§ 29. Rassenkunde(W. E. Mühlmann) Man muß feststellen, daß in diesem Jahre die Erörterung eigentlich rassengeschichtlicher, also für den Rassenhistoriker wichtiger Probleme um tüchtige Schritte vorwärtsgekommen ist. Die Erörterung gruppiert sich in erster Linie um das Verhältnis von Rasse und Volk, und hier abermals steht im Mittelpunkt die Frage der rassischen Beschaffenheit und Rassengeschichte der Indogermanen und Germanen. Mit Spannung nimmt man das Buch von P. Wilhelm Schmidt, SVD <
1594> zur Hand. Es ist die völlig neu bearbeitete Auflage einer
gleichnamigen, 1927 erschienenen Schrift. Auch aus einer kleinen, 1932 in Augsburg erschienenen, an katholische
Akademiker gerichteten Schrift, »Die Stellung der Religion zu Rasse und Volk«, sind viele Gedankengänge
übernommen worden. Der Verfasser ist bekannt als Religionswissenschaftler und Linguist, als Führer der
Kulturkreisschule in Wien und als sehr eifriger Vorkämpfer der von dieser Schule vertretenen sog.
»kulturhistorischen« Methode in der Völkerkunde. Diese Methode ist vor allem in F. Gräbners
Büchlein »Methode der Ethnologie« (1911) niedergelegt, das sich seinerseits auf die 5. Auflage von E.
Bernheims »Lehrbuch der hitorischen Methode« (1908) stützt, und wird von den Vertretern der Wiener
Schule für eine Errungenschaft für alle Zeiten gehalten, unbeschadet des Umstandes, daß doch auch in der
Geschichtswissenschaft die Problemstellungen sich wandeln und die Methoden sich vervollkommnen. Trotzdem ist die von
Sch. in der vorliegenden Schrift angewandte Methode weder »kulturhistorisch« noch sonstwie wissenschaftlich:
sie ist vielmehr weithin der scholastische Syllogismus. Dies gilt namentlich für den ersten Teil des Buches, der
sich mit den Zusammenhängen von »Rasse und Körper«, »Rasse und Seele« und »Rasse
und Kultur« befaßt und eigentlich nur ein Referat der »reichsdeutschen« Rassenforschung ist, mit
der Absicht, die Unhaltbarkeit der Ergebnisse dieser Forschung »abzuleiten«. Fragen werden aufgerollt,
verschiedene Forscher dazu und gegeneinander zitiert und zum Schluß abgeleitet, daß die Rassenforschung
nichts weiß oder sich im Irrtum befindet. So beruft sich der Verfasser zu unrecht auf E. Baur, zu unrecht auf E.
Fischer, zu unrecht auf E. v. Eickstedt und andere. Was er an Eigenem vorbringt, beweist nur, daß er auf diesen
Gebieten nicht zuständig ist. So bezweifelt er die Gültigkeit der an Pflanzen und Tieren gewonnenen
Erblichkeitsgesetze für den Menschen, bestreitet den Unterschied zwischen erblichen und nichterblichen Variationen
(S. 21 ff., 187, 212) und gewinnt so die »Basis«, auf der er (S. 28) den Rassenbegriff überhaupt
zerreden kann. Die Vererbung seelischer Eigenschaften wird ebenfalls bestritten, weil nach der katholischen
Glaubenslehre die Seele für jeden Menschen von Gott neu geschaffen werde, folglich nicht vererbbar sei (S. 41).
