VI. Kirchengeschichte.

In dem aus Kirchenbüchern, Kirchenarchiven und den Magisterbüchern geschöpften, mit eingehenden Biographien ausgebautem Verzeichnis der evangelischen Geistlichen Freudenstadts seit der Gründung führt J. Haller < 2833> u. a. Daniel Hizler auf, der uns aus seiner Linzer Tätigkeit durch seine Kampfstellung gegen Kepler bekannt ist. Vom Leben und von den weitreichenden Beziehungen des aus Hessen stammenden D. Konrad Dieterich, der von 1614--1639 als Vertreter der strengen lutherischen Orthodoxie in Ulm das Amt des Superintendenten und Scholarchen versah, entwirft uns H. Dieterich ein sehr eindrucksvolles, mit vielen interessanten Einzelheiten ausgeschmücktes Bild < 2838> an Hand des Briefwechsels, der sich in vier Foliobänden in München erhalten hat. Die Behandlung der Ulmer Kirchenvisitationen, bei der uns schon früher der Name Dieterichs begegnet ist <1937, S. 536>, bringt Endriss zum Abschluß durch sorgfältige Auswertung eines neuaufgefundenen Kirchenvisitationsprotokolls aus den Jahren 1721--1759 < 2837>, der er einige lückenhafte Nachrichten über die Visitationen der 2. Hälfte des 17. Jh.'s (1665/66, 1699) voraufschickt. Als Ergebnis der Visitationen dieser Zeit läßt sich im Gegensatz zu früher ein wesentlicher Wandel zum Bessern im Leben der Gemeinden sowohl wie in den Sitten der einzelnen feststellen.

Angeregt durch die große Bengel-Biographie von K. Hermann <1937, S. 536> sucht W. Metzger < 2834> Bengels theologische Entwicklung zu Orthodoxie und Chiliasmus, die Einflüsse, die Lehrer und Lektüre auf diese ausgeübt haben, bis zum Antritt des Klosteramts in Denkendorf zu klären; er betont die durchaus selbständige Haltung B.s zwischen den geistigen Fronten. Die spätere Auseinandersetzung B.s mit Zinzendorf und Herrnhut schildert unter Verwertung des Unitätsarchivs und des Bengelschen Nachlasses Geiges < 2835>. Er zeigt, daß B. im Gegensatz zu seinem Schüler Oetinger, von dessen Loslösung von Herrnhut uns G. früher berichtet hat <1936, S. 537>, als fertiger Theologe und Kirchenmann der Bewegung gegenübertritt. B. hat seit der persönlichen Begegnung mit Zinzendorf 1733 immer wieder versucht, die Auseinandersetzung ohne äußeres Aufsehen durchzuführen und auf den Grafen und seine Anhänger einzuwirken, damit ein erträglicher Ausgleich zustande käme. G. zeigt, daß schließlich das Verhalten von Zinzendorf selbst B. zu der offenen Absage in seinem 1751 veröffentlichten »Abriß der Brüdergemeine« bestimmt hat. Damit war der Bruch zwischen Herrnhut und der Württ. Kirche besiegelt.

In die von Bengel und Oetinger angeregten chiliastischen Kreise des württ. Pietismus führt uns Fritz < 2836> mit seiner Schilderung des konfliktereichen Lebens des Pfarrers Johann Jakob Friederich (1759--1827), des Verfassers des weitverbreiteten und von den Schwärmern viel gelesenen »Glaubens- und Hoffnungsblickes des Volks Gottes« (1800). Die große Bedeutung, die das chiliastische Schrifttum, neben Friederich und Bengel vor allem auch Jung-Stillings Schriften, für die Auswanderungsbewegung nach dem Südosten, insbesondere nach Südrußland (-- an Stelle des unzugänglichen Palästina --) besessen hat, beleuchtet Fritz eingehend; er zeigt, daß der grob sinnliche Chiliasmus der Schrift Friederichs noch auf die Pläne Christoph Hoffmanns und seiner »Templer« einwirkte.


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In eine ganz andere Gedankenwelt versetzt uns K. Müller in seinem Aufsatz über den Prälaten Joseph Friedrich Schelling, den Vater des Philosophen < 2832>: Ein Mann voll sittlichen und religiösen Ernstes und von ebenso starker Begabung wie gewissenhaftester Amtsführung, im Grunde seines Wesens aber ein stiller, nüchterner Gelehrter tritt uns entgegen; er bildet einen ausgesprochenen Gegensatz zu seinem Sohn, mit dem er recht gut stand, wie überhaupt das Familienleben ein inniges, schönes Bild zeigt.

Dem Andenken des großen katholischen Theologen Johann Adam Möhler gelten Löschs Ausführungen über die Anfänge der Tübinger Theologischen Quartalschrift < 615>. In den harten Kampf zwischen der katholischen Kirche, voran der Kurie und der ganz auf Staatskirchentum eingestellten Kirchenpolitik der württ. Regierung führen uns zwei Aufsätze: einmal Hagens ausführliche Schilderung < 2730> des hartnäckigen Ringens um die Besetzung des nach Bischof Kellers Tod (1845) verwaisten Rottenburger Bischofsstuhls, in dem schließlich der päpstliche Kandidat Dekan Joseph Lipp im Gegensatz zu dem von Rom verworfenen Domkapitular Ströbele den Sieg davontrug, sodann S. Merkles Darlegungen zu dem langwierigen Mischehenstreit in Württemberg < 2731>. --


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