§ 37. Katholische Kirchengeschichte der Neuzeit(A. Schnütgen) Der diesmalige Doppelbericht vermag besonders eindrucksvoll zu belegen, wie rege auf unserem Fachgebiet gearbeitet wird. In Einzelstudien wird viel wissenschaftliches Neuland erschlossen oder durch tieferes Eindringen völlig gesichert; große darstellende Werke tragen dem Streben der Zeit nach Zusammenfassung Rechnung. Ein hier an der Spitze namhaft zu machendes Buch Grabmanns
<
2880> dient wenigstens in seiner zweiten Hälfte der neueren Zeit. Der
Verfasser füllt mit ihm eine bei uns in Deutschland seit langem empfundene Lücke aus. Unter Verwertung einer
vor reichlich einem halben Jahrhundert erschienenen knappen, aber in weitem Umfang auf solideste Einzelstudien
gegründeten Arbeit von Scheeben unternimmt er es, »Die Geschichte der katholischen Theologie seit dem Ausgang
der Väterzeit« mit der Dogmatik als Mittelpunkt zu behandeln. Es geschieht durch bedachtsam zusammengestellte
Literaturangaben, durch fein abgewogene Charakteristiken von Perioden und Strömungen von der Vorscholastik bis in
unsere Tage, durch viele hundert Biogramme und Ansätze zu solchen, unter besonderer Hervorhebung des Literarischen.
Der Hauch einer besonders intimen Kennerschaft weht über allem, was irgendwie Scholastik
S.486 heißt. Auch die vielen sonstigen Angaben und Urteile kommen aus der Höhenlage einer weisen Objektivität, klarer Begriffe, fester Linien, aus der alles Kleinliche und Nachgeordnete verweht ist. Nur wirken sie vielleicht noch gelegentlich ein wenig schemenhaft oder blaß. Die deutsche Theologie der älteren Zeit wird nur für sich behandelt, falls der Gegenstand es nahelegt (Albertus Magnus und die deutsche Dominikanerscholastik, Theologen an deutschen Universitäten der Spätscholastik, deutsche Mystik). Dagegen ist die Zeit vom 18. Jh. bis zur Gegenwart völlig nach Ländern aufgelockert. Die für eine Sammlung »theologischer Grundrisse« bestimmte Arbeit ist natürlich in ihrer Längen- wie in ihrer Tiefendimension noch erheblich ausbaufähig. Daß Grabmanns erster Wurf seiner »Geschichte« schon ein wirklicher Führer geworden ist, kann nicht bezweifelt werden.Bihlmeyer <
3045> schenkt uns in der »9., verbesserten Auflage« des
»die Neuzeit und die neueste Zeit« behandelnden Teils der ehemals Funkschen »Kirchengeschichte«,
wie er im »Vorwort« selbst aussprechen darf, »ein ganz neues und eigenes Werk«. Dabei ist die
bisherige Eigenart des Werkes als eines »Lehrbuchs« im weiteren Sinne dieses Wortes bewußt erhalten
geblieben. Man braucht kaum zu besorgen, bei Aussprechen der Meinung viel Widerspruch zu finden, daß Bihlmeyer
gegenwärtig die beste verhältnismäßig breit angelegte, aber einheitlich konzipierte
wissenschaftliche Darstellung unseres Gegenstandes aus deutscher Feder ist. Für sie kennzeichnend ist ihr
möglichst alles Wichtigere nicht allzu knapp und stets im Zusammenhang eines größeren Ganzen
anführender, in jeder einzelnen Wendung und auch im Verzeichnen des literarischen Niederschlags der Forschung gut
überlegter Text. Allgemeine Übersichten über Tatsachenbereiche und über Entwicklungen, auch
geistesgeschichtlicher Art, sind eingeschaltet. Es ist aber dafür gesorgt, daß diese Übersichten die
konkreten Einzelheiten nicht überwuchern und daß die Grenzen zwischen einer objektiven Darstellung und einer
mehr oder weniger subjektiven Schau nirgendwo aufgehoben werden. B. ist im Rahmen seiner selbstgesteckten Ziele im
großen wie im kleinen besonders zuverlässig. Deutlich, aber nicht unorganisch, steht bei ihm Deutschland im
Vordergrund, auch wo es die Sache nicht in dem Grade wie beim Zeitalter der Glaubensspaltung erfordert. Der Werdegang
Luthers und die ersten Anfänge der Reformation sind aus der vollen Sicherheit katholischer Haltung heraus
beurteilt: Kein Glätten sachlicher Gegensätze um des bloßen Ausgleichs willen, auch nicht im
sprachlichen Ausdruck, aber auch kein Billigen zu weit gehender Aufstellungen H. Denifles und H. Grisars. Auch über
die Aufklärung im protestantischen und im katholischen Deutschland sowie über die in ihre Epoche fallenden
Vorgänge und Krisen kirchenpolitischen Charakters wird besonnen berichtet; die kirchliche und geistesgeschichtliche
Wertung der katholischen Aufklärung kann natürlich noch nicht endgültig sein. Der Versuch, die Spannungen
eines ganzen Zeitalters mit der Gesellschaft Jesu verständlich zu machen, ist vielleicht zu knapp geraten, um ganz
zu überzeugen. Die katholische Kirche im Deutschland des 19. Jh.'s ist noch zu sehr von ihrer Beziehung zum Staat
her, trotz erheblicher Ansätze in der anderen Richtung nicht genug vom inneren Wesenskern der Kirche her gesehen.
Unsere in allen ihren Teilen wertvolle Zusammenfassung begreift auch schon das erste Drittel des 20. Jh.'s ein und gibt
etwa das Wesentliche aus dem Reichskonkordat von 1933.
