IV. Rechts-, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte.

Sehr dankenswert und aufschlußreich für alle sächsischen Städte ist die Arbeit von O. Bahmann < 2345>, weil sie bei sorgfältiger Benutzung von Quellen und Schrifttum die Statuten der Stadt Ölsnitz (i. V.) nach Entstehung und Inhalt in einer übersichtlichen Form bietet, die einen Vergleich für verwandte Forschungen rasch ermöglicht und im übrigen auch selbst bestrebt ist, die eigenen Erkenntnisse für Ölsnitz überall in den großen Zusammenhang einzuordnen. -- Der Aufsatz von A. Schultze < 2344> zur Zwickauer Stadtrechtsreform ist mir leider nicht zugänglich gewesen, doch dürfte er sich wohl auf die Edition von Berthold, Hahn, Schultze <1936, S. 485> beziehen. -- J. G. Harten-


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stein < 2042> legt dar, wie frühzeitig sich die Juden in Leipzig eingenistet haben (Synagoge schon 1265 erwähnt!), indem sie als Pfandleiher auftraten und sich dabei des landesherrlichen Schutzes weitgehend erfreuten. Die bald entstehenden Streitigkeiten mit den deutschen Händlern werden zunächst nach einer Ordnung Heinrichs des Erlauchten und später nach besonderen Schutzbriefen beigelegt, aber der allgemeine Haß der Bevölkerung gegen die Juden äußert sich bereits 1350 blutig, und 1411 suchen sich auch die Landesfürsten ihrer aufgelaufenen Schulden durch eine Judenverfolgung zu erledigen. Typisch für den Lebensweg eines Handelsjuden im 15. Jh. sind Abraham und sein Schwiegersohn Jordan mit ihren Geldgeschäften und ihren Sicherungsbestrebungen, bis schließlich der Landesherr auch hier eine gewaltsame Entschuldung 1439 durchführt. Weiter erörtert H. die Zu- und Abwanderungen mit den Fragen der jeweiligen Seßhaftigkeit, schildert die durch Brühls Schutz mächtige Stellung der Münzjuden Levi, Vater und Sohn, mit den vergeblichen Gegenwirkungen des Rats und verfolgt die beginnende Ansiedlung im 18. Jh. zahlenmäßig und ursprunghaft. In der Aufklärungszeit gelingt es den Juden, zum Teil wohl durch Bestechung, die Gelehrtenkreise sich günstig zu stimmen (Nachwirkung bei Gellert und Lessing!) und durch Taufen in Leipzig immer mehr Fuß zu fassen. Das Münzjudentum im Siebenjährigen Krieg und später erbittert die Bevölkerung gegen die Juden, aber ohne erkennbare Wirkung, denn seit 1849 und 1868 erfolgt durch Gesetz die völlige Gleichstellung, die nun die Juden immer mehr an Zahl und Geldmacht stärkt. -- Im Zusammenhang hiermit sei auch auf F. Arlt < 2043> verwiesen, dessen Arbeit ich leider nicht einsehen konnte.

Der umfangreiche Aufsatz von F. Hauptmann < 2518> behandelt alle Fragen wirtschaftlicher und sozialer Art, die in dem Jahrzehnt von 1840 bis 1850 in Sachsen auftauchen, ob sie nun z. B. die Fabrikarbeit, Hausarbeit, Einschränkung der Kinderarbeit und die bessere Schulung der Arbeiter in den Sonntagsschulen oder die Abwehr der Teuerung von 1846/48 betrafen. Die Regierung ließ es durchaus nicht an sozialem Verständnis fehlen, wie vor allem die weitschauenden Pläne Weinligs zeigen, aber weit mehr als die äußere Reaktion verhinderte »das schleichende Gift des Liberalismus«, das sich damals unterirdisch ausbreitete, den Erfolg der regierungsseitigen Anstrengungen. Allerdings haben auch die Anfänge der marxistischen Arbeiterführung unter jüdischem Einfluß -- Born-Buttermilch! -- dagegen gewirkt, doch konnten sich diese gegenüber der politisch-demokratischen Gesamthaltung im Volke zunächst noch nicht durchsetzen. -- Im übrigen muß ich mich aus Raumnot darauf beschränken, die weiteren Aufsätze zur Wirtschaftsgeschichte im Berichtsjahr nur kurz anzuführen, um sie damit wenigstens aus dem Schrifttum herauszuheben. G. Buchwald < 2523> skizziert die Leipziger Tuchmesse vor 450 Jahren, J. Kretzschmar < 2522> behandelt das Töpferhandwerk im ma.'lichen Leipzig, B. Sommerlad < 2521> beschreibt die Faktorei der Fugger in Leipzig, F. Krantz < 2520> berichtet von der sächsischen Arsenikindustrie, und W. Hopf < 2519> untersucht die Strukturwandlungen in der vogtländischen Spitzen- und Stickereiindustrie seit der Jahrhundertwende.


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