III. Landesgeschichte.Die von Helbok angeschnittenen siedlungsgeschichtlichen Fragen berührt auch das große, zweibändige Alamannenwerk Veecks ( 627), auf dessen einschlägige Studien hier schon früher wiederholt (Jberr. 1., S. 602; 5., S. 532) hingewiesen wurde. Rein äußerlich gibt es sich als erläuternder Katalog der alamannischen Bestände der Stuttgarter Sammlungen; dem Inhalt nach wächst es sich aber aus zu einer umfassenden, bis auf weiteres abschließenden Darstellung der Frühgeschichte Württembergs seit der alamannischen Landnahme, wobei u. a. die Frage der Entstehung der Siedlungen und Markungen unter Weiterführung der grundlegenden Forschungen K. Wellers und V. Ernsts wesentlich geklärt wird. Aus der Auswertung der Reihengräberfunde ergeben sich sehr wichtige kulturgeschichtliche Rückschlüsse. Für das hohe
MA. liegt die aufschlußreiche zusammenfassende Studie K. Wellers über die staufische
Städtegründung in Schwaben (
1275) vor. Sie reicht allerdings in ihrer Tragweite und ihrer geographischen
Abgrenzung über den Rahmen unseres territorialen Berichts hinaus; da aber selbstredend der Boden des heutigen
Württemberg doch sehr stark im Mittelpunkt der Betrachtungen
S.471 steht, müssen wir sie an dieser Stelle berühren. W. sucht bei seiner Behandlung der Städtegründungen vor allem den Einfluß der jeweiligen politischen und militärischen Notwendigkeiten auf die Entschlüsse der Gründer herauszuarbeiten. Bei den staufischen Gründungen legt er Nachdruck auf den Nachweis des Zusammenhangs mit der Verwaltung von Reichsbesitz und staufischem Hausgut und deren verschiedenen Entwicklungsstadien, nicht minder auch mit dem von ihm schon früher behandelten (vgl. Jberr. 5. S. 531) Neuaufbau des Reichsstraßennetzes. Eine große Anzahl württ. Städte wird dabei untersucht.In die Zeit des Tübinger Vertrags [1514] und der Begründung des württ. Ständestaats führt uns Forderers Aufsatz über den Tübinger Vogt Konrad Breuning ( 777). In dem schauerlichen Ende Breunings und seiner Unglücksgefährten sieht F. die Folge ihrer politischen Kurzsichtigkeit und mangelhaften Entschlußkraft. Durch die grausame Niederwerfung des »Armen Konrads«, die sie zusammen mit ihrem Gegenspieler Herzog Ulrich, von ihren alten Vorurteilen bestimmt, durchführten, zogen sie sich den Haß des gemeinen Mannes zu; beim Huttenschen Handel versäumten sie -- was für ihr Schicksal entscheidend wurde -- den rechten Augenblick zur folgerichtigen Weiterführung ihrer ständischen Politik und zum Vorstoß gegen den Herzog. Mit der
Vernichtung dieses Ständestaats und dem Aufbau des modernen württ. Staatswesens durch König Friedrich I.
beschäftigen sich mehrere wichtige Arbeiten. Voran steht ein umfangreiches Werk von E. Hölzle
(
874), dem wir bereits im Vorjahr (vgl. Jberr. 6., S. 429) als Arbeiter auf
diesem Gebiet begegnet sind. H. zeigt auf, wie unter der Einwirkung von Aufklärung und Revolutionsideen neue
Kräfte sich in Württ. zu regen beginnen und zunächst die gegebenen Gegensätze im dualistischen
Ständestaat zunehmend verschärfen, wie außerordentlich stark aber andererseits gerade auch der
Einfluß der außenpolitischen Ereignisse, insbesondere der kriegerischen Verwicklungen, auf den wechselvollen
Ablauf dieser inneren Kämpfe gewesen ist. Er verfolgt die Entwicklung von den letzten Regierungsjahren Karl Eugens
an bis zum endgültigen Eingreifen des Herzogs, später Kurfürsten und Königs Friedrich, der im
gegebenen Augenblick nach längerem Zuwarten die Entscheidung gegen die zäh ringenden Landstände zu
erzwingen versteht. H's. Arbeit, die die umfangreiche Literatur und die Aktenbestände zahlreicher Archive fast
erschöpfend heranzieht, setzt umfangreiche Kenntnisse voraus und ist manchmal mit ideengeschichtlichen
Erörterungen zu stark belastet. Auch wird sie vielleicht aus begreiflicher Vorliebe für ihren vielverkannten
Helden Friedrich nicht überall dessen ständischen Gegenspielern vollauf gerecht. Im ganzen aber wirkt die
flüssig geschriebene Darstellung klar und weithin überzeugend; es handelt sich um eine überaus
tüchtige und fördernde Leistung. Der persönlichen Entwicklungsgeschichte Friedrichs widmet Hölzle
eine liebevoll durchgeführte Sonderstudie (
903), die etwas zu sehr im Mosaik der Gegensätzlichkeiten und
Umwelteinflüsse steckenbleibt und doch wohl die durchaus originale und willensprühende Persönlichkeit des
Fürsten nicht voll erfaßt. Daß zwischen den Verhandlungen wegen der Anerkennung der
Königswürde Friedrichs durch den römischen Stuhl und den ersten Vorboten der württ.