S.487 Jedin < 3049> liefert einen umfassenden, in vielem einzelnen höchst anregenden Bericht über wissenschaftliche Neuerscheinungen, die die katholische Kontroversliteratur im Zeitalter der Glaubensspaltung betreffen und im wesentlichen im Jahrfünft seit 1928 erschienen sind. Die Gruppierung von Verfassernamen und Buchtiteln und Problemen bei ihm spricht außer für die starke Beachtung, die die Forschung der Gegenwart den Gegnern der Glaubensspaltung zuteil werden läßt, auch für die positive Beurteilung der Kontroversliteratur durch ihre katholischen Zeitgenossen. Als Ziel für die Zukunft wird eine Geschichte dieser Literatur in ihren verschiedenen Phasen zwischen 1518 und Bellarmin sichtbar. --Venn < 3055> analysiert das der Mitte der zweiten Hälfte des 16. Jh.'s angehörende polemische Schrifttum des katholisch geborenen oberhessischen Pfarrers und Superintendenten Georg Nigrinus gegen den redemächtigen Johann Nas, der Katholik, Franziskaner und Weihbischof von Brixen geworden war. Die diesen beiden einflußreichen Männern geltende Untersuchung will »ein Beitrag zur Geschichte der konfessionellen polemischen Literatur im Zeitalter der Gegenreformation« sein. -- Auf Grund weitgehender Beherrschung des Stoffes gibt Just < 3050> sich und uns Rechenschaft über den gegenwärtigen Stand der Nuntiaturenforschung und über die Zukunftsaufgaben dieser Forschung, insbesondere für Deutschland. Die Arbeit für das 16. Jh., die im großen und ganzen hinter uns liege, sei »in etwas übersteigerter Vorstellung vom absoluten Wert der Nuntiaturberichte als Geschichtsquelle« (S. 245) getan worden. Für die folgenden Jahrhunderte seien bei den im Vergleich zur Vorkriegszeit spärlichen Geldmitteln die alten Arbeitsformen nicht mehr tunlich. Namentlich seien sie aber auch bei der verminderten Bedeutung der Berichte von dem Augenblick an, wo die Religionsfrage in der Politik der großen Mächte zurückgetreten und der Einfluß des Papsttums auf die europäischen Angelegenheiten gesunken war, nicht mehr lohnend. Es könne sich nur noch um eine »genauere Inventarisierung und Beschreibung der vorhandenen Bestände« und um die Auswertung für »einzelne besondere Aufgaben« handeln (S. 247 f.). Als politische Aufgaben solcher Art nennt Just mit L. v. Pastor die Rolle der Nuntiaturen bei den großen Friedensschlüssen und bei den Kaiserwahlen von 1658 bis 1792. Die Erforschung der Nuntiaturen als kirchliche Einrichtung habe einmal in einer Sammlung der Instruktionen und Finalrelationen, zweitens in der kirchlich-institutionellen Geschichte der drei ständigen Nuntiaturen in Deutschland, vor allem in derjenigen der Kölner Nuntiatur, zu bestehen. Im 17. und 18. Jh. ging es -- so kann der Verfasser den wichtigen Gegenstand mit Recht formulieren -- um »die Entstehung des modernen Staates auf katholischem Boden und seine Auseinandersetzung mit der römischen Kurie« (S. 258). In Angelegenheiten
des Concilium Tridentinum wird dreimal das Wort ergriffen. Von Jedin <
3051>, um zu veranschaulichen, daß der Zusammenhang von
Kirchenreform und Konzilsgedanke in den fünfziger Jahren des 16. Jh.'s enger war, als man bisher vermutet hat. Die
Vorstellung von diesem Zusammenhang war lebendig genug, um römische Sonderberatungen mit dem Ziel einer Reform zu
verhindern und dafür an eine Ausweitung der Reformkommission vom Frühjahr 1556 zu einem vom Papst selbst zu
leitenden Laterankonzil zu denken. In Spanien hat man sogar erwogen, die Tridentiner Reformdekrete durchzuführen,
ohne daß eine Genehmigung seitens der Kurialbehörden
S.488 vorlag. Man lockte dadurch die schließlich von Julius III. ausgefertigte Bulle hervor, die den Dekreten die notwendige Gesetzeskraft verlieh. Allgeier < 3052> setzt seinen früher <1932, S. 362> angezeigten Aufsatz in einer Richtung fort, die uns hier nicht in jedem Betracht interessiert. Eine eindringende Studie Chudobas < 3053> erörtert die Beziehung der beiden Habsburger Höfe zur kurzen dritten Session des Konzils 1562/63, an deren Erfolg nur noch die Theologen, insbesondere die spanischen, geglaubt hatten. Laut ihren Kernsätzen war für die Haltung der Herrscher entscheidend, daß dem einen von ihnen, Philipp, als Ergebnis des Konzils eine Festigung des Glaubens vorschwebte, die wieder die Voraussetzung zu einer eigentlich katholischen Politik war, während sich der Hauptzweck der Kirchenversammlung für Ferdinand darin erschöpfte, dem religiösen Chaos entgegenzuwirken. Sowohl Philipp als auch Ferdinand neigten zum Absolutismus und waren damit Gegner einer kirchlichen Zentralisation. Philipp in seiner Sorge für die Unabhängigkeit der weltlichen Gewalt wünschte Oberherrschaft des Konzils über den Papst.Schmidlin < 3094> legt nachträglich eine Jugendarbeit über die nicht nur den Territorialhistoriker angehende Entfaltung der äußeren kirchlichen Lage in seiner elsässischen Heimat zwischen Straßburger Bischofskrieg und Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges vor. Sie ist ein auf elsässische, schweizerische und nicht zuletzt römische Materialien gestütztes Quellenwerk, dem die Benutzung zeitgenössischer Streitschriften die Note einer besonderen Lebensnähe gibt. Die elsässischen Reichsstädte und Herrschaften werden der Reihe nach auf ihre kirchlichen Verhältnisse hin durchgegangen. Wir gewahren, wie sich kirchliche und politische Gesichtspunkte kreuzten, wie kritisch die Lage und wie heftig die Tonart der streitenden Parteien war -- vor allem beim Lutherjubiläum des Jahres 1617. Eine »Inferiorität der elsässischen Katholiken in der weltlich-juristischen Bildung« wird festgestellt (S. 167), im übrigen ist es die protestantische Seite, die sehr schlecht abschneidet. Man wünschte mindestens die Ausdrucksweise den Protestanten gegenüber weniger dem kämpferischen Zeitalter von damals angepaßt, als der Verfasser es beliebt hat; man wünschte weiter die vielen lokalen Erörterungen des Buches noch enger dem größeren Zeitgeschehen eingeordnet. Eine entsprechende Arbeit über die auch diesmal schon anklingende innere Lage soll folgen. Jacobs < 3089> handelt über die sich bis ins mittlere Norddeutschland und bis nach Baden erstreckenden Ordensprovinzen der Kapuziner Colonia und Rhenania während des 17. und im ersten Viertel des 18. Jh.'s, und zwar vornehmlich auf Grund der Provinzarchive. Vielseitig und scharf ist das praktische Wirken des Ordens umrissen, stark der »religiöse Grundcharakter des Kapuzinerapostolates« (S. 52), sein Streben nach friedlicher Zurückgewinnung der Protestanten betont. Eine bestimmte geistige und monastische Prägung dieser Ordensleute des Zeitalters der katholischen Restauration findet sich in größerem Zusammenhang nicht herausgestellt. Bei dem unbefangenen Sinn des Verfassers bedauert man es doppelt, daß er Erörterungen über die Leichtgläubigkeit der Patres und den Wert der Kapuzinerpredigt während des Barock ziemlich oder ganz beiseite gelassen hat. Vgl. meine Einzelbesprechung in »Deutsche Literaturzeitung« 1934, S. 131 ff. Pastors »Geschichte der Päpste seit dem Ausgang des Mittelalters« <
3046> wollte ursprünglich keineswegs an den Toren zum 19. Jh.