Durch den freien Willen soll der Mensch in der Lage sein, die Richtung erblicher Variationen zu beeinflussen (S. 44)
(!). Überhaupt spricht Schmidt dem bewußten sittlichen Willen des Menschen in weitem Umfange die
Möglichkeit zu, erbliche Rassenanlagen zu variieren, also z. B. rassische Charakterfehler zu überwinden, ja,
er sieht hierin eine Aufgabe der »Rassenpflege« (S. 189, 214). Diese Denkweise ist vielleicht eine
Konsequenz aus der thomistischen Anthropologie,
S.332 nach der erst die gottgeschaffene Seele aus der prima materia einen lebensfähigen Körper macht, hat aber nichts mit moderner Wissenschaft zu tun. Schmidt bekämpft in der Rassenforschung den Versuch eines »naturwissenschaftlichen« Einbruchs in die »Geisteswissenschaft«. Die Rassen seien lediglich physische Gebilde, und es sei »Materialismus«, die Rasse zur Grundlage der Kultur zu machen. Seine Stellungnahme, die zwischen Rassenforschung einerseits und Völker- (und Kultur- und Geschichts-)forschung andererseits eine ewige Kluft einreißen will, ist seit drei Jahrzehnten bekannt, und er hat ihr jetzt kein neues Argument anfügen können. Er übt (S. 15) scharfe Kritik daran, daß die »Société d'Ethnologie de Paris« 1839 die Erforschung der »organisation physique, du caractère intellectuel et moral, des langues et des traditions historiques« auf ihre Fahne schrieb. Schmidt hält diese Verquickung für »unheilvoll«, -- man kann aber auch der Meinung sein, daß hier ein hohes Forschungsziel aufgestellt wurde, das später nur infolge der fachlichen Spezialisierung verlorenging, heute aber wieder energisch gefordert und ernsthaft angestrebt werden muß. Heute tut eine Synthese not, nicht eine Zerreißung mit dem heimlichen Sinn, von den Nachbardisziplinen möglichst unkontrolliert zu bleiben. Die weiteren Abschnitte des Schmidtschen Buches bestätigen, daß hier nicht der Unterschied zwischen Natur- und Geisteswissenschaften zur Erörterung steht, sondern der von Wissenschaft überhaupt und Dogma überhaupt. Statt die Begriffe »Rasse« und »Volk« organisch zu verbinden, spielt er »Volk« gegen »Rasse« aus. Gegen die moderne Rassenkunde fährt er das Geschütz seiner Kulturkreislehre auf -- wobei es abermals ein nur von ihm und seinem Kreise geteiltes Dogma ist, daß diese Lehre mit der gesamten modernen Völker- und Kulturkunde identisch sei. Daß die Richtigkeit der von ihm aufgestellten Kulturkreise außerhalb seines Kreises mit guten Gründen bestritten wird, verschweigt er seinen Lesern.Im zweiten Teil legt Schmidt dar, wie er sich das Werden des deutschen Volkes vorstellt. Da nach der Kulturkreislehre alle Hochkulturen Mischkulturen sind, müssen sie auch von Mischrassen getragen sein (S. 76, 196). Alle »Spätrassen« sind »Mischrassen«. Auch die nordische Rasse ist eine »Mischrasse«. Sie enthält »altaustraloide und altnegroide Elemente«. Dazu kommen Elemente einer »kaspischen« sowie der mediterranen Rasse (S. 117). In der Hauptsache aber ist die nordische Rasse aus der Vermischung der neolitischen »nordeurasischen« (Fritz Kern) Pferdezüchterrasse mit der »dalischen« (F. Paudler) Megalithbauernrasse erwachsen. In dieser (übrigens nicht neuen) Einsicht, die heute von immer mehr Forschern geteilt wird, liegt sicher etwas Richtiges. Dagegen ist die Behauptung Schmidts unbewiesen, daß der nordischen Rasse aus der Zeit jener neolithischen Verschmelzung noch etwas Zwiespältiges anhafte, das sich noch heute in nordeurasisch-dalischen Ehen auswirke (!). Die Besprechung des Problems der
indogermanischen Urheimat (S. 137 ff.) bedient sich abermals der scholastischen Sic et non-Methode, wobei
