II. Darstellungen.An
Füßleins Arbeit über das Hochstift Würzburg (
969) hat allgemeinere Bedeutung vor allem das Bestreben, die schwer
faßbare Entwicklung und geschichtliche Rolle der Würzburger Bürgerschaft klar herauszuarbeiten (vgl.
auch
970). Daneben sei noch auf die Bemerkungen über Konradins Verlobung (S.
132/33) hingewiesen. -- H. Peper (
944) beschäftigt sich mit den Königswahlen von 1273 und 1308, um die
beiden anhaltischen Kandidaten, Siegfried I. und dessen Sohn Albrecht, zu charakterisieren, und weist darauf hin,
daß Siegfried von Anhalt im Jahre 1273 fünf unverheiratete Töchter hatte, sich also in diesem Punkte
fast mit Rudolf von Habsburg messen konnte. -- Die Dissertation von Langenberg (
941) behandelt die Stellung von Bischöfen, Adel und Städten der
ehemals babenbergischen Lande im Kampf zwischen Rudolf und Ottokar. Erzbischof Friedrich von Salzburg liefert den
meisten Stoff dafür. Sie ist nicht über das bisher Bekannte hinausgekommen, soviel ich sehen konnte (sehen im
physischen Sinn, denn der allein zugängliche Durchschlag ist nur sehr schwer lesbar). -- Ein vollwertiger Beitrag
zur Reichsgeschichte unter Rudolf und seinem Nachfolger ist durch ihren Gegenstand und dessen vortreffliche Behandlung
die Arbeit von Manfred Krebs über den Straßburger Bischof Konrad III. von Lichtenberg (
979), der schon vor seiner Wahl im Jahre 1273 ein Parteigänger des
Habsburgers ist und unter Adolfs Regierung ständig mit Albrecht von Österreich in Fühlung bleibt, dessen
Kampf gegen den König er vorbereitet und durchführen hilft. --Heinrich Finke S.289 ( 945) gibt auf wenigen Seiten ein sehr lebendiges Bild nicht nur von der für Jakob II. von Aragon siegreichen, für seinen jüngeren Bruder Friedrich von Sizilien verhängnisvollen Seeschlacht bei Kap Orlando im Juli 1299, sondern auch von ihren Voraussetzungen und Folgen. Benutzt ist dabei der Nachlaß des im Weltkriege gefallenen H. E. Rhode.Von zwei sizilianischen Königinnen, die in Klarissenklöster eintraten, handelt ein Aufsatz von Mazzara ( 940). Es sind Manfreds Tochter Konstanze, die Gemahlin Peters von Aragon, und Eleonore, die Gattin Friedrichs II. und Schwester des heiligen Ludwig von Toulouse. Der Aufsatz bestätigt, was Wadding von diesem König Friedrich II., dem Besiegten von Kap Orlando, sagt: erga Minoritas ut universa domus Aragoniae addictissimus. Friedrich Schneider ( 946) veröffentlicht von seiner Geschichte Heinrichs VII. den zweiten Teil. Darin wird der Romzug dargestellt unter ausgiebigster Verwertung der neuesten Literatur, mit reichhaltigen Quellenbelegen und dem Abdruck einiger Urkunden. Die Sympathie des Verfassers mit seinem Helden ist unverkennbar, mit Davidsohns Beurteilung der Vorgänge setzt er sich vielfach kritisch auseinander. Zu einem abschließenden Urteil wird man erst kommen können, wenn der dritte Teil vorliegt, in dem Heinrichs Kaisertum im Rahmen der Ideen seiner Zeit zu würdigen ist. Über die 1921 geschehene Überführung der Gebeine des Kaisers aus dem Campo Santo zu Pisa in den Dom berichtet Schneider in einer besonderen Studie ( 947), die vor allem Forschungsergebnisse italienischer Mediziner über die Giftmordlegende bekanntmacht. Wegen der Beziehungen, die Cangrande und seine Nachfolger zur deutschen Geschichte haben, sei Luigi Simeonis Studie über die Krisis der