haltmachen.
S.489 Erst während ihres allmählichen Fortschreitens steckte man ihr das Endziel näher, wählte als solches den Abschluß des viertelhundertjährigen Pontifikats Pius' VI. (1775--1799). Die gesamtabendländische Bewegtheit und Unruhe während der zweiten Hälfte der Regierung dieses Pius in Zusammenhang mit den revolutionären Vorgängen in Frankreich sind für Pastor und seine Mitverfasser kein Hindernis gewesen, je nachdem knapper oder ausführlicher auf die damaligen kirchenpolitischen und außenkirchlichen Ereignisse und Strömungen im deutschen Kultur- und Volksraum einzugehen. Dafür treten -- nicht zum erstenmal in unserem Werk -- Stoffkreise wie innerkirchliches Leben, Frömmigkeitspflege und Seelsorge mehr zurück. Das Wesentlichste aus jenen deutschen Ereignissen und Strömungen ist durch die Stichworte Febronianismus und Josephinismus gekennzeichnet. Über die Umstände des Widerrufs und über den Lebensabend Hontheims, in Zusammenhang damit über den Fall Isenbiehl in Mainz, ferner über die auf Wunsch Karl Theodors und gegen »die febronianische Oppositionspartei« erfolgende Errichtung einer Nuntiatur in München wird uns viel das Einzelne weiter klärendes Material geboten. Unser Wissen um den an die Errichtung der Nuntiatur anschließenden Emser Kongreß wird, in den meisten Punkten in ziemlicher Kürze, zusammengefaßt. Das Gesamturteil über Joseph II. bei Pastor ruht auf dem Grunde nüchterner, dem Kaiser nicht ohne weiteres feindlicher Beobachtung der wichtigeren in die Jahre 1780/84 fallenden Maßnahmen »josephinischer Kirchen- und Staatsreform«. Die Reisen Pius'VI. nach Wien und Josephs II. nach Rom sind wieder archivalisch und literarisch reich belegt. Auch die Regierungen der Nachfolger, Leopolds II. und Franz'II., werden kurz nach der kirchenpolitischen Seite hin umschrieben. Der Abschnitt des vorigen Bandes über die Behandlung der aufgelösten Gesellschaft Jesu durch Krone und Verwaltung Preußens ist für den diesmaligen Zeitraum fortgesetzt; die Korporation der »Priester des königlichen Schuleninstitutes« in Schlesien wird besprochen; beim Anprall der Revolution vernehmen wir im Reich eine Reihe von Stimmen, die auf Wiederherstellung des Ordens dringen. Wenn die Ausführungen zur Kirchengeschichte Deutschlands im diesmaligen, das Gesamtwerk abschließenden Band der »Geschichte der Päpste« hier durchweg beifällig vermerkt werden dürfen, so liegt das in der Hauptsache an der glücklichen Art und Auswahl der Einzelverfasser.Im Schlußband Pastors liest man
einmal -- S. 374, Anm. 3 --, der bayerische Gesandte in Regensburg habe alle kirchenpolitischen Flugschriften seiner
Zeit, deren er habhaft werden konnte, seinem Kurfürsten unterbreitet; als Beilagen zu seinen Berichten ruhten sie
heute im Münchener Staatsarchiv. Bei der Endredaktion des Pastor-Bandes lag im Manuskript bereits eine nahezu
vollständige Sammlung der Publizistik zum Nuntiaturstreit und Emser Kongreß von Habenschaden
<
3056> vor -- vgl. Pastor S. 387, Anm. 3 --, die inzwischen ebenfalls im
Druck erschien. H. begnügt sich aber nicht mit dieser die Broschüren und Zeitschriften nach Einzelinhalt und
innerer Haltung, Verfasser und landschaftlichem Ursprung gliedernden Bibliographie. Er untersucht auch die Einstellung
der teils episkopalistisch, teils »ultramontan«, teils territorialistisch gerichteten Publizistik zu
Streitfragen wie dem päpstlichen Gesandtschaftsrecht, dem Recht der Landesherren bei der Aufnahme von Nuntien, der
Nuntiaturgerichtsbarkeit in Jülich-Berg. Er geht an Hand dieser Publizistik
S.490 den Rechtsgrundlagen der Nuntiaturjurisdiktion seit den deutschen Konkordaten der Jahre 1447/48 nach. Dank seinem erheblichen Eindringen in den Gegenstand und gelehrten Aufwand wird so ein Teil der Kämpfe wieder lebendig um den päpstlichen Primat und um das Verhältnis von Kirche und Territorialstaat vom Tridentinum bis zu Säkularisation und Vatikanum (vgl. S. 81).Jansen < 3057> unternimmt es, diese und jene Ausführung bei Pastor und Habenschaden über Nuntiaturstreit, Emser Kongreß und deutsche Bischöfe gleichsam am Beispiel des Kölner Kurfürsten Max Franz zu erläutern. Das ist aus dem doppelten Grunde belangreich, weil Max Franz weniger aufklärerisch und antikurial gesinnt war als mancher seiner Amtsbrüder und weil er durch die Errichtung der Münchener Nuntiatur besonders betroffen, von nun an abhängig von zwei Nuntien war. Die ein reiches Material auswertende Studie folgt der Regierung des Kurfürsten von seinen Bemühungen um ein