Sch. einseitig die Meinung derjenigen »Autoritäten« wiedergibt, die wie P. Wilhelm
Koppers <
564> die Indogermanen ethnographisch in die Nähe der
Altai- Völker stellen und ihren Ursprung demgemäß in Asien suchen. Bei K. stehen dabei formale
soziologische Entsprechungen zwischen Indogermanen und
S.333 Altai-Völkern im Vordergrund, wie Patriarchat, Himmelsgottglaube, Verehrung eines Dioskurenpaares, Pferdeopfer u. a. m. Dabei übersieht K., daß die mongoliden Altai-Völker von den nordischen Indogermanen doch rassisch verschieden sind, daß aber bei verschiedenen rassischen Reaktionsnormen formale sozial-kulturelle Parallelen nicht entscheidend sein können. Er übersieht dies, weil er als getreuer Jünger der »kulturhistorischen Methode« an der Trennung von Völker- und Rassenforschung, von Geistes- und Naturwissenschaft festhalten muß. -- Schmidt selbst sieht das Entstehungsgebiet der Indogermanen zwischen dem zentralen Westasien und Südrußland und läßt dementsprechend die Wanderung des neolithischen schnurkeramischen Volkes -- das man heute wohl ziemlich allgemein für das indogermanische Urvolk hält -- von Südrußland nach Mittel- und Nordeuropa erfolgen, nicht in umgekehrter Richtung, wie dies Schuchhardt < 549>, H. F. K. Günther < 1592> und andere vertreten. Daher ist für Schmidt »ein großer Teil des jetzigen deutschen Landgebietes gerade für die nordische Rasse nicht Muttererde, in der sie seit langem verwurzelt wäre und deshalb über tiefere und innerliche Kräfte verfügte, sondern neu erworbenes Kolonialland, in welchem sie um nichts älter ist und tiefere Kräfte besitzt als das deutsche Volk, als dessen Hauptträger sie erst in diesen Gebieten erschien« (S. 197). -- Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß dies so sein »muß«, um vorzubereiten, daß der Deutsche von heute anderswo seine geistige Heimat zu suchen habe als auf deutschem Heimatboden selbst.Ist also Sch. in der Indogermanenfrage Vertreter der Ostthese, so vertritt er in der Germanenfrage, wie nicht anders zu erwarten, die Südthese. Die römischen und mediterranen Kulturen standen höher als die Kultur der Germanen, die ihr Bestes aus »der engen Verbindung mit Italien, dem stärksten Herde altrömischer und altchristlicher Kultur«, schöpften (S. 174). Die Kulturbewegung sieht Sch. von Süden nach Norden gehend (S. 208). Die kirchliche Einigung der deutschen Stämme durch Bonifaz und ihre politische Einigung durch Karl d. Gr. haben verhindert, daß das religiös und stammlich ohnehin zersplitterte deutsche Volkstum durch die zweite Lautverschiebung völlig auseinanderbrach (S. 174). »Es war also nichts Unnatürliches und Gewaltsames und also auch nichts Widerdeutsches, sondern sozusagen der natürliche Ausfluß der jetzt erlangten Größe des deutschen Volkes, daß die größte geistige Macht seiner Zeit, die Kirche, sich in den Schutz dieses Volkes begab und seinen König zum Kaiser eines neuen Römischen Reiches deutscher Nation -- die jetzt erst als solche geeint bestand -- krönte und damit das große deutsche Volk in einer für die damalige Zeit doppelt bedeutsamen mystischen Weise über alle Völker des Abendlandes emporhob« (S. 178). Da für Schmidt das Deutschtum also eine katholische Angelegenheit ist, sieht er in der Reformation sowie in der Hinausdrängung Österreichs aus Deutschland 1866 eine Zerstörung der Volkseinheit und einen Bruch der geschichtlichen Linie (S. 182, 209). Im letzten Teil des Buches tritt die politisch-katholische Tendenz minder verhüllt hervor. Sch. tritt für
eine -- nicht ungeschickt gegensätzlich zur römisch-romanischen Staatsgliederung stilisierte!
