II. Politische Landesgeschichte.

Unter dem Titel Deutscher Westen- Deutsches Reich < 68> vereinigt ein erster Band saarpfälzischer Lebensbilder große und beispielhafte Persönlichkeiten, in deren Wirken bei aller Vielgestaltigkeit und Verschiedenheit im einzelnen sich der Anteil der Saarpfalz am geschichtlichen Schicksal der deutschen Nation spiegelt. Die behandelten Staatsmänner und Politiker, von der Glanzzeit des ma.'lichen Kaisertums an bis in die bitteren Kämpfe der Nachkriegszeit, bei denen Ferdinand Wiesmann und Franz Hellinger im Kampf gegen die Separatisten ihr Leben lassen, stehen alle in Beziehung zu dem einen großen Thema: Rheinkampf und Reichsgedanke. Behandelt sind u. a. Kaiser Konrad II. und Markward von Annweiler, der Vorkämpfer des staufischen Reichsgedankens, der Schöpfer des kurpfälzischen Territorialstaates König Ruprecht I. und sein Verteidiger Kurfürst Friedrich der Siegreiche, Franz von Sickingen, Graf Gustav Adolf von Saarbrücken und sein Kampf um die Westgrenze gegen Ludwig XIV., Reichsgraf Johann Friedrich von Seilern aus Ladenburg, König Ludwig I. von Bayern als letzter Vertreter wittelsbachischer Hausmachtspolitik großen Stils, der Saarbrücker Bürgermeister Heinrich Böcking, die Wirtschaftsführer Buhl und von Stumm-Halberg, und Karl Helfferich.

In die Anfänge der Auseinandersetzung zwischen Reichsgewalt und fürstlicher Territorialmacht im alemannischen Oberrheinraum führt der Überblick von Th. Mayer < 262>, in dessen Mittelpunkt die Schilderung der staufischen Territorialpolitik steht. Es gelang den Staufern nicht, das Oberrheingebiet zu einem königlichen Territorialstaat als Mittelpunkt ihrer Hausmacht zu organisieren. Die im Gegensatz zu ihrem schwäbischen Herzogtum entstandene Staatsgründung der Zähringer, die die Landschaft auf beiden Seiten des Schwarzwaldes und diesen selbst zu einer Einheit verband und mit ihr das rheinfeldische Erbe, die Reichsvogtei in Zürich und das Rektorat in Burgund zusammenschloß, verhinderte die Abrundung des staufischen Hausbesitzes. Die Sicherung der Verbindung zwischen dem Breisgau und der Baar, zwischen dem altbesiedelten


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Gebiet der östlichen Schwarzwaldabdachung und dem westlich anschließenden Ausbauland erreichten die Zähringer durch die Errichtung wegbeherrschender Burgen. Unter diesem Gesichtspunkt untersucht K. S. Bader < 357> die Geschichte der Kürnburg, der Burg Zindelstein und der Warenburg als Stützpunkte der Zähringerherrschaft über Baar und Schwarzwald. Auch der dritte Versuch einer großzügigen Staatsbildung am Oberrhein durch die Habsburger, deren Politik am Oberrhein während des Mittelalters Th. Mayer < 881> auch in der Festgabe für Srbik zum Gegenstand nimmt, wurde nach der Wahl Rudolfs zum deutschen König abgebrochen. Die Folgen dieser Aufgabe habsburgischer Großraumpolitik am Oberrhein zeigen sich in den österreichisch-eidgenössischen Auseinandersetzungen, die M. A. Meier < 919> am Gegenstand des Friedens von Waldshut und der Politik am Oberrhein bis zum Vertrag von St. Omer mit neuen Forschungsergebnissen beleuchtet. An die Stelle der gescheiterten großräumigen Staatsgründungen trat die territoriale Zersplitterung. Im Elsaß gelang es der geschickten Hausmachtpolitik der Herren von Lichtenberg, das bedeutendste weltliche Territorium auszubauen und die Verbindung zwischen dem rechts- und linksrheinischen Herrschaftsgebiet herzustellen. F. Eyer < 1594> gibt in neuer Darstellung die geschichtliche Entwicklung dieses Länderbesitzes, ohne das Quellenmaterial grundlegend zu erweitern gegenüber dem von J. G. Lehmann erstmals verarbeiteten Aktenmaterial aus dem Darmstädter Staatsarchiv in dessen breiter Urkundlichen Geschichte der Grafschaft Hanau-Lichtenberg (1862/63). Dagegen bedeutet die Bearbeitung der Geschichte der Grafen von Zweibrücken aus der Zweibrücker Linie durch C. Pöhlmann < 351> einen unverkennbaren Fortschritt gegenüber J. G. Lehmanns Abhandlung von 1867 durch das Heranziehen des dreifachvermehrten Urkundenmaterials. Freilich: Leistung und Schicksal dieses Grafengschlechtes im Raume zwischen der deutschen Sprachgrenze und dem Rhein blieb ohne sonderlichen Einfluß auf die Reichsgeschichte. Die Heimat- und Ortsgeschichte erfährt aber eine wesentliche Bereicherung.

