I. Quellen und Darstellungen nach der Reihe der Ereignisse.Durch erneute, noch nicht abgeschlossene Ausgrabungen an der Schlei ist in letzter Zeit das Problem
»Schleswig-Haithabu«, die Erforschung des Königssitzes schwedischer Wikinger an der damaligen
nordeuropäischen Weltverkehrsstraße, wieder stärker in den Mittelpunkt des wissenschaftlichen Interesses
gerückt worden. Es ist daher sehr verdienstlich, daß O. Scheel und P. Paulsen
(
422) die für
S.373 diese Frage wichtigsten Texte, Runeninschriften, Stellen aus Annalen und Briefen, aus Viten und Res gestae sowie aus Sagas, schließlich besondere geographische und kulturelle Nachrichten, in sorgfältiger Auswahl, mit wertvollen Literaturhinweisen, dargeboten haben, und zwar im Hinblick auf die fränkischen, sächsischen und nordischen Beziehungen Schleswig-Haithabus. Als ein kleines Gegenstück zu diesem »nordischen Korinth« erweist F. Frahm (Zeitschr. d. Gesch. f. Schlesw.-Holst. Gesch. 60, 1930) Hollingstedt an der Treene, eine künstliche Schöpfung, die aus den Bedürfnissen eines militärischen und später vorwiegend wirtschaftlichen Transitverkehrs von der Ostnach der Nordsee zu verstehen ist; der alte Name »Hylingstadir« scheint auf den Namen des Gründers, wohl des in der isländischen Überlieferung bekannten Sagenkönigs Hygelac (bei Saxo: Hugletus), zurückgehen.Ungemein
aufschlußreich ist die methodisch trefflich durchgeführte Untersuchung von W. Carstens
(ebenda), in der er auf Grund scharfsinniger Quellenanalyse darlegt, daß Adolf VIII. nach der Wahl seines Neffen
Christian von Oldenburg zum dänischen König 1448 ursprünglich nicht an dessen Nachfolge in Schleswig und
Holstein festgehalten, vielmehr erst 1455 ihn als Erben hier anerkannt hat, wobei ihm jedoch an der Sicherung der
Selbständigkeit des Herzogtums Schleswig gegenüber Dänemark besonders viel gelegen war. Aus dem
Hauptinhalt der Ripener und namentlich der Kieler Urkunde von 1460 leitet C. sodann mit Recht den Sieg des
ständischen Gedankens und seiner Verfechterin, der schleswig-holsteinischen Ritterschaft, ab. Als den Verf. der
Ripener Urkunde macht C. den Schleswiger Archidiakon Cord Cordes wahrscheinlich. In erfolgreicher Polemik lehnt C. Arups
These ab, Christian habe keinerlei Bestechung seiner Wähler ausgeübt. Auch daß 1481/82 bei der
Doppelwahl Johanns und Friedrichs die Schleswig-Holsteiner für die Trennung von Dänemark sich mit Hilfe des
nordischen Wahlrechts eingesetzt haben, die Dänen dagegen mit dem deutschen Lehnsrecht für die Verbindung mit
Dänemark, wird von C. überzeugend herausgehoben. -- Niemals früher ist die »Gottorper Frage«,
der Kampf zwischen der Königlichen und der Herzoglichen Linie des oldenburgischen Hauses um Schleswig, während
des Nordischen Krieges, aber auch während des französisch-englischen Weltringens so klar als eines der
bestimmenden Momente für die nordeuropäische Politik gekennzeichnet worden wie in der auf eindringender
Quellenforschung aufgebauten, glänzend geschriebenen Monographie, die Franz v.
Jessen (
835) dem berühmtesten Mitglied seiner Familie, Thomas Balthasar v.
Jessen, gewidmet hat. Die Tätigkeit dieses hochbegabten, von Christian V. geadelten schleswigschen Pfarrerssohnes
als Obersekretär der Deutschen Kanzlei, d. h. als dänischer Außenminister, sowie als diplomatischer
Unterhändler in Wien und Warschau, auch der ganze Kreis der Kopenhagener Staatsmänner vornehmlich deutschen
Ursprungs (darunter die beiden Großkanzler Friedrich Ahlefeld und Konrad Reventlow) wird uns überaus lebendig
nahegebracht. -- Die von W. Jessen in Verbindung mit G. E. Hoffmann herausgegebenen
Briefe Uwe Jens Lornsens an seinen Vater (
926) gewähren vor allem einen Einblick in die eigenartige
Krankheitsgeschichte des leidenschaftlichen Patrioten, während nur vereinzelte Stücke wirklich politischen
Wert besitzen. -- Die gründliche Arbeit von A. Meetz (
954) geht zum ersten Male Droysens publizistischer Wirksamkeit in und für
Schleswig-Holstein nach, wobei die zahlreichen Flugschriften, Zeitungsartikel,
S.374 Denkschriften und dgl. herangezogen, aber auch durch stilkritische Untersuchung und sonstige Erforschung dessen Autorschaft erst nachgewiesen wurde; insbesondere konnte der umfassende Briefwechsel Droysens erstmalig nach dieser Richtung ausgeschöpft werden. Das Ergebnis dieser erfreulichen Darstellung ist die frühe, ausgesprochen realpolitische Erkenntnis Droysens, daß die schleswig-holsteinische Frage in ihren einzelnen Stadien einen starken Hebel für die Lösung der deutschen Frage bildete, sie selbst jedoch nur durch die Einverleibung der Herzogtümer in Preußen beseitigt werden könnte. -- Die von H. Hagenah verfaßte Biographie Wilhelm Ahlmanns (Kiel 1930), der bei der Proklamierung der Provisorischen Regierung 1848 eine nicht unbedeutende Rolle gespielt hat und später einer der überzeugtesten Anhänger des Augustenburgers gewesen und im letzten Grunde auch stets geblieben ist, darf als ein höchst beachtenswerter Beitrag zur Geschichte der schleswig-holsteinischen Frage, und zwar für den gesamten Zeitraum von 1840 bis 1870, angesehen werden; interessant sind die Mitteilungen über Ahlmanns Auftreten als Zivilkommissar der Provisorischen Regierung. |
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