-- stammhaft-föderalistische Gliederung des deutschen Volkes ein (S. 218), gibt aber zu, daß der
Föderalismus des Zweiten Reiches »nur eine Mißbildung« gewesen sei und daß
S.334 für die Zeit seines Abbruches eine zentrale Regierungsgewalt die Zügel straff anziehen müsse: »und nur die starke Hand einer solchen Zentralgewalt wird wahrscheinlich imstande sein, die geheimen und offenen Widerstände zu besiegen, die sich dem Neuaufbau auf ganz anderen Grundlagen entgegenstellen« (S. 220), ein Wort, das sich vermutlich an Tendenzen, wie sie Sch. verfolgt, selber erfüllen wird. -- Hervorzuheben wäre noch, daß er die Gefahr der »Entnordung« des deutschen Volkes auf die Kinderarmut der nordischen Rasse zurückführt, was vollkommen richtig ist; -- was es besagen soll, begreift man erst, wenn man liest, daß nur die katholische Religion dieser Entnordung Einhalt gebieten könne (S. 128 f.).Dies möge genügen. Der etwas ausführliche Bericht war notwendig, weil die Tendenzen des Buches durchaus nicht so klar zutage liegen, wie es nach der hier gegebenen scharfen Kennzeichnung scheinen möchte. Symbolisch für dieses Buch ist das Titelbild, das einen Germanen in edler, nordischer Haltung darstellt: es handelt sich aber um das Relief eines gefesselten Kriegsgefangenen von einem römischen Siegesdenkmal. Es ist eine tiefbedauerliche, nur deutsche Entwicklungsmöglichkeit, wenn eine niederdeutsche Kämpfernatur wie Wilhelm Schmidt zum getarnten Vorkämpfer des Südstandpunktes werden konnte. Demgegenüber tritt in der Rede Alfred Rosenbergs < 98> über »Die Ausweitung des deutschen Geschichtsbildes« der Nordstandpunkt mit erfreulicher Frische und Klarheit hervor. An die Stelle einer verengten Forschung, die einmal geschaffene Methoden nach der Art von Dogmen behandeln und also zu ewiggültigen Grundsätzen stempeln will, tritt der dynamische Begriff einer Forschung, die ihre Antriebe aus der Erweiterung des Weltbildes empfängt und deren Methoden sich folglich wandeln und vervollkommnen, an Stelle der Trennung von Rasse und Kultur, wie sie die Kulturkreislehre verficht, ihre Verbindung, an Stelle der Ost- und Südthese der Schluß aus den Ergebnissen der Vorgeschichtsforschung, daß Europa »die Urbilder späterer Entwicklungen« beherbergt und daß diese Urbilder »in die südöstliche Welt hinausgetragen wurden, wo aus ihnen Weltanschauung, Staatsformen und griechische Tempel entstehen«. Wendet sich R. gegen die von der Kulturkreislehre geforderte gesonderte Betrachtung von Rasse und Kultur, so zeigt Stengel-von Rutkowski < 1597>, wie sich in der wissenschaftlichen Persönlichkeit H. F. K. Günthers der Einbruch lebensgesetzlichen Denkens in die sog. Geisteswissenschaften vollzogen hat. Günthers neues Werk über die Germanen < 1592> bietet auch ein sachliches Gegengewicht gegen die Ansichten von Schmidt und Koppers, soweit diese die östliche Herkunft des Indogermanentums verfechten. Die Heimat der Indogermanen ist nach ihm das jungsteinzeitliche Mitteleuropa. Das indogermanische Urvolk ist identisch mit jener neolithischen Bevölkerung, die nach ihrem Gefäßstil als Schnurkeramiker bezeichnet wird. Die Uritaliker, Urkelten und Urgermanen müssen eine räumlich besonders eng benachbarte Gruppe gebildet haben. Besteht
unter den Forschern ziemliche Übereinstimmung darin, daß die Schnurkeramiker mit dem indogermanischen Urvolke