Diözesanappellationsgericht über die kaiserliche Aufhebung der Nuntiaturgerichtsbarkeit und das Münchener Ereignis des Jahres 1785 hinweg an den Beratungstisch seiner Beauftragten in Ems, wo ihm aber das Abgleiten der nunmehrigen Bundesgenossen von den römischen Gravamina auf Disciplinaria und Neuerungsabsichten (vgl. S. 58 f.) sehr unwillkommen war. In der Folge wünschte er Entscheidung der Streitfragen durch den Reichstag. Jansen bestätigt, daß sich der ganze Nuntiaturstreit für Max Franz als eine politische Angelegenheit darstellte, in der »von einer prinzipiell gegen Rom gerichteten nationalkirchlichen Tendenz« nichts steckte. Gut ist die Prägung, seine Form des Episkopalismus sei es gewesen, daß er in erster Linie als Landesherr dachte (S. 158). Zwei Abhandlungen behandeln den Aufklärer Eulogius Schneider. Paulin < 3058> begleitet Schneider, im wesentlichen sicher mit richtiger, verständnisvoller Setzung der Akzente, auf den Stationen seines Lebens- und Bildungsganges bis zu der 1789 erfolgten Berufung an die kurfürstliche Universität in Bonn. Deutlich stellt er heraus, daß die Grundlage des Wissens bei ihm humanistisch und daß sie bei den Jesuiten erworben war. Für Schneiders Entwicklung entscheidend wurden neben der Zeit studentischer Ungebundenheit in Würzburg der Einfluß des Salzburger »freigeistigen« Benediktiners Augustin Schelle und der »antikirchliche Radikalismus« Werkmeisters und des ganzen Hofpredigerkreises in Stuttgart. Ein wirklicher »Neuerer« war dieser Freund der zeitgenössischen Philosophie, der Aufklärung und der Toleranz nicht. Nacken < 3059> legt einen Teildruck aus Studien über Schneider in Deutschland vor, mit Ausführungen über sein Verhältnis zu den Geheimbünden seiner Zeit sowie über seine Rezensententätigkeit in der »Oberdeutschen Allgemeinen Literaturzeitung«. Die »Bilanz« bei Nacken ist sorgsam durchdacht, Schneider sei durch sein Temperament vorwärts getrieben worden, »bevor er den geistigen Grund seiner Schritte wirklich gesichert« habe. So habe er etwas Bleibendes nicht geschaffen, sich selbst gefährdet und, »statt für geistigen Fortschritt zu wirken, gleichstrebende Kampfgefährten« kompromittiert (S. 9). Braubach <
3060> untersucht das »Journal von und für Deutschland«
auf seinen Gehalt für die kirchliche Aufklärungsbewegung hin. Die Zeitschrift wurde Anfang 1784 von einem
Goeckingk, der im preußischen Beamtenverhältnis stand und auch als Dichter hervorgetreten ist,
begründet, ging aber schon im nämlichen Jahr mit dem Dezemberheft an den Fuldaer Domkapitular Freiherrn
S.491 von Bibra, eine führende Persönlichkeit der gemäßigten katholischen Aufklärung, über, der sie bis 1792 fortführte. Ihre Analyse erfolgt in unserem Aufsatz nach Landesteilen, wobei fast alle katholischen Territorien Deutschlands zu ihrem Recht kommen. Der Ertrag ist verschieden; in den Vordergrund treten Gebiete, die in eine so erhebliche geistige Bewegung geraten waren wie das Fürsterzbistum Salzburg unter Colloredo.Zoepfl < 3061> führt uns in Benedikt Peuger (Poiger) einen eigenartigen geistlichen Sohn des bayerisch-tirolischen Grenzlandes aus der Wende zwischen dem 18. und 19. Jh. vor (1755--1832). Von lebendigem, doch nicht ganz ausgeglichenem Wesen, als Schriftsteller vielseitig, nicht sonderlich tief, war er erst Augustinerchorherr und später Weltpriester, stand lange der reformerischen, aber dogmentreuen Spielart der Aufklärung nahe, um doch noch zeitig in das Fahrwasser der kirchlichen Restauration einzulenken. Der nicht zuletzt vom literargeschichtlich-bibliographischen Standpunkt aus gut gearbeiteten Schrift hat es leider an den nötigen Unterlagen gefehlt, um diese Wandlung in Peuger bis ins letzte verständlich zu machen. Siehe meine Einzelbesprechung in Theolog. Revue 1934, Sp. 196 f. In den Jberr. 1931, S. 318 f., wurde die erste, vom
Westfälischen Friedensschluß ausgehende Hälfte des von Veit <
3048> bearbeiteten Teils des ehemals Hergenroetherschen »Handbuchs
der Kirchengeschichte« angezeigt. Veits Teil ist schon bald nach Beginn unserer Berichtszeit vollständig
geworden. Das »Vorwort« der zweiten Hälfte datiert, was für manche Angaben und Wertungen beachtet
sein will, von Allerheiligen 1932. Betraf die erste Hälfte des Buches nach der für eine Kirchengeschichte
immerhin neuartigen Begriffsbestimmung das »Zeitalter des vordringenden Individualismus«, so wird diesmal
das »Zeitalter des herrschenden Individualismus« beschrieben. Veit beginnt es mit der Überwindung der
