6. Epos.Der neue Abdruck des Waltharius
<
600> hat keine wissenschaftlichen Ziele, sondern will das Gedicht dem
gebildeten Publikum näherbringen. So ist der wichtigste Teil die nebenstehende Prosaübersetzung, wie man es in
Frankreich macht. Ob dies auch bei uns erfolgreich sein wird, ist abzuwarten. --Strecker <
601> weist nach, daß aus dem Waltharius ein Vers in einem Gedicht aus
St. Nabor (Anfang des 11. Jh.'s) als Zitat verwendet wird, der Waltharius also schon damals in Lothringen bekannt und
verbreitet gewesen sein muß. Ferner zeigt er, daß die Wendung inampla diei des Geraldusprologs fast gerade
so bei Walther v. Speyer per inampla dierum vorkommt, also mit großer Wahrscheinlichkeit ein Zusammenhang zwischen
den beiden Gedichten angenommen werden kann, wo dann wohl Geraldus die Priorität hätte. Schließlich
teilt er mit, daß von der Walthariushs., von der Schönbach Fragmente aus einer zerschnittenen Hs. in Brixen
nachgewiesen hat, weitere Bruchstücke
S.232 auf Pergamentstreifen aus einem aus Bozen stammenden Buche gefunden sind, die nun der Finder E. Schulz der Innsbrucker Universitätsbibliothek geschenkt hat. --Weber < 602> macht den Zug verständlicher, daß Walther in unmittelbarer Nähe von Worms über den Rhein setzt. Er hat aber das Gedicht und die darüber handelnde Literatur nicht aufmerksam genug angesehn. Beim Waltharius sollte man immer von W. Meyers »Philologischen Bemerkungen« ausgehn. Edw. Schroeder < 602> gibt einige Nachträge zu den Personennamen im Waltharius. <vgl. 1931, 477, S. 140.> --Dahinten < 603> knüpft an Burdachs Hinweis auf das Verhältnis der Ruodliebdichtung zu der Antike an und möchte geradezu Zusammenhang bzw. Abhängigkeit des Ruodlieb von vorhandenen Quellen nachweisen. So setzt er die abstoßende Schilderung der Gebrechen des Alters in Beziehung zu der ersten Elegie des Maximianus. Richtig ist zweifellos daran, daß wir seit Mimnermos eine Reihe solcher Schilderungen haben, daß der R.-Dichter den Maximianus kennt, dürfte schwer zu beweisen sein. Wenn Dahinten dann Zusammenhänge mit dem Alexanderroman oder gar mit der Odyssee finden will, so darf man wohl ein starkes Fragezeichen setzen. Überzeugender ist der Vergleich mit einer Szene des Apolloniusromans und besonders mit der Schilderung des Liutprand v. Cr. -- Die Eheschließungsszene im Ruodlieb hat kürzlich die Rechtshistoriker beschäftigt. Wie O. Zallinger < 604> S. 13--25 über den Ring handelt, so erläutert ebenfalls Herb. Meyer in Zs. d. Savignystiftung, Germanist. Abt. 52, 276 »die Eheschließung im Ruodlieb und das Eheschwert«, wobei das merkwürdige piramis eine überraschende Deutung findet; es ist der kegelförmige Sockel des Gerichtspfahles, an dem das Schwert gewetzt wird. Der Vorgang spielt eben an einer Gerichtsstätte. -- Rodulfus Tortarius ist bisher nur bruchstückweise bekannt geworden, und es ist ein Verdienst der American Academy, daß sie das Ganze in einem starken Bande vorlegt < 605>. Die ungefähr gleichzeitige Hs. ist offenbar sehr gut, man findet kaum Eingriffe der Herausgeber; an den leider zahlreichen Stellen, wo Änderungen oder Nachweis von Zitaten nötig sind, liegen grobe Fehler derselben vor, wie etwa 442, 991 Tetraclis statt Tetradis. -- A. Mayer macht eine metrische Bearbeitung des Lebens der hl. Afra aus dem Münchner Codex 443 aus Augsburg bekannt < 606>, der 1489 aus einem Lorcher abgeschrieben wurde. Entstehungsort Süddeutschland, aber nicht St. Ulrich und Afra, Zeit etwa 1200. Die Ausgabe ist sehr sorgfältig mit reichlichen, fast zu vielen Anmerkungen. Einige Textänderungen sind nötig. -- K. Strecker < 607> zeigt, daß Mabillons Annahme, die beiden in derselben Hs. v. St. Vanne in Verdun erhaltenen metrischen Viten des Ursmarus und Landelinus stammten von demselben Dichter Heriger von Laubach, nicht richtig ist. Zwar haben sie gewisse Berührungspunkte, können aber nicht von demselben Manne gedichtet sein. Die Überlieferung in derselben Hs. beweist auch