b) Staufer.Die Geschichte der Staufer und ihrer Beziehungen zum Papsttum und zu Italien beschäftigte den 1916 verstorbenen italienischen Gelehrten Grafen Ugo Balzani in seinen letzten Lebensjahren. Aus seinem Nachlaß hat P. Fedele die vollendeten Partien herausgegeben ( 714). Es ist eine einfache, auf ein größeres Publikum berechnete und bis 1167 reichende Darstellung ohne allzu viel gelehrten Ballast, leider oft durch Druckfehler (in den Personennamen!) entstellt. Das Buch von G. B. Siragusa über König Wilhelm I. von Sizilien ( 719) ist eine Umbearbeitung einer älteren, 1885--86 erschienenen Arbeit, in der sich der Verf. bemüht, die neuere Literatur nachzutragen und zu verwerten. Das ist ihm nicht restlos gelungen; so vermißt man z. B. die Benutzung von F. Chalandon Les Comnènes II (Paris 1912) u. a. Für die sog. vatikanischen Assisen des Königreichs Sizilien verteidigt er nach wie vor die Verfasserschaft Wilhelms I., ohne sich durch Caspars und Nieses Nachweis der Zugehörigkeit zu Roger II. beeindrucken zu lassen. Zur
Geschichte Friedrich Barbarossas liegen einige Einzeluntersuchungen vor. Den Reigen eröffnet H.
Zatschek mit seiner Studie über den Konstanzer Vertrag von 1153 und seine Erneuerung (
717). Für den Vertrag selbst werden die benutzten Vorurkunden
nachgewiesen; in seiner Beurteilung neigt Z. zu einer stärkeren Betonung des Erfolges der Kurie. Die Erneuerung des
Vertrages von 1155 wird genauer auf Februar--März datiert und zum ersten Male im vollen Wortlaut mitgeteilt.
Darüber hinaus glaubt Z. aber noch die Existenz einer weiteren, im Wortlaut nicht erhaltenen Abmachung
wahrscheinlich machen zu können, deren Bruch Friedrich I. in Pavia 1160 der Kurie mit Recht zum Vorwurf gemacht
habe. Er stützt sich dafür auf die Angaben der sog. oratio advocati Victoris (Const. I 257 n. 187), eines
eigentümlichen Stückes, dessen Form und übriger Inhalt aber erst noch ausreichend erklärt werden
S.170 müßten. -- Das Buch von O. Frhr. von Dungern ( 720) versucht in sonderbar populärer Form, der Glaubwürdigkeit des privilegium minus von der rechtsgeschichtlichen Seite her zu Leibe zu gehen. Der Angriff wird eröffnet mit einem Ausflug in die Diplomatik; aber die Kritik der Zeugenreihe mit Hilfe jener von St. 3755 ist als mißlungen abzulehnen. Von den rechtsgeschichtlich neuen Bestimmungen des Privilegs führt v. D. das vielumstrittene ius affectandi auf byzantinisches Vorbild zurück und hält es für echt. Dagegen sollen die Befreiung von der Hoftags- und Heerfahrtpflicht und die Bestimmung über die Gerichtshoheit Fälschungen sein. Das Buch fordert fast auf Schritt und Tritt zum Widerspruch heraus und hat dadurch zum mindesten das Verdienst, anregend zu wirken. -- F. Güterbock nimmt in seiner Untersuchung über den Grafen Rudolf von Pfullendorf ( 721), den »schönsten Mann in Barbarossas Heere«, Stellung zu einer oft erörterten genealogischen Frage. Danach ist dieser Rudolf der Schwiegersohn (nicht der Schwager) des 1154/7 verstorbenen Grafen Rudolf von Bregenz und Teilerbe von dessen Lehen; gestorben ist er nach 1180 und durch seine Tochter ein Ahnherr Rudolfs von Habsburg. -- Die Dissertation von A. Jost ( 716) betrachtet die Arengen der Urkunden Friedrichs I. als geistesgeschichtliche Quelle und stellt in ihnen »eine stärkere Betonung der kaiserlichen Majestät« im Gegensatz zu der früheren Zeit, also den staufischen Reichsgedanken fest, der dann