Revolution in Frankreich an der Wende zum 19. Jh. Die Kennzeichnung der früheren Hälfte in den Jberr., es
handle sich um »eine noch nicht bis in alle Einzelheiten der Anlage, Ausarbeitung und Literaturbenutzung
ausgeglichene erste Niederschrift«, muß angesichts des Abschlußbandes dahin verstärkt werden,
daß wir eine Leistung mit erheblichen Vorzügen vor uns haben, die aber in manchem noch unfertig ist. Vieles
ist mit wissenschaftlicher Vertiefung und unter Heranziehung bisher kaum verwerteter Einzelheiten gearbeitet, andere
Abschnitte sind darstellerisch gut bewältigt, muten aber mehr essayhaft an, dritte reihen in der Hauptsache
äußerlich aneinander. Die Auswahl der herangezogenen gelehrten und Gelegenheitsliteratur wirkt
einigermaßen willkürlich. Auch in bekannten Namen, die vorkommen, finden sich Druckfehler. Die wechselnden
Gesichtspunkte bei der Stoffverteilung und das damit zusammenhängende häufige Absehen von der zeitlichen
Reihenfolge der Ereignisse veranlassen Wiederholungen. Der deutsche (und ausländische) Protestantismus sind
verhältnismäßig kurz behandelt. Ich weiß nicht, ob man in anderen Werken unseres Schlages einer so
vollklingenden Überschrift für einen Abschnitt wie »Die Kirche und die internationalen Erscheinungen und
Bewegungen des modernen Staats-, Geistes- und Kulturlebens« (S. 33) begegnet. Jedenfalls erfreut es aufrichtig,
wenn man die Kirche so mutig in die Welt, Kultur und Gesellschaft hinausgetragen sieht und wenn man an dem Verfasser
eine unverkennbare geschichtsphilosophische Ader gewahrt. Angenehm fällt auch die Unbefangenheit im Urteil
über die römische Kurie auf. Dieser Unbefangenheit
S.492 entspricht sowohl ein warmes Empfinden für deutsche Werte und Rechte, als auch eine heftige Gegensätzlichkeit zur Ära des Staatskirchentums in Deutschland vor hundert und mehr Jahren. Mehr wie anderwärts wird nicht nur der Kirche, sondern auch den einzelnen Verästelungen der katholischen Bewegung seit der Frühzeit des 19. Jh.'s bei uns ihr Recht, wobei man natürlich über manches streiten kann. Das Werk ist die durchweg anregende Leistung einer selbständigen Persönlichkeit und eines freimütigen Temperaments, ein erster Wechsel auf die künftige, von Deutschland ausgehende, Wissenschaftlichkeit und Lesbarkeit vereinigende Kirchengeschichte der letzten Jahrhunderte.Von Schmidlin <
3047> wurde bereits <1931, S. 322> »eine vorläufige
Quellen- und Literaturkunde für seine im Entstehen begriffene Geschichte des Papsttums und der Päpste seit der
Wahl Pius' VII.« (1800) erwähnt, die erst einmal bis zum Ende des Zeitalters der Restauration (1846) reichte.
Von der in jener Veröffentlichung angekündigten Papstgeschichte sind während unserer Berichtszeit schon
zwei von drei im ganzen beabsichtigten Bänden erschienen. Sie reichen bis zum Pontifikatswechsel von 1903; der
zweite Band bringt auch die Einführung in Quellen und Literatur für Pius IX. und Leo XIII. Dem trotz
Verwendung kleinster Drucktypen sehr erheblichen äußeren Umfang der Bände entspricht ihr reicher Inhalt.
Als Fortsetzung Pastors gedacht, versuchen sie über eine »Geschichte der Päpste« hinaus
»auch eine solche des Papsttums und der Papstidee« zu bieten, dem Papsttum seinen Platz in der Kultur- und
politischen Entwicklung der Zeit zu geben, »den sich durchs Ganze ziehenden providentiellen Fortschritt« (I,
Vorwort) hervorzuheben. Der Stoff ist bis auf nachgeordnetere Einzelheiten hin dargeboten, ein Umstand, der sich mit dem
eben angegebenen ersten Ziel nicht immer so recht verträgt. Das Werk ruht hauptsächlich auf gedruckten
Quellen, auf zeitgenössischer und neuerer Literatur jeder Art. Einerseits sind zum Beispiel entlegene italienische
Stücke verwertet, anderseits nicht alle deutschen Arbeiten ausgeschöpft. Die Unterlassungen hängen mit
der offensichtlichen Eile zusammen, mit der Schmidlin bisher geschafft hat. Diese Eile steht genauen Tatsachenangaben
und vertieften Auffassungen hie und da im Weg. Sie vermag die Darstellung ähnlich wie oben bei Veit oft frisch und
lebendig zu gestalten, läßt aber leicht Unausgeglichenheiten und Schärfen stehen, die mit dem
dankenswerten Streben auch dieses Verfassers nach voller Objektivität nicht immer erklärt sind. Von den
Papstgestalten des 19. Jh.'s hat Leo XII. seit seinen Nuntiaturjahren Deutschland nahe gestanden -- über seinen
nicht nur neuestens in A. Chrousts Berichten französischer Gesandter in Bayern hervorgehobenen
anstößigen Lebenswandel damals finde ich nichts erwähnt (vgl. I, 368) --, und sind namentlich Pius IX.