gleichzusetzen sind, so bereitet ihre ethno-soziologische und demzufolge ihre rassenseelische Charakterisierung noch
große Schwierigkeiten. v. Eickstedt in seiner in ihrer Knappheit ausgezeichneten Darstellung der
»Rassischen Grundlagen des deutschen
S.335 Volkstums« (Köln 1934) sieht in ihnen kunst- und kulturbegabte höhere Jäger, die schließlich zur Pferdezucht übergingen. Schmidt < 1594> hält sie für Pferdezüchter und erklärt damit die Schnelligkeit ihrer Ausbreitung in Europa und ihr Eroberertum. -- Ich glaube, daß Günther den Tatsachen am besten gerecht wird, wenn er die Schnurkeramiker ursprünglich »weniger im Ackerbau wurzeln« läßt (hierin mit v. Eickstedt, S. 41, übereinstimmend) als die pflugbäuerlichen Megalithiker und die wahrscheinlich hackbauerlichen Bandkeramiker. Sie sind »die minder bäuerliche oder die am spätesten bäuerlich werdende Gruppe der Jungsteinzeit« (S. 19). Von dann ab aber erscheinen sie als landsuchende Bauernkrieger.In der frühesten Bronzezeit entstand aus der Verschmelzung von Schnurkeramikern mit Megalithkeramikern (und mit dem jütischen Streitaxtvolke) das Germanentum (S. 36). Die beiden letztgenannten Gruppen wurden von den Schnurkeramikern sprachlich indogermanisiert. Die Volkskeime der Thraker, Phryger, Philister, Hellenen und Makedonen entstanden in dem Gebiet zwischen Ostalpen, Siebenbürgen und den nördlichen Balkangegenden aus der Überschichtung von dinarisch-mediterranen Bandkeramikern durch nordische Schnur- und Megalithkeramiker. Die Slawen sind das Ergebnis eines schnurkeramischen Vorstoßes nach Osten. Schädelfunde sprechen dafür, daß noch die mittelalterliche Herrenschicht der Slawen überwiegend nordisch war, -- was auch H. Banniza von Bazan < 1611> hervorhebt, der in der nordischen Rassenzugehörigkeit des slawischen Adels eine Erklärung dafür sieht, warum dieser Adel sich im Gebiete der ostdeutschen Kolonisation so leicht eindeutschen ließ. Die Schnurkeramiker erscheinen nach Ausweis des neolithischen Schädelmaterials als eine fast rein nordische Gruppe. Diese Feststellung paßt zu dem in »Die Indogermanen Asiens« <vgl. 1933/34, S. 413 f.> erbrachten Nachweise, daß die indogermanischen Völker Asiens ebenfalls überwiegend der nordischen Rasse angehörten. Neuerdings wird die Grundlage der Güntherschen Beweisführung gestützt durch W. Sieglin < 1589>, der die antiken literarischen Zeugnisse über die Haarfarbe von Göttern, Helden, historischen Persönlichkeiten und erdichteten Personen zusammenstellt. Die meisten Zeugnisse ergeben sich natürlich für Hellenen und Römer, aber auch über Gallier, Germanen, Illyrer, Thraker usw. liegen Nachrichten vor. Von insgesamt 747 Personen werden 586 als blond und nur 151 als dunkelhaarig bezeichnet (S. 137) -- ein gewiß überraschendes Ergebnis. -- S.s Hypothesen können weniger befriedigen, die Zusammenstellung der alten Schriftsteller dagegen ist sehr verdienstlich. Für die Germanen der Bronzezeit
liegt, da die Toten meist verbrannt wurden, nur wenig Schädelmaterial vor, dagegen beweisen uns die Schädel
vom Reihengräbertypus aus der Völkerwanderungszeit, die den Schädeln der Schnurkeramiker sehr
ähnlich sind, das »Durchgehen« der nordischen Rassenform durch mindestens zweieinhalb Jahrtausende,
vielleicht sogar noch längere Zeiträume, denn ähnliche Schädelformen tauchen schon in der mittleren
Steinzeit auf. Günther gibt eine gute Übersicht über die Schädelfunde vom Reihengräbertypus.