Im ersten Teil des Bauernkrieges sieht A. Waas < 931> einen aus der Vergangenheit folgerichtig erwachsenen Kampf um die Stellung des Bauernstandes und der bäuerlichen Landgemeinden in der Gesamtheit des deutschen Volkes. Der auslösende Anstoß kam von der religiös-sozialen Bewegung. Die nicht zu erwartende Wendung zur völligen Niederlage und blutigen Vernichtung der Bauernschaft ist entweder aus der den schärfsten Widerstand herausfordernden radikalen Haltung der Bauern zu erklären oder aus dem Sieg des politischen Willens einer Gruppe von Landesherren zur vertraglosen Niederwerfung der Aufstände. Für die letzte Erklärung des Umschwungs spricht die Entwicklung im Rheingau, in Mainz und Frankfurt, in der Pfalz und in der Ortenau. Der Schwäbische Bund wird der Träger der starren Gegnerschaft jeder Vertragslösung. Im Elsaß wirft Herzog Anton von Lothringen die Bewegung blutig nieder. Im Unterelsaß zeigte man demgegenüber nach dem Zusammenbruch der bäuerlichen Selbsthilfe Mäßigung. Zwischen dem Landvogt, der Stadt und dem Bischof von Straßburg, den Grafen von Bitsch und Hanau kam es zu einer Vereinbarung über die Grundlagen des neuen Verhältnisses zu den Bauern in den Hagenauer Abschieden von 1525, die W. Gunzert < 934> erläuternd veröffentlicht. -- Aus dem im Fürstlich Fürstenbergischen Archiv in Donaueschingen befindlichen Quellenmaterial zur Geschichte des oberrheinischen


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Grenzlandkampfes im 17. Jh. baut Fr. K. Barth < 985> eine anschauliche Schilderung der Zustände und Nöte in der Landschaft Baar, im Schwarzwald und am Oberrhein während des zweiten Raubkrieges auf und bezieht auch die Kämpfe bei Straßburg 1674/75 mit ein, dessen Raub durch Frankreich in Wiener Beiträgen durch P. Wentzcke < 984> neu beleuchtet wird.

Als Nachklang der napoleonischen Länderverteilung am Oberrhein bewegte der bayrisch-badische Gebietsstreit in den Jahren 1825--1832 die deutsche und die europäische Politik. König Ludwig I. von Bayern erhob in Voraussicht des Aussterbens des legitimen Zähringer Fürstenhauses Ansprüche auf die badisch gewordene Pfalz rechts des Rheines und Erbansprüche auf ein Surrogatland für den bayrischen Anteil an der badisch-pfälzischen Gemeinherrschaft Sponheim, obgleich die Nachfolge der nichtebenbürtigen Markgrafen von Hochberg in dem unteilbaren badischen Gesamtland von den Großmächten anerkannt war. Mit großem Fleiß hat L. v. Hoermann < 1120> das umfangreiche Aktenmaterial über diesen, letzten Endes im Sande verlaufenen diplomatischen Gebietsstreit im deutschen Südwesten zusammengetragen und in einer mehr in die Breite als in die Tiefe der geschichtlichen Zusammenhänge gehenden Darstellung verarbeitet. In den gleichen Jahren begann in dem jungen badischen Staat die Auseinandersetzung zwischen dem Katholizismus und der liberalen Strömung der Zeit. Nach vier Richtungen wandte sich sein Kampf: gegen den kirchlichen und gegen den politischen Liberalismus, gegen den Staatsliberalismus und gegen freiere Strömungen im eigenen Lager. Die Untersuchung und Darstellung dieses Streites auf der Grundlage zahlreicher Flugschriften und des Aktenmaterials von Karlsruhe, Freiburg und Wien nahm sich F. Strobel < 1096> zum Vorwurf. Der vorliegende Teildruck seiner Dissertation, als eines Beitrages zu den Ursachen und Anfängen des politischen Katholizismus in Deutschland, behandelt nur die Gegnerschaft zum kirchlichen Liberalismus um Wessenberg. In die Zeit der badischen Spannungen vor, während und nach der achtundvierziger Revolution fügt sich das Lebens- und Charakterbild ein, das M. E. Heß < 1136> von dem erfolgreichen Verwaltungsbeamten und gemäßigten Politiker Friedrich Theodor Schaaff zeichnet. Sein Kollege in Laufbahn und Politik, der Abgeordnete Anton Christ (1800--1880), ist Gegenstand der Abhandlung von H. H. Jacobs < 1182> über den großdeutschen Gedankenaustausch im Sommer 1870, den Beust durch die Entsendung Alfred von Vivenots nach Südwestdeutschland und auch nach Heidelberg zur Feststellung proösterreichischer Gesinnung veranlaßte.

Das Jahr 1938 hat die beiden Standwerke über die jüngste Vergangenheit der ehemaligen Reichslande zum Abschluß gebracht. Zum »Reichslandwerk« des Wissenschaftlichen Instituts der Elsaß-Lothringer im Reich ist ein Namen- und Sachweiser < 1230> erschienen. Den drei Bänden seines elsässischen Gegenstückes »Das Elsaß von 1870--1932« < 1229>, der auf bewußt elsässisch-heimatrechtlicher Haltung und katholischer Einstellung beruhenden Darstellung der politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und religiösen Entwicklung des Elsasses in der deutschen und in der Nachkriegszeit, ist ein vierter Band gefolgt, der dieses umfassende Werk von hohem Wert und beachtetem Streben nach Sachlichkeit durch Karten, Graphiken, Tabellen, Dokumente und ein Sach- und Namenregister aufschließt. Beide Werke bleiben der Forschung über das Grenzland jenseits des Rheins unentbehrlich. Um weiteren Kreisen Anregung


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und Überblick zu geben, hat das Elsaß-Lothringer Institut eine Reihe von Vorträgen bester Kenner (Wentzcke, Blaum, Wolfram, Hallier, Hansen, Bronner) über Elsaß-Lothringen 1871--1918 < 358> veröffentlicht, deren Ausführungen sich auf die Ergebnisse der beiden Standwerke und eigenes Erleben im Elsaß stützen, darüber hinaus aber in ihrer wissenschaftlichen und volkspolitischen Beurteilung bewußt eine neue Auffassung zur Geltung bringen wollen.


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