I. Volkskunde.

Die 1718 beginnende und das ganze Jh. hindurch in Wellen sich wiederholende, von Werbern geleitete Auswanderung bäuerlicher Familien -- vermögender wie armer -- aus dem ganzen Maingebiet nach Ostpreußen, Polen, Nordamerika, Cayenne, Rußland und besonders nach Ungarn war für das fränkische Volkstum der Heimat ein starker Aderlaß. Die Stellung der verschiedenen fränkischen Gebietsherrschaften zu dieser Bevölkerungsbewegung, welche die Übervölkerung, besonders mit Steuerarmen, minderte, war nicht einheitlich. Das Verdienst Pfrenzingers < 1852> ist, seit vielen Jahren und in systematischer Ausbeute aller in Frage kommenden Archive den Quellenstoff erforscht und besonders die Namen der ausgewanderten Familien festgestellt


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zu haben. In Form eines allgemeinen Überblickes legt er nun Rechenschaft von dem Erarbeiteten ab. Sie ist der Erweiterung in Form einer größeren wissenschaftlichen Abhandlung wert. --Funk < 2383> sammelt in Art eines sachlich gegliederten Katalogs die Zeichen früherer Rechtspflege und Verwaltung, welche in Städten und Dörfern, auf Straßen und Fluren des alten »Ostfranken« zwischen Rhein und Böhmerwald, Donau und deutschem Mittelgebirge oder in Heimatmuseen erhalten sind; seine sehr ausgeweitete Deutung des Begriffes der Rechtsdenkmäler zieht Stätten und Gegenstände herein, die nicht ohne weiteres als solche gelten. Trotz sicherlich vieler Unvollständigkeiten und obwohl die den Abschnitten vorausgehenden allgemeinen, die rechtsgeschichtliche Entwicklung bewußt außer Acht lassenden Betrachtungen wissenschaftliche Ansprüche wenig befriedigen, ist dieser in Jahren erwanderte und gesammelte erste Versuch auf einem in Franken bisher zumeist nur von Freunden örtlicher Geschichte gepflegten Gebiete als Baustein zu einer allgemeinen und umfassenden Sammlung aller deutschen Rechtsdenkmäler des Dankes wert. -- Die Entwicklung und Zusammenhänge eines gleichfalls bisher wenig beachteten rein bäuerlichen und handwerklichen Kulturgutes, das in einheitlicher Formensprache in der fränkischen Dorfgemeinschaft sich von alters vererbt hat, findet durch Schiefer < 2183> erstmals entsprechende Würdigung. Der Kratzputz, der in dem bairischen, württembergischen und badischen Franken nicht wie in Hessen das Wohnhaus, sondern das Fachwerk der rückwärtigen Gebäude verziert und überwiegend geometrische Ornamente bevorzugt, findet sich nur in bestimmten, früh besiedelten Gegenden; seit dem Weltkrieg ist er im Aussterben begriffen.


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