nichts, weil diese aus 3 Teilen zusammengebunden ist, der dritte ist eine Fortunatushs. -- Edw. Schroeder < 608> macht es sehr wahrscheinlich, daß der Vf. der Vita Mariae rhythmica in Südostdeutschland gelebt hat. Nachdem Paepke schon eine große Menge von Fehlern aus Vögtlins Druck gestrichen hat, trägt Schr. noch vieles nach. W. Meyers Vermutung, daß Zusammenhang mit der deutschen Dichtung Philipps vorliegt, hält er für sehr unwahrscheinlich. -- Als 14. Band der Classiques de l'histoire au moyen âge usw. ist Ermoldus Nigellus von E. Faral ediert worden < 609>. Das Buch hat ja mancherlei Vorzüge,S.233 namentlich den, daß man jetzt in der Lage ist, den Ermoldus kaufen zu können. Ebenso ist zu loben, daß allerlei sachliche Erklärungen gegeben sind, die man bei Dümmler vergeblich sucht. Vielleicht wird mancher es schätzen, daß rechts eine französische Übersetzung steht, aber sie stimmt oft nicht ganz zum lateinischen Text. Auch sonst hat die Ausgabe empfindliche philologische Schwächen, die namentlich Levillain, Bibl. de L'école d. ch. 94, 1933, 156 ff., hervorhebt, der dem Herausgeber das Recht abspricht, einen Dichter zu kritisieren, den er nicht verstanden habe. Darauf hat Faral eine eigene Schrift A propos d'Ermold le Noir, Paris 1934, erscheinen lassen, die ich nur aus der Antwort Levillains, Le moyen âge 1934, 120 ff., kenne. -- W. v. d. Steinen < 612> handelt von den literarischen Anfängen in Basel und muß sich hier in der Hauptsache nach einem kurzen Hinweise auf die Bischöfe Waldo und Heito auf die Produktion des mehrere Jahrhunderte späteren Warnerius beschränken, dessen Gedichte, der bisher ungedruckte Synodicus und der Paraclitus, eingehend analysiert werden. Gleichzeitig ist nun aber eine Ausgabe des Warnerius von P. W. Hoogterp < 613> erschienen. Dieser hat seinen Text mit großer Sorgfalt aus allen bekannten Hss. hergestellt; freilich hätte eine viel größere Sparsamkeit in der Mitteilung von Varianten geübt werden sollen. Ein ausführlicher Sachkommentar ist beigegeben. Bei Erstausgaben pflegen Versehen nicht zu fehlen, so ist es auch hier, z. B. Parac. 145, 166, 415, Syn. 347. Im Arch. lat. m. aevi 9 < 614> hat er ein Lexikon de Garnier de B. erscheinen lassen, bei dem es auch nicht ganz ohne Fehler abgeht. Auf Grund formaler Kriterien möchte v. d. Steinen diese Gedichte des Warnerius lieber nach als vor 1100 setzen. Diese findet er in einem Anhang: Zur Chronologie des reinen Leoninus. Wenn diese Untersuchungen auch sicherlich nicht das Maß von Gewißheit ergeben, das der Verf. annimmt, so bin ich doch im allgemeinen auch dieser Ansicht. Bei diesen Untersuchungen spielt die Vita Mahumeti, die in einer Überlieferung einem Embricho zugeschrieben wird, eine Rolle, denn man will diesen mit dem Augsburger Bischof E. (1064--1077) identifizieren und danach das Gedicht um 1050 setzen, was der Verf. wohl mit Recht bezweifelt. (Warum er S. 282, 21, sagt, ich stelle die Identifizierung nicht in Frage, ist mir nicht klar, in Stammlers Verfasserlexikon < 60>, S. 564 f., steht das Gegenteil. Es wäre mir lieb, wenn ich entweder gar nicht oder richtig zitiert würde.) Das Gedicht muß noch näher untersucht werden, und das kann jetzt in Angriff genommen werden, denn F. Hübner hat soeben eine Ausgabe nach allen Hss. erscheinen lassen < 615>. Es ist zu hoffen, daß er seinen Vorsatz, die Probleme (Entstehungszeit, Sagenmotive usw.) zu untersuchen, ausführt; es würde sich dabei die Gelegenheit ergeben, einzelne Druckversehen wie 982, 1002 zu verbessern. -- Eine brennende Frage hat er schon für sich behandelt < 1006>, die Grabschrift Tres luctus causae usw., die auf einem Goldblech um die Marmorplatte von Ottos I. Grab gestanden hat und, wie es doch scheint, schon in der um 1025 entstandenen verlorenen Magdeburger Bischofschronik erwähnt wurde, findet sich auch in der Vita M., ist also älter als diese. Dazu würde stimmen, daß diese Grabschrift auch sonst ein Sonderdasein geführt haben