VI. Kirchen-, Bildungs-, Literatur- und Kunstgeschichte.

Von der vortrefflichen thüringischen Kirchengeschichte Herrmanns erschien im Berichtsjahr Lieferung 8/9 < 2642>, die im wesentlichen die Zeit der Lehrstreitigkeiten, den Dreißigjährigen Krieg, Pietismus und Aufklärung umfaßt. Abschließend wird das Werk nach seiner Vollendung zu würdigen sein. -- G. Frotscher, Tilemann Heshusen < 2768> beschäftigt sich als Nachkomme mit diesem Theologieprofessor, der von 1569--1573 als Flacianer in Jena wirkte, und versucht, ihn kirchenpolitisch und familiengeschichtlich zu würdigen, wobei ihn die Liebe zu seinem Helden der Gefahr der Idealisierung nicht ganz widerstehen läßt. -- Eine verdienstliche Studie, die erste ausführliche Bearbeitung des landesherrlichen Kirchenregiments in einem thüringischen Einzelstaat, legt von Schönaich-Carolath < 2817> vor. Er behandelt die Zeit von 1560--1716 in Reuß ä. L. unter Ausbreitung einer Menge von Einzeltatsachen, nicht immer in glücklicher Anordnung und unter gleichmäßiger, ermüdender


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Berücksichtigung wichtiger und minder bedeutender Tatsachen. Im ganzen ist die Arbeit aber doch recht anregend für weitere Untersuchungen dieser Art. -- Kurz hinzuweisen ist auf die kleinen Schriften von B. Niese, Die evangelischen Geistlichen Weidas seit der Reformation, H. 2 (Weida, Aderhold, 76 S.), und von H. Hüttenrauch, Der Evangelische Bund in Thüringen 1887--1932 (Berlin, Ev. Bund, 80 S.), die lebendige, vielfach auf eigenem Erleben fußende Beiträge zur Kirchengeschichte einer Kleinstadt und des ganzen Landes am Ende des vorigen und Anfang dieses Jh.'s darstellen.

Über den besonders vom Ende des 16. Jh.'s bis zur Mitte des 18. Jh.'s recht starken Besuch der Universität Jena durch nordische Studenten und über die Pflege, die dort die nordische Geschichte und die nordischen Sprachen seit der Mitte des 19. Jh.'s fanden, berichtet Achelis < 2983> mit Anführung statistischen Materials und unter Beigabe persönlicher Berichte. Ein wesentliches Stück Universitätsgeschichte, beleuchtet durch Namen wie Dahlmann, Michelsen, Droysen und Liliencron, Delbrück und Eucken, spiegelt sich in diesen Ausführungen. -- H. Pistor, Die Geschichte der Staatlichen Fachschule für Optiker in Jena (Weimar, Panse und Börner, 163 S.) gibt einen guten Abriß der Geschichte dieses jungen, für Jena charakteristischen schulischen Unternehmens und damit zugleich einen wertvollen Beitrag zur Geschichte des Fachschulwesens in Thüringen.

Von der seit langem und mit Spannung erwarteten Geschichte der thüringischen Literatur von Adolf Bartels erschien im Berichtsjahr der erste Band (Jena, Frommann, 427 S.), der von den Anfängen bis zu Goethes Tod fürht. Man muß bei aller Anerkennung des verdienstvollen Literarhistorikers gestehen, daß dieses Buch enttäuscht, wenn man, wie es das Vorwort auch ankündigt, eine Literaturgeschichte des thüringischen Stammes, d. h. eine Würdigung der von geborenen Thüringern geschriebenen Literatur erwartet. Denn der Verfasser bietet vielmehr eine Geschichte der deutschen Literatur, soweit sie sich im thüringischen Raum abgespielt hat, und behandelt auch alle die Dichter und Schriftsteller, die überhaupt einmal, wenn auch nur sehr vorübergehend in Thüringen gelebt haben. Immerhin stellt das Buch nach dieser Richtung hin eine erstaunliche Materialsammlung dar, die Zeugnis von dem kulturellen Reichtum Thüringens ablegt.

Auf kunstgeschichtlichem Gebiet ist die recht erfreuliche, schon 1931 in einem Teildruck erschienene Arbeit von F. Voigt, Die Entstehung der Jagd- und Lustschloßbauten des Herzogs Ernst August von Sachsen-Weimar (Erfurt, Stenger, 96 S.) anzuzeigen, die in glücklicher Verbindung von archivalischer Quellenforschung mit stilgeschichtlicher Betrachtung an einer Auswahl von Bauten dieses eigenwilligen Herzogs das Wirken seiner Baumeister, Richter und Krohne, aufschlußreich untersucht.


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