IX. Außenpolitische Einzelfragen 1871--1890.Einen Bericht Russells über eine Unterredung mit Bismarck vom 2. Januar 1876, in der Bismarck einen Bündnisfühler ausstreckte, veröffentlicht D. Harris ( 1016a). In der Einführung werden auch einige Wiener Akten benutzt. Ferner wird ein ergänzender Briefwechsel zwischen Russell und Derby wiedergegeben. Es handelt sich um den in Bd. II, 29 ff. der »Großen Politik« enthaltenen Vorgang, freilich mit einer Unstimmigkeit im Datum und im Ganzen um einen wichtigen Beitrag zur »englischen Bündnispolitik« Bismarcks. -- Unter Benutzung von Akten im Londoner Archiv macht Lee Ausführungen über den englischen Vorschlag an Italien vom März 1878, der ein Bündnis beider Staaten unter Hinzuziehung Frankreichs, Österreichs und Griechenlands vorsah ( 1018). Das Ganze ist für die allgemeine Lage von Interesse. -- Der im Berichtsjahr erschienene Band der Französischen Akten ( 1021) umfaßt den kurzen Zeitraum vom Januar 1880 bis Mai 1881. Im Vordergrund steht zunächst die orientalische Frage, dann aber fast ausschließlich die Auseinandersetzung über Tunis. Die Akten über sie bilden die Mehrzahl der in diesem Band wiedergegebenen Stücke. Weils Buch über »Glück und Elend des Generals Boulanger« (
1028) ist in unserem Zusammenhang zu erwähnen, da der Verfasser damit
zugleich einen Beitrag zu den deutsch-französischen Beziehungen geben und das Geschick des
S.224 Generals in die allgemeine Entwicklung hineinstellen will. Das ist allerdings nur im geringen Maße gelungen; auch ist die Haltung des Buches wenig wissenschaftlich und etwas romanhaft. Bei der behandelten Persönlichkeit ist das allerdings kein unbedingter Schaden und manches aus dem Lebenslauf Boulangers wird recht plastisch herausgearbeitet. Manche Einzelheit ist allerdings zu beanstanden. Die Tendenz ist etwas antibismarckisch; das Buch endet mit einem Kampfruf gegen die Diktatur. -- Der Aufsatz von Gotschalk behandelt die Frage der belgischen Neutralität bei französischem Angriff in den Zeiten der Boulangerkrise 1887 ( 1023). Der Verfasser veröffentlicht interessantes Material und betont unter anderem, daß England damals eine Verpflichtung zur Verteidigung der belgischen Neutralität nicht für gegeben hielt. Das Ganze steht im Zusammenhang mit der Diskussion über die »Conventions anglo-belges«. -- H. O. Meisners Aufsatz ( 1024) gibt auf Grund der Berichte des Militärattachés an Waldersee ein im wesentlichen für die französischen Verhältnisse charakteristisches Bild der dortigen Zustände in der Boulangerzeit. Einige Mitteilungen sind auch für die europäische Politik und das deutsch-französische Verhältnis zu beachten.W. F. Horsch untersucht im wesentlichen auf Grund von Zeitungsmaterial und einigen Akten des Wiener Archivs die Spannung, oder wie er es ausdrückt, die Unstimmigkeit im deutsch-österreichischen Bündnis Ende 1888, Anfang 1889 ( 1025). Die Arbeit ist recht primitiv und unzulänglich; die gedruckte Literatur ist kaum ausgewertet. Aber was aus Zeitungen und Archiven mitgeteilt wird, ist nicht ohne Interesse. -- Auf Grund ungedruckten Materials schildert Lulvès sehr eingehend den Besuch Wilhelms II. beim Papst Leo XIII., und damit den ersten Besuch eines europäischen Souveräns im Vatikan nach 1870 ( 1027). Die Unterredung verlief wenig ergebnisreich und wurde anscheinend vom Papst sehr bald auf die römische Frage gebracht, so daß die frühzeitige Unterbrechung des Gesprächs durch den Prinzen Heinrich ganz vorteilhaft war. Lulvès kann Störungsversuche Frankreichs gegen ein befürchtetes Zusammengehen des Kaisers mit dem Papst feststellen. Eine Rede des Kaisers im Quirinal erregte dann aber beim Papst erhebliche Verstimmung, so daß das Gesamtergebnis des Besuches eine Enttäuschung war. |
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