auch bis in die Arengen der späteren Staufer verfolgt wird. Das ist nicht gerade neu; ob der imperiale Gedanke aber erst durch italienische Notare oder durch Schüler Wibalds, der »mit dem Titelwesen des oströmischen Reiches vertraut war« (nur damit?), in das Urkundenwesen Barbarossas hineingekommen ist, das müßte durch diplomatische Untersuchung nachgewiesen werden. -- Bei der Benutzung der unter dem Eindruck von v. Belows These stehenden Arbeit von H. Meyer über Barbarossas Militärpolitik in Italien ( 718; vgl. dazu auch 379) ist die förderliche Besprechung von F. Güterbock heranzuziehen, der die Ursachen aufgedeckt hat, weshalb die Arbeit zu keinem befriedigenden Ergebnis kam. Der Hauptfehler liegt in der Vernachlässigung des zeitlichen Moments; der Stoff hätte nach den durch die Jahre 1167 und 1180 gebildeten großen Etappen von Friedrichs I. Italienpolitik gegliedert werden müssen, dann wären statt der »Unbeständigkeit aller Verhältnisse« doch einige großen Linien hervorgetreten und das Bild nicht so rein negativ ausgefallen.Zur Lebensgeschichte Heinrichs des Löwen sind zwei Beiträge erschienen. O. Hahne ( 722) versucht in seiner Untersuchung, das Geburtsdatum des großen Welfen auf Juni oder Juli 1130 zu bestimmen. Bei seinem Beweisgang spielt das Itinerar der Kaiserin Richenza eine Rolle und ferner die für den Genealogen prinzipiell beachtenswerte Erwägung, die Kaiserin habe ihrer Tochter, der am 18. April 1115 geborenen Gertrud, in ihrer schweren Stunde beizustehen gewünscht. Auf diese Weise wird die Angabe der Steterburger Annalen, Heinrich sei 1195 im 65. Lebensjahr gestorben, gerettet. K. Schambach ( 723) beharrt bei seiner Auffassung, daß die Narratio der Gelnhäuser Urkunde über den Prozeß Heinrichs des Löwen zweisätzig abgefaßt sei, wofür er in Erben einen Helfer begrüßt, und ferner gegen Mitteis auch bei seiner früheren Erklärung, daß der reatus maiestatis auf die Gewalttaten Heinrichs vor dem erfolgten landrechtlichen Rechtspruch zu beziehen sei. Eine wenig beachtete, für das Köln der Stauferzeit vor allem kulturgeschichtlich
S.171 interessante Reisebeschreibung wird von K. Corsten ( 724) in Übersetzung und mit gründlicher Einleitung und Erläuterung wieder in Erinnerung gebracht.Die deutsche Produktion zur Geschichte Friedrichs II. steht
naturgemäß unter dem Eindruck des Buches von E. Kantorowicz und sucht sich mit ihm auseinanderzusetzen, so
die Bemerkungen von W. Cohn (
726), der sich Brackmanns Ablehnung zueigen macht. Schwerer wiegen die beiden
Beiträge von Fed. Schneider. In seiner akademischen Rede (
727) betont er vor allem die Abhängigkeit, in der Friedrichs II.
imperiale Auffassung von der Reichsidee der früheren Staufer stand, und schildert die in die Zukunft weisenden
Anfänge der staufischen Hausmacht im Elsaß. In der zweiten Schrift (
728) ist letzteres näher ausgeführt; sie enthält in den
einleitenden Bemerkungen auch einige feine Beobachtungen zur Persönlichkeit Friedrichs II. und lehnt in einem
Exkurs die weitverbreitete Meinung ab, Friedrich II. habe kein Deutsch verstanden. Das Buch von Franzl über den
unglücklichen Heinrich (VII.) hat durch E. Rosenstock (
725) eine fast enthusiastisch zustimmende, die allgemeinen Erörterungen
der verfassungsgeschichtlichen Lage noch weiter überspitzende Besprechung erfahren, während R.
Holtzmann sich wesentlich zurückhaltender äußert. Eine umfangreiche Monographie hat W.