Seit dem Eindringen der Germanen in die Mittelmeerwelt haben wir zudem die Zeugnisse der antiken Schriftsteller
über die nordischen Rassenmerkmale der Germanen (vgl. Sieglin <
1589>). Dazu treten dann einige Jahrhunderte später die Zeugnisse aus
der Saga-Literatur, die
S.336 jetzt Lothar Herdt in einer wertvollen Arbeit, betitelt »Rassenkundliche und rassenbiologische Zeugnisse im altisländischen Schrifttum« (Archiv f. Rassen- u. Gesellschafts-Biologie, Bd. 28, S. 1--38) gründlich ausgewertet hat.Die beiden Schlußkapitel des Güntherschen Buches sind der »Rassen- und Erbgesundheitspflege der Germanen« und der »Auflösung der germanischen Rassenpflege durch das ma.'liche Christentum« gewidmet. G. bewertet die Christianisierung der Germanen umgekehrt wie Schmidt. Während dieser bei den Germanen mehrere, miteinander konkurrierende Religionen feststellen möchte, um das Einigungswerk der katholischen Kirche in das rechte Licht zu rücken, besaßen nach G. die Germanen eine arteigene, einheitliche Grundhaltung der Frömmigkeit, deren Wesen in der »Weltgeborgenheit« besteht. Steht somit die Zugehörigkeit der Indogermanen und Germanen zur nordischen (bzw. nordisch-dalischen) Rasse im großen und ganzen fest, so wissen wir dagegen noch nicht, welchen steinzeitlichen Züchtungsbedingungen die nordische Rasse ihre Ausgestaltung verdankt. Günther hebt zwar mehrfach hervor < 1592, S. 18, 52; 1590, S. 475>, Indogermanentum und nordische Rasse seien letzten Endes Ergebnisse der Ausleseverhältnisse späteiszeitlicher Landschaften Nord-, Mittel- und Westeuropas, doch steht eine nähere Charakterisierung dieser Ausleseverhältnisse noch aus, kann vielleicht heute auch noch nicht gegeben werden, so wichtig sie auch wäre. Betont werden muß, was auch G. hervorhebt, daß die nordische Rasse älter ist als das Indogermanentum und daß sie nicht lediglich in dieses eingegangen ist. -- Keine Einmütigkeit besteht bei den Forschern über den formalen Anschluß der neolithischen nordischen Rassenform an die paläolithischen Menschenreste. Manche halten die sog. Brünn- oder Aurignac-Rasse, andere die Cromagnon- Rasse, noch andere die Form von Chancelade (Dordogne) aus dem Magdalénien für die Ahnin der nordischen Rasse. Während v. Eickstedt in der genannten Schrift (S. 36) die Chancelade-Form für eine eskimo-ähnliche Fremdlingsform hält, die ohne Spuren zu hinterlassen erloschen sei, macht Reche diese Form zur Vorform der nordischen Rasse. Angesichts solcher Verschiedenheiten in der morphologischen Deutung eines Skelettfundes ist es zu begrüßen, daß Günther < 1590> eine Neubearbeitung des Fundes nebst einer Erörterung der verschiedenen Beurteilungen vorlegt. Er lehnt die Eskimoähnlichkeit des Schädels ab und neigt der Auffassung Reches zu, der in der Chancelade-Form die jungpaläolithische Ahnenform der nordischen Rasse sieht. -- Dagegen leitet die Mehrzahl der Forscher diese Rasse wohl von der Cromagnon-Rasse ab, von der nach der Ansicht mancher die Chancelade- Form sogar nur eine Variante ist. v. Eickstedt wiederum läßt (S. 39 f.) »Cromagnonide« und »Urnordische« aus der Aurignac-Schicht des »östlichen Großeuropa« hervorgehen. Unter dem östlichen Großeuropa wird dabei die »sibirische Tasche« verstanden, welche allein während und nach der letzten Eiszeit die Bedingungen erfülle, die zur Aufhellung (Depigmentierung) der dunklen Urnordischen zu den Nordischen führten: Absperrung nach außen hin und kaltes, nebelreiches Klima. Aus der Verschmelzung der depigmentierten Cromagnoniden und Urnordischen entstand dann im westlichen bzw. nördlichen Großeuropa die nordische Rasse (S. 40 f.). Für den Historiker ist
es wichtiger, den Prozeß der Entstehung des Indogermanentums