und Leo XIII. ihm während ihrer langen Regierungen nahe gekommen. Eine aus deutscher Sicht geschriebene Geschichte
des Papsttums im 19. Jh. mußte über das Interesse am Persönlichen dieser Päpste und an der
Allgemeinbedeutung ihrer Pontifikate hinaus ein wesentlicher Beitrag zur Kirchengeschichte Deutschlands werden. Die
unsrige ist es einmal für die Epoche der Säkularisation, des Wiener Kongresses, der ihn lange Jahre vorher und
nachher umrankenden sonstigen grundlegenden kirchlich-staatlichen Unterhandlungen und Vereinbarungen. Sie ist es weiter
für das Zeitalter der deutschen Romantik und ihres Konvertitentums. Über die Haltung Deutschlands zum Magnum
et Universale
S.493 Jubilaeum von 1825 (I, 447 ff.) hätte mein »Jahresberichte« 1927, S. 372, angezeigter Aufsatz noch erhebliche Ergänzungen geboten. Der Kölner Kirchenstreit wird im Einklang mit den freilich noch nicht abschließenden Veröffentlichungen der Gegenwart dargestellt, ohne daß die Anstrengungen, den preußischen Standpunkt zu verstehen, schon voll genügen. Gerade hier und überhaupt bei der Behandlung des Staatskirchentums wäre eine Mäßigung in der Form sicher der Sache zugute gekommen. Die Eröterung der Lage der deutschen Kirche in der Vorkulturkampfzeit, nicht nur der »intellektuellen Krisen« durch »antirömische Aufklärungstheologen wie Döllinger und Günther« (II, 79), ist als erste Zusammenfassung seit Goyau wertvoll. »Über die letzten Beweggründe« Pius' IX. zur Berufung des Vatikanischen Konzils wird nach Schmidlin »wohl für immer ein Schleier ... ausgebreitet bleiben« (II, 257). Treffend bemerkt ist, daß im Kulturkampf »ein in der Unterwürfigkeit gegen Rom und Bereitschaft zu heldenmütigem Leiden geschlossener Landesepiskopat« und ein Papst fochten, »dessen Stärke in der kämpferischen Abwehr trotz aller Schwächen seiner allzu schroffen Polemik lag« (II, 181). Das Verhalten Leos XIII. beim Abbruch des Kulturkampfs wird gut aus seinem Wesen erklärt (II, 588). Über die Besuche Kaiser Wilhelms II. bei Leo ist P. M. Baumgarten nicht verglichen (vgl. dieser in Theolog. Revue 34, 138). Die Haltung zum sog. fortschrittlichen Katholizismus in Deutschland um die letzte Jahrhundertwende (II, 474) schlägt das Positive in ihm nicht ganz entsprechend an. Unser -- noch nicht vollständiges -- Werk kann schon seiner nicht völlig tragfesten Fundamente wegen nicht als endgültige Darstellung gedacht sein. Immerhin erfüllt es auch als Zwischenleistung in vielen, längst nicht in allen seinen mit staunenswerter Schaffenskraft zusammengetragenen Angaben und Urteilen sowie als Literaturarsenal für das Heer der weiteren Einzelstudien einen erheblichen Zweck.Bastgen < 3066> schüttet ein Bündel von Aktenstücken und Briefen des Vatikanischen Geheimarchivs aus, in dem Angelegenheiten und Persönlichkeiten der deutschen Kirche in der Zeit des Wiener Kongresses und der Romreise Wessenbergs von 1817 behandelt oder wenigstens gestreift sind. Nicht nur, wer über Dalberg, Helfferich, Wessenberg und Sailer arbeiten will, wird hier Notizen finden, die ihn irgendwie angehen. Mehrere Studien befassen sich mit der äußeren Neuorganisation der deutschen Kirche vor
reichlich hundert Jahren. Walter <
3084> zeichnet in nüchterner Sachlichkeit die Bemühungen
Hessen-Darmstadts um die kirchliche Versorgung seiner katholischen Untertanen vom Reichsdeputationshauptschluß bis
zur Ernennung des Bischofs Burg von Mainz im Jahre 1830 im wesentlichen auf Grund der Akten des Darmstädter
Staatsarchivs. Im ersten Teil der Arbeit geht es um die Bemühungen des in seinem Bestand von 1803 beinahe zur
Hälfte von Katholiken bewohnten Hessen, Sitz eines Bistums zu werden. Die Stadt Mainz wurde erst 1816 hessisch. Von
den 1818 eröffneten Frankfurter Verhandlungen an handelt es sich um eine Diözese Mainz als Glied der
künftigen Oberrheinischen Kirchenprovinz. Ob die Beratungen vor dem Wiener Kongreß von der Frage
Reichskonkordat, Rheinbundkonkordat, Einzelkonkordat beherrscht werden, ob sie in ihrer zweiten Hälfte mehr oder
weniger Gemeinschaftsverhandlungen mit den übrigen südwestdeutschen Staaten sind, wie von selbst weiten sie
sich immer wieder auf das allgemeindeutsche Problem
S.494 der kirchlichen Neuumschreibung im Zeitalter von damals hin. Im Gegensatz zu früheren Abhandlungen über das Napoleonische Bistum Mainz ist alles von der staatlichen Seite her gesehen. -- Auch Williard < 3067> bemüht sich um die Frankfurter kirchenpolitischen Konferenzen, die zur Gründung der Oberrheinischen Kirchenprovinz geführt haben. Er will in Ergänzung der wichtigen Untersuchungen Göllers <1927, S. 575 f.; 1928, S. 489 f.