land zurückerobern konnten. W.'s Studie ist also


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-- wennschon sie eine seltenere Entwicklung schildert -- sozialgeschichtlich interessant und bietet zugleich der Familiengeschichte das gesamte Einzelmaterial dar, auf das sie sich stützt. -- Recht beachtlich ist auch die Arbeit von M. Pick, »Zur Bevölkerungsgeschichte von Kl.-Schönebeck« bei Berlin (Brandenburgia, Monatsbl.), welche die auch sonst bestätigte Tatsache ergibt, daß der Bauer zumindest nach dem Dreißigjährigen Krieg nicht im einzelnen Dorf, sondern in einem größeren, durch natürliche geographische Grenzen bedingten Lebensraum seßhaft ist. Für Kl.-Sch. ist das der Barnim, aus dem bei starkem Bevölkerungswechsel die Neuzuziehenden fast stets kommen. Zu untersuchen bliebe, welchen Einfluß auf den Bevölkerungswechsel die Nähe der Landeshauptstadt hatte, die einerseits den Absatz und damit das Beharrungsmoment förderte, andererseits aber in jeder Hinsicht verändernd auf das Gefüge ihrer ländlichen Umgebung wirkte. -- Die schon im 18. Jh. vorhandene Abneigung des Märkers, nach Osten, speziell nach Ostpreußen zu ziehen, beweist der Aufsatz von A. Ehmer und H. Richter über die Anwerbung von Schäfern unter Friedrich Wilhelm I. zwecks Ansiedlung in Ostpreußen (Arch. f. Sippf., 15, S. 214--17); die Schäfer wollten lieber Knechte in der Mark sein als Schafmeister dort, wo sie »übel traktiert« werden würden, wie sie nicht ohne Ursache annahmen.

Von den Folgen der Pest von 1576 in Spandau berichtet J. Schultze auf Grund eines zeitgenössischen Verzeichnisses der Opfer < 1983>. Die Krankheit hat in einem halben Jahr 15 Prozent der Bevölkerung dahingerafft, davon 75 Prozent Kinder. Die Hauptursache für die ständige Wiederkehr epidemischer Krankheiten und deren Verbreitung sieht Sch. »in der durch die zunehmende Verarmung bedingten schlechten Ernährung der untern städtischen Bevölkerungsschicht, in dem Rückgang der Körperpflege und der Zunahme der allgemeinen Unsauberkeit«. --Ganzels Aufsatz über »Die Bevölkerung Perlebergs im Dreißigjährigen Kriege« < 1662> ergibt, daß von etwa 300 Häusern vor dem Kriege 1648 nur noch 127 Häuser und 14 Buden standen. Nur etwa ein Drittel der alten Familiennamen begegnet 1648 wieder: Fast die Hälfte der 1648 vorhandenen Bevölkerung ist von auswärts zugezogen. Die absoluten Bevölkerungszahlen vor und nach dem Kriege ließen sich nicht feststellen, ebensowenig die Herkunftsorte der Neubürger. Aber auch ohnedies ist die in mühsamer Kleinarbeit aus Berliner und Perleberger Archivalien zusammengestellte Einwohnerliste eine zuverlässige und in dieser Weise bisher für keine andere brandenburgische Stadt vorhandene Grundlage zugleich der Bevölkerungs- wie auch der Familiengeschichte. -- G. Krüger < 1838> behandelt die Gründe und den Verlauf der Auswanderung aus dem Landkreise Kottbus im vorigen Jahrhundert. In den drei Jahrzehnten nach 1848 haben 1048 Personen aus diesem einen Landkreise Deutschland verlassen!


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