muß. -- Bernhard v. Cluny, gewöhnlich v. Morlas genannt, vor allem durch sein Hora novissima bekannt, war auch sonst ein fruchtbarer Dichter. A. Wilmart < 617> lenkt die Aufmerksamkeit auf einen Vaticanus reg. Nr. 134, der 4 lange Gedichte enthält, die er demselben zuschreibt. SicherheitS.234 kann erst eine Edition bringen. -- Ein sehr dankbares und zeitgemäßes Thema hat sich P. Lehmann gewählt, indem er das literarische Bild Karls d. Gr. nach dem lateinischen Schrifttum des MA. nachzeichnet < 988>. Es sei besonders aufmerksam gemacht auf die Behandlung Einhards und Pseudoturpins. Ich reihe die Arbeit hier ein, weil besonderes Gewicht auf den Karolinus des Aegidius Paris. gelegt ist, der ja zum großen Teil unveröffentlicht ist. -- I. H. Mozley < 619> bereitet nicht nur eine Ausgabe von Wirekers Speculum stultorum vor, sondern beschäftigt sich auch sonst mit den Werken des Nigellus W. und gibt einen genauen Bericht über den Inhalt des Cottonianus Vespas. D XIX f. 1--53, 13. Jh., in dem eine Reihe von unbekannten Gedichten dieses Autors von derselben Hand eingetragen sind, während dazwischen 2 Stücke von anderer Hand stehen, die ihm wohl nicht gehören. Die einzelnen Gedichte werden eingehend besprochen, namentlich auch eine umfangreiche Sammlung von Miracula s. dei genitricis in Versen stilistisch und prosodisch untersucht. Beachtenswert ist auch, was er < 619> über den Namen des Mannes sagt: Werekere Lesefehler für Wetekere, Wetekre, Whitacre in Kent. -- Es ist zu begrüßen, daß neben Mozley sich auch ein junger Gelehrter in Belgien, A. Boutemy, neuerdings dem Studium des Nigellus widmet. Er hat die von jenem aufgestellte Liste von Nigellushss. um eine beträchtliche Zahl solcher, die auf dem Festlande liegen, vergrößern können < 620>. In einem später erschienenen Aufsatz (Extrait de la Revue de l'université de Bruxelles. Oct. Nov. 1934) legt er seine Ansicht dar, daß der sogenannte Prolog in Prosa des Speculum st. nach dem Erscheinen des Werkes geschrieben ist, und daß die Annahme, es existierten 2 Ausgaben des Gedichtes, wohl nicht zu halten ist. -- Auch über den Tractatus contra curiales usw. handelt er und stellt, wie es scheint, mit Evidenz fest, daß wir in der Hs. Cambridge Gonville u. Caius College 427 das Original des Nigellus oder richtiger das Brouillon besitzen mit den zahlreichen Rasuren und Korrekturen, die jener vorgenommen hat. Am Schluß des Traktates steht ein Gedicht von 75 Leoninern, das eine Liste der Erzbischöfe von Canterbury gibt. -- Die von F. Novati aus Parisinus 15155 gedruckten <Flores> Georgicorum Galteri de Castellione gehören nicht diesem, sondern E. F. Wilson < 622>, zeigt mit Hilfe ungedruckten Materials, daß es sich um ein mystisches Gedicht des Joh. v. Garlandia handelt, das mit dem Epithalamium desselben Autors teilweise wörtlich übereinstimmt, auch die Ars praedicatoria des Alanus zuweilen fast wörtlich in Verse bringt. Es ist wünschenswert, daß dieses Epithalamium bekanntgemacht wird. -- E. Herkenrath entwickelt Hist. Vjschr. 29, 597 f., die Vermutung, daß Walter v. Chatillon seine Alexandreis ursprünglich Papst Alexander III. widmete, der Name seines Helden also diese Beziehung haben sollte: die Widmung an Erzbischof Wilhelm, 1, 12--26, sei erst später, als Alexander III. starb, eingefügt. -- Über den Verfasser des Conflictus ovis et lini, Winricus von Trier ist schon viel geschrieben worden, A. van de Vyver < 624> stellt noch einmal alles zusammen, was wir von ihm wissen können. Bemerkenswert ist, daß er ebenso wie Horst Schlechte, Erzb. Bruno von Trier < 1058> die bekannte Hs., Brüssel 10_615--729, nach St. Eucharius in Trier setzt. Zu dem dort erwähnten Codex Lambacensis 100 ist nachzutragen, daß er seine endgültige Ruhestätte in Berlin gefunden hat. -- Auf die gelehrte Behandlung der Kalenderverse von York durch A. Wilmart < 623> seien die Historiker aufmerksam gemacht. |
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