Cohn (
730) dem Großmeister Hermann von Salza gewidmet. In seiner Betrachtung
steht weniger der Gründer des Deutschordensstaates in Preußen im Vordergrund als der Freund und Berater
Friedrichs II. »Wesentlicher« als seine Pflichten, die sich aus seiner Stellung an der Spitze des Ordens
ergaben, »war ihm seine Arbeit um den Frieden zwischen Kaisertum und Papsttum. Sein hohes Ideal war der
Gottesstaat auf Erden, der nur zu verwirklichen war, wenn die beiden großen Mächte der abendländischen
Christenheit einig waren« (S. 260 f.). Dieser Grundauffassung entsprechend ist der -- größtenteils
vermittelnde -- Anteil Hermanns an den Auseinandersetzungen Friedrichs II. mit der Kurie geschildert, wobei man aber oft
ein schärferes Urteil an Stelle der bei der gegebenen Quellenlage nur angenommenen Möglichkeit gewünscht
hätte. Unklarheit über »die Stellung des Ordens in der Gesamtheit seiner (H.s) politischen
Tendenzen« hat neben anderem, besonders der Behandlung von Hermanns burzenländischer Politik E.
Maschke in seiner Besprechung Cohns gerügt; es wäre hinzuzufügen, daß auch in
Einzelheiten manche Irrtümer unterlaufen und daß der Verzicht auf jegliche Gliederung eine
unkünstlerische Komposition verrät. Gleichwohl wird man das Buch schon seiner Materialsammlung wegen mit
Nutzen zu Rate ziehen. Auch über die Frage, ob Hermann das Preußenland betreten habe, ist Maschke anderer
Ansicht als Cohn, der sie in einer besonderen Abhandlung (
731) bejaht und dabei die Kulmer Handfeste (worin ihm Maschke aus anderen
Gründen beistimmt) auf 1233 datiert. -- Das sizilische Stammland Friedrichs II., nämlich die Parteinahme der
sizilischen Kirche in dem Ringen zwischen Kaiser und Papst, betrifft die Untersuchung von H. J. Pybus (
729). Er schildert die kirchenrechtliche Lage, die auf eine Wiedererlangung
des Kronguts gerichtete Politik des Kaisers nach 1220 und zeigt dann an einzelnen Beispielen, daß die Mehrheit der
Prälaten bis 1239 entschieden kaiserlich gesinnt war. Wo es vorher und nachher zu einem Konflikt kam -- besonders
lehrreich ist der Prozeß gegen den Bischof Arduin von Cefalù --, da war der Anlaß nicht eine
Animosität des Kaisers gegen die Kirche und ihre Diener schlechthin,
S.172 sondern deren Widerstand gegen die zentralisierende, in ihrer Grundhaltung reaktionäre Politik des Kaisers in der Frage des Kronguts.Endlich ist noch aufmerksam zu machen auf das umfangreiche Werk von G. Soranzo ( 735), das die Beziehungen des christlichen Europa zu dem großen Tatarenreiche behandelt. Ein gewaltiger, wahrhaft universalhistorischer Stoff, der nur im 2. Kapitel über den Mongolensturm von 1241 die deutsche Geschichte berührt, wird hier mit ausgedehnter Quellen- und Literaturkenntnis und mit nicht alltäglicher Darstellungskunst behandelt. Aus den folgenden Kapitelüberschriften wird man entnehmen, wie der Verf. die Mongolenfrage in die allgemeine Weltpolitik, vor allem in die Geschichte der ausgehenden Kreuzzugsbewegung, eingliedert und neben der Schilderung der Mission der Bettelorden, die natürlich im Vordergrund steht, auch die Wirtschaftsgeschichte zu Worte kommen läßt: 1. Die Interessen der Christenheit in Asien und die gelbe Gefahr in der ersten Hälfte des 13. Jhds. 2. Der Mongoleneinfall des J. 1241 und das christliche Europa. 3. Innocenz IV. und die ersten Tatarenmissionen. 4. Der erste Kreuzzug Ludwigs des Hl. und die neuen Tatarenmissionen. 5. Der neue Zusammenstoß zwischen den östlichen Tataren, den Sarazenen und den christlichen Staaten. 6. Um eine tatarisch-christliche Allianz (1270--82). 7. Die tatarisch-christlichen Beziehungen und die Katastrophe des hl. Landes. Die Zeit Nicolaus' IV. und Argun Kans. 8. Der Triumph des Islam (die Zeit Celestins V. und Bonifaz' VIII.). 9. Der christliche Orient und die ersten avignonesischen Päpste. 10. Die Tataren des Westens (Kiptschak), ihre Verhältnisse und politischen Tendenzen. 11. Die katholischen Staaten Osteuropas und die Tataren des Kiptschak. 12. Die christlichen Kolonien des Schwarzen Meeres, das griechische Reich und die Tataren des Kiptschak. 13. Triumph und Zusammenbruch der christlichen Mission in imperio Tatarorum. |
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