> auch das einschlägige Quellenmaterial Württembergs verwenden. Der diesmal vorliegende erste Teil seiner Arbeit läßt die bei den Konferenzen tonangebenden Persönlichkeiten Revue passieren und zeichnet in Andeutungen die Charakterbilder eines Wangenheim und Schmitz-Grollenburg, eines Jaumann und Werkmeister, eines Ittner und Burg, eines Brunner und Häberlin, eines Wreden und Koch. Was aus der Kennzeichnung dieser meist sehr betonten Staatskirchler zu schließen ist, wird sich erst bei der Fortführung der Studie zeigen. --Miller < 3068> schildert auf Grund württembergischer staatlicher Akten erst einmal vorläufig, aber auf lebendige Art die Verhandlungen zwischen Stuttgart und Rom zum Zweck der kirchlichen Neuorganisation in Württemberg von den 1821 beendigten Frankfurter Besprechungen bis zur Inthronisation des Bischofs Keller 1828. Er schildert sie eingebettet in die Vorgänge in der ganzen Oberrheinischen Kirchenprovinz. Er hat sicher recht: »... das Frankfurter kirchenrechtliche System war aus einer unhistorischen und unwirklichen Haltung gegenüber der katholischen Kirche und einer starken Überspannung des Staatsgedankens herausgewachsen.« Württembergs natürlich auch hier genannter Vertreter Schmitz-Grollenburg war »ein mit seiner Kirche zerfallener, mit starker Abneigung gegen Rom erfüllter Mann«. Die ausgleichende Art des Verfassers will dennoch »das Gute vom Wollen der Frankfurter Kirchenpolitiker« nicht verkennen (S. 344 f.). -- Von Hegel < 3063> erhalten wir eine mit Einzelheiten gesättigte und zugleich wohl abgewogene Übersicht über die kirchenpolitischen Verhandlungen der norddeutschen Staaten ohne Preußen mit dem Heiligen Stuhl zwischen dem Beginn des Pontifikates Pius' VII. und dem Ausgang der Papstregierung Gregors XVI., also erheblich über die eigentliche Konkordats- und Konventionsära des 19. Jh.'s hinaus. Gelegentlich dringt die Studie sogar weit ins Zeitalter Pius' IX. vor. Im Vordergrund steht das in katholisch-kirchlichen Angelegenheiten durchweg partikularistisch, nicht unitaristisch gerichtete Königreich Hannover vor und nach der Zirkumskriptionsbulle Impensa Romanorum Pontificum von 1824. Eine merklich bescheidenere Rolle spielt schon das Königreich Sachsen, wo das katholische Herrscherhaus seinen Einfluß ausübte. Für manche andere Staaten hätten Eigenverhandlungen überhaupt nicht gelohnt. Nachdem es der römischen Kurie nicht geglückt war, für das Apostolische Vikariat des Nordens einen hauptamtlichen Vikar mit dem Sitz in Hamburg zu erreichen, lehnte sich dieser große Verwaltungsbezirk seit 1841 an den Inhaber bischöflicher Würde in Osnabrück an. Unter Gregor XVI. verengte sich der Standpunkt, den Rom in den Verhandlungen einnahm.Feine <
3064> lehnt es in scharf durchdachter Untersuchung ab, den Begriff der
»persona grata, minus grata« im deutschen Bischofswahlrecht des 19. Jh.'s als eine Neuschöpfung dieser
Epoche anzuerkennen. Vielmehr knüpft dieser Begriff nach seiner kirchenrechtsgeschichtlichen Deutung an das
Besetzungsverfahren bei den Reichsbistümern und bei denjenigen Landesbistümern an, die eine landesherrliche
Nomination nicht gekannt haben. Er setzt
S.495 insbesondere Zeiten der Erstarkung staatlicher Gewalt wie das 15. und 18. Jh. fort. Zu einer rechtlichen Bedeutung des Begriffes im Sinne der Ausschließung Mindergenehmer ist es bei den Reichsbistümern nicht gekommen. Die römische Kurie hat die Prägung »minus gratos« freilich erst in der Restaurationszeit vor hundert Jahren gebraucht. Die staatliche Designation mit nachfolgender Scheinwahl in Preußen hat nur das ältere Verfahren nachgeahmt.Schnütgen < 3071> skizziert die Entwicklung der Feiertagsfrage in der abendländischen Kirche seit Beginn des 15. Jh.'s auf Grund der neueren Literatur, um dann aus Berliner und Kölner Akten Erarbeitetes, frühere Mitteilungen von ihm <1927, S. 372> wesentlich Ergänzendes über sie für Preußen und insbesondere für die Kölner Kirchenprovinz im Zeitalter der Restauration des 19. Jh.'s zu bieten. Aus dem diesmaligen Aufsatz dürfte namentlich für die preußische Kirchenpolitik im Zeitalter Friedrich Wilhelms III. vor der Feiertagsregelung von 1829 und für die kirchliche, insbesondere liturgische Einstellung im Episkopat von damals zu lernen sein. Grisar < 3065> macht den 1827 in Regensburg bei Sailer erfolgten, im bisherigen Schrifttum nicht eindringlich genug erörterten Übertritt Ludolf von Beckedorffs, Referenten für das Volksschulwesen im preußischen Kultusministerium, zur katholischen Kirche vornehmlich auf Grund seines Nachlasses verständlich. Bekanntlich trug der Schritt von Beckedorff die Entlassung aus dem Staatsdienst ein, die bis zur Thronbesteigung Friedrich Wilhelms IV. aufrecht erhalten blieb. Er war das Ergebnis einer lebenslangen Entwicklung, des dogmatischen und grüblerischen Ringens eines Intellektualisten, der anderseits die Wiedervereinigung der christlichen Kirchen ersehnte. Das letzte zu ihm tat die Gemütsbewegung des schon halb katholisch Gesinnten an der Bahre seines ältesten Sohnes. Am königlichen Hof in Berlin hatte sich die konfessionelle Lage gerade um die Mitte der zwanziger Jahre noch dichter verknotet, als es unsere gut durchgeführte Untersuchung aufweist. Schönig < 3062> behandelt, von S. Merkle angeregt und unterstützt, den als Kirchenpolitiker und Kirchenhistoriker der ersten Hälfte des 19. Jh.'s bekannten Anton Josef Binterim, der, in jungen Jahren Franziskaner, sein ganzes weiteres Leben hindurch Pfarrer in Bilk bei Düsseldorf war. Als Gelehrter war Binterim ein befähigter Polyhistor, aber ohne die nötige sachliche und methodische Fachschulung. Er führte auch in seelsorglichen Fragen eine flotte, manchmal polemische Feder. Als praktischer Geistlicher war er ein Mann kämpferischer, an die römische Kurie sich herandrängender Kirchlichkeit gegenüber den Ausläufern der Aufklärung, gegenüber den Kölner Erzbischöfen Spiegel und Geissel, gegenüber dem preußischen Staat. Bei dem vielen Problematischen in Binterims Wesen und Tun mußte trotz Schönigs großer Besonnenheit eine alles andere als unkritische Biographie entstehen. Die erheblich auseinanderstrebende Tätigkeit des Pfarrers legte es nahe, daß der Verfasser in tausend nachgeordnete Einzelheiten vordrang und daß die Darstellung auf diese Weise sehr anschwoll. Schönigs stets auf guter Grundlage ruhenden theologischen Urteile machen nicht den geringsten Wert seines materialreichen, in erster Linie die rheinische Forschung befruchtenden Buches aus. Nowack <