Skaligerherrschaft ( 949) hier erwähnt. Anstatt, wie es gern geschieht, Größe und Zerfall dieser Herrschaft auf die Verschiedenheit des Charakters Cangrandes und seines Neffen Mastino zurückzuführen -- etwa unter Hinweis auf deren bekannte Standbilder --, zeigt Simeoni gerade, daß der Oheim seine Erfolge großenteils dem Glück und der Hilfe solcher Parteien, deren Treue fraglich bleiben mußte, verdankt, ja in den letzten Jahren ganz ähnlich vorging wie Mastino, der sehr gute Gründe zur militärischen Defensive hatte und politisch vielfach in einer Zwangslage war. -- Die erwähnte Krise fällt in der Hauptsache in die Jahre 1336 bis 1339. Damit berührt sich zeitlich die Schrift von G. Uhl ( 950). Reichlich ungedruckten Quellenstoff verwendend, ist sie ein Beitrag zur Geschichte Ludwigs des Baiern in den Jahren von 1337 bis 1346. Am stärksten interessiert die Haltung des Mainzer Erzbischofs Heinrich, dem die Untersuchung gilt, auf seinem Provinzialkonzil zu Speyer (März 1338), in Rense auf dem Kurfürsten- und in Frankfurt auf dem Reichstag. Heinrich (nicht Balduin!) scheint in Rense der eigentliche Führer zu sein, später erscheint er aber so von Ludwig dem Baiern abhängig, daß es naheliegt, dies auch für die frühere Zeit seit seinem vollen Übertritt ins kaiserliche Lager vorauszusetzen. Als Heinrichs Einfluß schwindet, findet Ludwig beim Domkapitel Ersatz für die bisher vom Erzbischof gewährte Unterstützung. Die interessante Gestalt Karls IV. lockte mehrere Bearbeiter. Wolfgang Klein
(
952) untersucht ein sehr dankbares Thema, wenn er den Einflüssen des
französischen Aufenthaltes auf Karls Regierung nachspürt. Freilich begegnen ihm allerlei Mißgriffe.
Manches preßt er zu sehr. Ein Gedanke wie: Karl IV. setzt in der Schlacht sein Leben aufs Spiel, wie dies auch
französische Könige
S.290 taten (S. 15), ist doch gar zu billig. Für die feierliche Krönung der Königin, eine in Böhmen früher unbekannte Zeremonie, soll Karl das Vorbild in Frankreich gesucht haben; daß Deutschland ebensogut in Betracht kommt, wird leider nicht gesagt. Ein nicht durchschautes Bibelzitat in der Vita Clemens' VI. hat zur Folge, daß er aus den von Luther so übersetzten Worten: »Gutes tun an jedermann, allermeist aber an des Glaubens Genossen« (dies habe sich, rühmt der Biograph, der Papst zur Richtschnur genommen) herausliest: Der Papst habe die Aufgabe seines Pontifikates darin gesehen, das Glück seiner Günstlinge zu begründen (S. 33). Man wird also Erhebliches von den Ergebnissen dieser sonst ganz ansprechenden Arbeit abzuziehen haben. --Novák ( 951), der über den Patriotismus Karl IV. schreibt, will dabei das Wort Patriotismus ausdrücklich nicht im modernen Sinne verstanden wissen. Er ist sich auch klar darüber, daß nur der tschechische Adel ernstlich von Karl berücksichtigt wurde, und daß, wo Karl sich über die tschechische Sprache äußert, meist praktische Absichten zugrunde liegen -- mit einer Ausnahme (der bekannten Stelle in der Selbstbiographie Böhmer, Fontes I p. 246/47), zu der ich mit Hanisch ein Fragezeichen setzen möchte. Trotz all diesen Einschränkungen erweckt aber das Wort Patriotismus und erwecken die von Novák zusammengestellten Tatsachen den Eindruck, als hätte sich Karl den Tschechen näher gefühlt als den Deutschen oder Luxemburgern. Hiergegen wendet sich Hanisch ( 951 a). Er betont mit Recht, daß Karls Verhältnis zu Schlesien, der Mark Brandenburg u. a. als Vergleichsmaterial daneben gestellt werden müßte, und daß manche Aufstellungen Nováks abzuschwächen oder zu berichtigen sind.In die sonst unrühmliche