Konkordatspolitik enge Zusammenhänge bestehen, betont in Ergänzung zu Bastgens Veröffentlichung (vgl.
Jberr. 6. S. 429) M. Miller (
1675); das Notifikationsschreiben des Königs vom 21. 1. 1806 und das als
Bescheid darauf erfolgende päpstliche Breve vom 5. 4. d. gl. J. fügt er im Wortlaut bei. In einer umfassend
S.472 angelegten Studie, durch die Hölzles Arbeit glücklich ergänzt und untermauert wird, untersucht der gleiche M. Miller ( 1336) die Organisation und Verwaltung, die Friedrich in den von ihm neuerworbenen, zu einem eigenen Verwaltungskörper »Neu-Württemberg« zusammengefaßten Besitzungen durchführte. M., der ursprünglich von Forschungen zur Geschichte der württ. Säkularisationen ausging und ein weitschichtiges Aktenmaterial ausschöpfte, behandelt in den von ihm bisher vorgelegten beiden Kapiteln die Besitzergreifung und erste Organisation der neuen Lande und Geist und System dieser neuen Verwaltung. Das scharf zentralisierende, ganz von der Idee des absoluten Fürstentums erfüllte System sollte später als Vorbild für den staatlichen Neuaufbau von Gesamtwürttemberg dienen nach dem Sturz der altwürttembergischen Verfassung. Die Geschichte der Besitzergreifungen im einzelnen bietet meist ein recht unerfreuliches Bild und verrät einen herrischen, rücksichtslos seine Rechte erfassenden Geist, der wenig von Gefühlswerten hält.Die Zeit nach den Freiheitskriegen ist diesmal schwächer als sonst vertreten. Die Anfängerarbeit von O. Glück ( 925) verfolgt an der Hand der württ. Kammerverhandlungen die parteimäßige Entwicklung des Liberalismus in Württ. in ihrem wechselvollen Auf- und Abstieg vom »vergeblichen« Landtag von 1833 bis zum Märzministerium von 1848. Wenn es sich auch nicht um Parteibildungen im heutigen Sinne handeln kann, so zeigt G. doch, wie seit 1837 die Gruppe der gemäßigten Liberalen mit der -- in sich reichlich abgestuften -- radikalen Richtung zunehmend zusammengeht, bis der Sieg der Bewegung im Jahre 1848 dann auch wieder den endgültigen Bruch zwischen beiden Gruppen besiegelt. Eine wertvolle Quelle für die kulturelle und politische Geschichte des nationalgesinnten liberalen Bürgertums in Württ. seit der Revolution von 1848/49 erschließt sich uns in den -- allerdings etwas breit geratenen -- Lebenserinnerungen von Otto Elben ( 1349), dem bekannten Schriftleiter des »Schwäbischen Merkurs«, der 1899 im Alter von 76 Jahren zu Stuttgart verstorben ist. Hat E. auch nie an entscheidender Stelle gestanden, so weiß er doch manches Interessante aus seiner politischen Arbeit, besonders als Reichs- und Landtagsabgeordneter, beizubringen. Sehr stark treten seine Bemühungen um den Ausbau des Eisenbahnwesens hervor. Daneben spielt die Pflege der Geselligkeit und des Vereinslebens (Begründung des Schwäbischen und dann des Deutschen Sängerbundes) ganz im Sinne jener Zeit eine große Rolle (vgl. auch S. 283). |
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