3072> zeichnet in das Charakterbild Melchior von Diepenbrocks eine Anzahl
von Linien fester ein. Besonders Diepenbrock, der Menschenfreundliche und Barmherzige, tritt hervor, aber ihn
ergänzend auch der Gutsherr
S.496 mit dem unverrückbaren Eigentumsbegriff, der Freund der Gelehrsamkeit, der Dichter und Übersetzer von Dichtungen. Diepenbrocks Protest gegen einen ihm angeblich in Berlin 1845 zugemuteten nicht tragbaren Bischofseid wird ins Reich der Fabel verwiesen.Storz < 3073> orientiert über das Verhältnis von Staat und katholischer Kirche in Deutschland vor und nach der Würzburger Bischofsversammlung von 1848. Der Aufgabe einer »kanonistischen Studie« entsprechend läßt er dabei die staatliche und kirchliche Auffassung sich deutlicher voneinander abheben, als es manchmal rein »geschichtliche« Arbeiten tun. Besonders gut ist Teil B II 3, »Die Oberrheinische Kirchenprovinz«, gelungen. Die Forderungen der Bischöfe in Würzburg hinsichtlich des Nebeneinander von Staat und Kirche, des Verkehrs mit dem Heiligen Stuhl, der freien Auswirkung der Metropolitanverfassung, der Besetzung kirchlicher Ämter, der Freiheit des Kultus und derjenigen für die Orden, der Ausbildung des Klerus, der Freiheit von Erziehung und Unterricht, derjenigen in der Verwaltung des Kirchenvermögens und in der geistlichen Gerichtsbarkeit werden vom kirchlichen Recht her begründet und zwecks Überwindung von Territorialismus und Radikalismus mittels geschichtlicher Angaben als nötig bestätigt. Das Schicksal der Würzburger Forderungen in den einzelnen deutschen Bundesstaaten wird erläutert, wobei auch das Relative ihrer Berechtigung, ihre zeitgeschichtlichen Bedingtheiten hervortreten. In manchen mehr äußeren Dingen könnte die Arbeit noch eine Vervollkommnung erfahren. Der Eifer unseres deutschen Benediktiners Hugo
Lang legt das 1930 veröffentlichte Werk seines wissenschaftlich auch sonst sehr bekannten irischen
Ordensbruders Butler <
3074> »The Vatican Council« in deutscher Ausgabe vor. Es ist
eine Geschichte »von innen«, in Briefen des Konzilsteilnehmers Ullathorne von Birmingham, der der Bischof
Newmans und ein Mann der mittleren Linie war. Als Briefsammlung stellt sie eine Art von Gegengewicht gegen die gleich
1870 gedruckte deutsche Brieffolge von Quirinus-Döllinger dar. Sie ist mit Übersichten über die
Entwicklung von Gallikanismus, Ultramontanismus, Neu-Ultramontanismus eingeleitet, mit Übersichten über die
Auslegung der Konzilsdekrete und mit allgemeinen »Eindrücken und Erwägungen« geschlossen. Im
übrigen ist sie in einen umfangreichen Text Butlers selbst eingebettet und auch durch Ausführungen Dritter
bereichert. Im gelehrten Apparat der Übersetzung finden sich unter anderem ausgewählte Konzilsnotizen des
Abtes Utto Lang von Metten. Butler weiß ohne Aufwendung großer darstellerischer Mittel zu fesseln, zeigt bei
unverhüllten apologetischen Absichten doch eine echt benediktinische Mäßigung, die Befähigung zu
Gerechtigkeit und Sachlichkeit. Der einzige »ernst zu nehmende Makel« an den Handlungen des Konzils neben
manchem anderen Mangel, aber auch bei sehr viel Würdigem und Erhebendem und bei einem mit Dankbarkeit zu
begrüßenden erheblichen Gesamtergebnis ist ihm die Ausschließung der Minderheit aus der Deputation
»De Fide« (S. 137, vgl.
420 f.). Bekanntlich war diese Minderheit großenteils nur gegen die
Opportunität der Verkündigung der Konstitution »Unigenitus«, nicht gegen den Inhalt des Dogmas.
Offen heißt es: »Die Minorität zählte unter ihren Gliedern viele der bedeutendsten und feinsten
Bischöfe der Kirche« (S. 207). Das Thema »Das Konzil und Deutschland« wird entsprechend der
Geltung des deutschen Teils der Minderheit und der heftigen Kämpfe bei
S.497 ihnen zu Hause behandelt. Freilich wird man vielleicht manches Porträt eines deutschen Bischofs ein wenig farblos finden; man merkt ihm an, daß es nicht aus der Nähe gezeichnet ist. Nicht ganz befriedigend wirkt auch der Abschnitt über die zu große Zahl der Italiener auf dem Konzil (S. 210 f.). In Sachen des Vatikanums wird man von jetzt an bei uns in erster Linie Butler-Lang und erst ergänzend den sich nicht sehr deutschfreundlich gebenden F. Mourret (1919) sowie die beiden deutschen Antipoden aus früherer Zeit, J. Friedrich und den mit dem wichtigsten kirchlichen Material versehenen Th. Granderath, befragen. |
Diese Seite ist Bestandteil des Informationsangebots "Jahresberichte für deutsche Geschichte" aus der Zwischenkriegszeit (1925-1938) |