Regierungszeit Wenzels fällt der Feldzug Karls VI. von Frankreich gegen den Herzog Wilhelm von Geldern. Dieses
Ereignis, erfreulich für die deutsche Geschichte, weil der Herzog ruhmvoll daraus hervorgeht, wichtig für die
französische, weil Karl VI. sich seitdem von der burgundischen Bevormundung freimacht, schildert
Schulte (
954) klar und eindrucksvoll. --Hollnsteiner (
956) macht den Versuch, zu zeigen, wie Sigmunds Stellung auf dem Konstanzer
Konzil nach den unter seiner eigenen Mitarbeit neu erschlossenen Quellen, besonders den Tagebüchern des Kardinals
Fillastre, erscheint. Gerade dieser einseitig französisch eingestellte Kardinal läßt den Einfluß
Sigmunds gut erkennen, die Mittel, mit denen er seine Wünsche durchzusetzen sucht, die Widerstände, die er
allenthalben findet. Nicht einverstanden bin ich nur, wenn Hollnsteiner aus Sigmunds Absicht, die Reform vor der
Papstwahl durchzusetzen, folgert: »Auch ein Beweis, wie wenig man in Konstanz selbst an die Oberhoheit des Konzils
über den Papst glaubte«. Es genügt doch vollständig die Annahme, man habe -- mit vollem Recht -- an
dem ernstlichen und nachhaltigen Willen des Papstes zur Reform gezweifelt. -- Unter Verwendung bisher unbekannter
Dokumente aus den Archiven von Brüssel und Dijon und der Pariser Nationalbibliothek behandelt
Quicke (
955) Sigmunds Beziehungen zu Burgund. Herzog Friedrich von Österreich,
der dem Papste Johann XXIII. zur Flucht verholfen hatte, verweigerte der aus Brabant stammenden Witwe seines Bruders
Leopold die Herausgabe ihres Witwengutes. Anknüpfend an die Verstimmung zwischen diesem Friedrich und Sigmund,
suchten die Burgunder Sigmunds Beistand gegen jenen zu gewinnen. Die Annäherung hatte keinen Bestand, denn schon
strebten die Burgunder danach,
S.291 Johann IV. von Brabant mit der berühmten Jakobäa, der Erbin von Hennegau, Seeland und Holland, zu verheiraten, und darein vermochte Sigmund natürlich nicht einzuwilligen. Auch auf die Frage des Tyrannenmordes, die in Konstanz verhandelt wurde, haben diese Beziehungen eingewirkt.Das umfangreiche, gefällig geschriebene Buch von Barbey ( 962), eine der Ecole des Chartes vorgelegte Dissertation, schildert das Leben eines Feudalherren aus der Freigrafschaft Burgund, dessen Besitzungen hauptsächlich im Juragebiet liegen und in dem Städtchen Nozeroy ihren Mittelpunkt haben. Ludwig von Châlons, der Held der Darstellung, nimmt auf der Seite seines Lehnsherrn Philipp von Burgund und der Königin Isabeau am Kriege teil. Auf dem Wege der Gewalt sucht er für sich selbst den Delphinat zu gewinnen, verliert aber dabei noch sein Fürstentum Orange. 