S.337 sowie des Germanentums aus der Überlagerung von Megalithbauern durch schnurkeramische Pferdezüchter, wie Günther sie im Umriß darlegt, zu verfolgen. Nach ethnologischen Erfahrungen ist zu erwarten, daß sich dieser Überlagerungsprozeß in der germanischen Religionsgeschichte spiegeln und in den uns aus Spätdokumenten erschließbaren Götterfiguren nachklingen wird. Auf den Gegensatz von Asen und Vanen ist öfters hingewiesen und die Ansicht geäußert worden, daß er eine ethnische Schichtung nahelege. In seinen bevorzugten Götterfiguren, die ja doch immer das Maß überragender Führergestalten zeigen, spiegelt sich ein Volk. Sinn und Bedeutung solcher Gestalten zu erhellen, ist also rassenpsychologisch wichtig. Es ist ein Hauptverdienst des Buches von Ninck < 587>, die faszinierende Anziehungskraft, welche die Wodansfigur bis in unsere Tage hinein in ihren psychologisch wesentlichen Zügen bewiesen hat, in das rechte Licht gerückt zu haben. Mögen über sprachliche Einzelheiten die Philologen rechten, so kann doch wohl kein Zweifel mehr sein, daß der seine Gestalt wandelnde, bald hier bald dort erscheinende Gott der Herr der gestaltwandelnden, als Hunde, Wölfe usw. auftretenden Berserker ist, dabei aber eben als »Herr« seiner wesentlichen Züge eine bipolare Natur aufweist: nicht nur »besessen«, »rasend«, sondern auch Herr über Besessenheit, Raserei, also das genau Gegenteil: verständig und weise (was nur an der Oberfläche paradox erscheint), nicht nur Stürmer, sondern auch Wetterherr, Todesgott und Herr über den Tod (Havamal!) usw. In gemilderter Form erscheint die berserkerhafte Verwandelung in den sog. Entrückungssagen vom Typus der Kyffhäusersage, die sich bald auf Karl d. Gr., bald auf Friedrich I., Friedrich II. oder Karl V. richten, ihrer inneren Meinung nach aber nach N. auf Wodan sich beziehen. Die Dichtertradition Wodans lebt nach N. noch im Minnesang weiter (mystische Bindung des Helden an weibliche Schicksalsgestalten, das Minnegedenken eine Form der Entrückung), und die Faustgestalt und selbstverständlich der wilde Jäger meinen ebenfalls Wodan. Wenig befriedigt die Erklärung N.s, warum bei den Germanen der indogermanische Djeus, der im germanischen Tyr weiterlebt, als oberster Gott durch Wodan verdrängt wurde. Er meint, die Figur eines olympischen Himmelsgottes in ihrer Majestät und Ruhe habe nicht unter den grauen nordischen Himmel gepaßt. Diese Erklärung setzt aber voraus, daß die Figur des Djeus nicht unter nordischem Himmel entstand, daß also Indogermanen- und Germanenheimat nicht zusammenfielen.Die Wodansgestalt trägt die Züge einer pferdezüchtenden Adelsschicht. Wodan
ist leidenschaftlicher Pferdeliebhaber (der achtfüßige Sleipnir), und im Harbardslied treten die Züge
des beweglichen, vielgewandten und »bewanderten« Weltmannes und Aristokraten Odin gegen den
»Bauer« Thor sichtbar heraus. Vielleicht lebt hier doch der Gegensatz zwischen den nordischen
Schnurkeramikern zu den »dalischen« Megalithbauern in gemilderter Form weiter. Eine einseitige Betrachtung
des Wodan führt freilich dazu, die aus dem Megalithbauerntum stammenden Rassenzüge zu unterschätzen. So
bringt Ninck die Wanderlust und Kampfesfreude der Germanen in Zusammenhang mit der Wodansgestalt -- sicher richtig
-- und zählt die germanischen Vornamen auf, die mit »Kampf« zusammenhängen, -- aber man kann
dagegen mit Günther <
1592> die germanischen Ortsnamen auf -leben (nordgermanisch
S.338 -lev) und die auf Sippensiedlungen weisenden Namen auf -ingen anführen, die auf bäuerliche Seßhaftigkeit und Stetigkeit hinweisen (S. 69). Herrentum und Bauerntum sind bei den Germanen wohl schon in der Bronzezeit eng verschmolzen. Daß aber eine Analyse der herrentümlichen und der bauerntümlichen Züge von größter rassenpsychologischer Bedeutung wäre, dürfte wohl klar sein.Das übrige rassenkundliche Schrifttum des Jahres ist historisch meist von geringerem Belange. Wichtig ist die Monographie von B. K. Schultz < 1599>. Es sei ferner auf die seit 1935 erscheinende »Zeitschrift für Rassenkunde und ihre Nachbargebiete« hingewiesen, die in vorbildlicher Weise unterrichtet. Als besonders wichtig sei der Aufsatz des Herausgebers E. v. Eickstedt in Bd. 2, S. 1--32, »Anlage und Durchführung von rassenkundlichen Gauuntersuchungen« genannt. Für bevölkerungsdynamische Fragen ist wichtig I. Schwidetzky, »Über das Tempo natürlicher Bevölkerungsverschiebungen« (Bd. 2, S. 168--178). Die Verfasserin kommt zu dem überraschenden Schluß, »daß der natürliche Bevölkerungsaustausch, nämlich der zwischenörtliche Heiratsverkehr und die ländliche Binnenwanderung bei seßhaften Völkern ein ganz geringfügiger Faktor der Rassenvermischung ist«. Die Frage der Bodenfestigkeit und Seßhaftigkeit selbst behandelt v. Schroeder < 1620> auf bevölkerungsgenealogischem Wege für eine bäuerliche Bevölkerung Sachsens: Bodenfestigkeit und Seßhaftigkeit sind auffallend gering. -- »Drei Geschlechterfolgen von Bauernfamilien« im Landkreis Stadtroda untersucht G. Wilmanns (Archiv f. Rassen- u. Gesellschafts-Biologie, Bd. 28, S. 129--150) und gelangt dabei auch zu allgemeineren Schlüssen. Für Fragen der örtlichen Siebung <s. 1932, S. 319> ist das Thema von Ulmer < 1627> wichtig, doch kann eine siebende Wirkung nur vermutet werden, da der Verf. sein Augenmerk nicht auf Unterschiede der erblichen Veranlagung gerichtet hat. Eine etwas bessere Ausbeute in Hinsicht auf die örtliche Siebung ergibt sich aus dem Material, das Gröschel < 1628> vorlegt. Er hebt selbst hervor, daß eine rassenkundliche Auswertung noch erst folgen müsse und sagt vorläufig nicht mehr als: »Mit den Einwanderungen aus den östlichen Alpenländern ist ein rassisches Element nach Franken gekommen, das früher wohl auch vertreten war, aber bei weitem nicht in dem Ausmaße. Man kann sagen, unser »Schlag« hat durch das viele neue Blut ein anderes Gesicht, z. T. sogar in wortwörtlichem Sinne erhalten. Man braucht nur einmal durch Südfranken zu wandern, um das sofort zu erkennen.« Wichtig ist auch, daß diese Auswahl selbständiger Charaktere das wirtschaftliche Leben der Einwanderungsbezirke gehoben hat (S. 61), -- aber derartige Feststellungen müßten viel mehr in die Einzelheiten gehen. Die von Burchard <
1614> veröffentlichte Calenbergische Musterungsrolle von 1585
verdankt ihre Entstehung dem Herzog Julius zu Braunschweig und Lüneburg, dem 1584 durch den Tod Erichs II. das
Fürstentum Calenberg-Göttingen zufiel. Die Rolle gibt für eine von den Kirchenbüchern nur
ausnahmsweise erfaßte Zeit eine fast vollständige Musterung der Bevölkerung des Landes und der kleinen
Städte, -- leider nur für die Männer, so daß eine bevölkerungsbiologische Auswertung nicht
möglich ist und ein dementsprechender Deutungswert der Rolle höchstens einmal in Verbindung mit etwaigen
anderen Quellen zufallen kann.
S.339 Schließlich seien hier noch einige Arbeiten aus Jahrgang 10 der Zeitschrift »Volk und Rasse« nachgetragen: W. Burchard, »Beitrag zur Kenntnis der Deutschen in der Batschka« (S. 170), F. Keiter, »Weichselboden: Geburt, Ehe und Tod im steirischen Gebirge« (S. 195), H. Wülker, »Bauer und Städter im Spiegel einer biologischen Kulturgeschichte« (S. 227) und B. Sommerlad, »Das Rassegefühl des deutschen Handwerkers in der Vergangenheit« (S. 307). |
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