1432 löst er sich von der Partei Burgunds und schließt sich dem König an, was ihm jenes Fürstentum von neuem einbringt. Auch mit dem Deutschen Reiche hat er wichtige Berührungen. Sigmund, den er einmal persönlich in Nürnberg aufsucht, bestätigt ihm nicht nur alte Privilegien, sondern erteilt ihm überraschend weitgehende Rechte als Reichsvikar in Burgund, Dauphiné und den angrenzenden Landschaften. Bezeichnend, daß Ludwig, um dem Zorne des Burgunderherzogs zu entgehen, zweimal öffentlich auf diese Rechte verzichtet (S. 121 f.), und daß doch in der Bevölkerung der Gedanke der Zugehörigkeit zum Reich nicht erloschen ist (S. 169). Die aus reichen Quellen gespeiste Arbeit ist ein wichtiger Beitrag zur Geschichte der Westgrenze des alten Reiches. Die Kenntnis der Hussitenkriege wird durch zwei Abhandlungen gefördert. Ermisch ( 988) bespricht die Schlacht bei Aussig vom 16. Juni 1426. Er gibt eine Übersicht über die leider spärlichen Notizen, die sich aus Briefen, Stadtrechnungen und Abrechnungen fürstlicher Beamter gewinnen lassen, stellt hierauf die zeitgenössischen Berichte zusammen und läßt zum Schluß 15 kurze, z. T. noch ungedruckte Quellenstücke folgen. Wild ( 986) teilt mit, was über die Teilnahme des Vogtlandes an diesen Kriegen festgestellt werden kann; am meisten war die Stadt Eger aktiv beteiligt. An Kießkalts (
959) Ausführungen zur Geschichte der Post dürfte richtig sein,
daß manche Forscher jede in den Quellen erwähnte Post vorschnell als Taxissche Post angesehen haben, und
daß das erst spät erreichte Monopol dieser Familie seinen Grund darin hat, daß die Kaiser ihre Schulden
an sie nicht bar abzahlen konnten. Im übrigen ist diese Schrift nicht frei von Einseitigkeiten und Fehlern. -- R.
v. Bibra (
958) behandelt unter dem Titel »Kaiser Friedrich III. in
Würzburg« Fragen, die 1474 und 1475 Kaiser und Reich beschäftigten. U. a. erhält man über den
damals den Kaiser begleitenden Türkenprinzen Calixtus Ottomanus und den bekannten Türkenprinzen Dschem
Auskunft. Die Monographie des Majors de Vallière (
964) über die Schlacht bei Murten beruht auf gründlichen Studien,
verfolgt aber in der Hauptsache den Zweck, in Schweizer Lesern Stolz auf die vaterländische Vergangenheit und
Freude an der Wehrhaftigkeit überhaupt zu wecken. Sie entgeht nicht ganz der Gefahr, Einzelumstände genauer zu
schildern, als es die Quellenlage gestattet. --Mario Brunetti (
965) betitelt eine ausführliche Analyse der Depeschen des venezianischen
Gesandten Vincenzo Querini Alla vigilia di Cambrai, womit er das daran haftende Interesse richtig bezeichnet. Querini
weilte 1507 in Konstanz in der Umgebung Maximilians, dann wurde ihm Augsburg
S.292 als Aufenthaltsort zugewiesen. Seine Lage war sehr schwierig, weil Venedig alle Vorschläge Maximilians ablehnte und bei der rasch wechselnden Sinnesart des Königs, dem anscheinend erkaltenden Eifer der deutschen Fürsten, den Aussichten auf eine franzosenfreundliche Opposition in der Schweiz und auf kriegerische Verwicklungen in Flandern an eine allzu ernste Gefahr nicht glauben mochte. Man erhält durch diese Veröffentlichung ein gutes Bild von der Vorgeschichte der schon früher gedruckten, sehr lebendigen und klaren Relation des Querini.Der Gesamteindruck, den die hier flüchtig gemusterte Literatur hinterläßt, ist ein stärkeres Bemühen um die Aufhellung der historischen Probleme dieses Zeitraums als es im vorigen Berichtsjahr in Erscheinung trat. Stärker zeigt sich auch -- wie es die engen internationalen Zusammenhänge der mittelalterlichen Spätzeit selber zu fordern scheinen -- das Zusammenwirken der verschiedenen Völker, deren Historiker einander, auch wo sie sich wissenschaftlich bekämpfen, die gebührende Achtung nicht versagen. |
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